Immer mehr Deutsche können ihre Schulden nicht mehr zurückzahlen
Inhalt des Artikels:
- Immer mehr verschuldete Deutsche – im Osten weniger als im Westen
- Menschen aus allen sozialen Gruppen überschuldet
- Warnsignal: Verschiedene Formen der Überschuldung steigen
- Menschen unter 30 und über 60 mit höchstem Überschuldungs-Risiko
- Keine Verbesserung für 2026 erwartet: "Rücklagen weg, Vertrauen angeschlagen"
Zum ersten Mal seit sechs Jahren ist die Zahl der überschuldeten Menschen in Deutschland wieder gestiegen. Zu diesem Ergebnis kommt der "Schuldneratlas Deutschland 2025" der Wirtschaftsauskunft Creditreform.
Dieses Jahr sind der Studie zufolge rund 5,7 Millionen Menschen über 18 Jahren überschuldet gewesen – 111.000 mehr als im Vorjahr. Das entspricht einem Anstieg von 2 Prozent. Die Überschuldungsquote stieg bundesweit auf 8,16 Prozent, 2024 waren es noch rund 8,1 Prozent.
Thüringen auf Platz 3, Sachsen-Anhalt auf Platz 15
Die Überschuldungsquote erhöhte sich demnach in 69 Prozent der Kreise und kreisfreien Städte. Im Vorjahr waren es mit 34 Prozent nur etwa halb so viele. Besonders stark betroffen sind Teile Nordrhein-Westfalens und Bayerns.
Ein Positivbeispiel ist den Angaben zufolge die Stadt Jena. Entgegen dem Trend ist dort die Zahl der Überschuldeten in den vergangenen rund 20 Jahren um 33 Prozent zurückgegangen. In Ostdeutschland stieg die Zahl der Überschuldungsfälle auch insgesamt weniger stark als in den westdeutschen Bundesländern.
Im Bundesländer-Vergleich gehört Thüringen mit 7,4 Prozent zu den Ländern mit der niedrigsten Überschuldungsquote und landet auf dem dritten Platz. Sachsen folgt mit rund 8 Prozent auf Platz fünf, Sachsen-Anhalt mit rund 10,7 Prozent auf dem vorletzten Platz.
Menschen aus allen sozialen Gruppen überschuldet
Der Leiter der Wirtschaftsforschung bei Creditreform, Patrik-Ludwig Hantzsch, spricht mit Blick auf die aktuellen Zahlen von einer "Trendwende mit Ansage". Nach Jahren des Angst-Sparens seien die finanziellen Puffer vieler Menschen aufgebraucht. Zwischen 2019 und 2024 war die Zahl überschuldeter Menschen um rund 1,3 Millionen Fälle gesunken.
Aus dem "Schuldneratlas" geht hervor, dass die Überschuldung in allen sozialen Gruppen zugenommen hat. Überschuldung sei kein Randphänomen mehr, so Hantzsch. "Wir sehen mittlerweile viele, die eigentlich gut situiert sind, aber ihre finanzielle Belastbarkeit überschätzt haben." Das betreffe auch zunehmend Menschen mit stabilem Einkommen und geregeltem Alltag.
Warnsignal: Verschiedene Formen der Überschuldung steigen
Auffällig ist der Studie zufolge auch, dass verschiedene Formen der Überschuldung gleichzeitig zugenommen haben. Die sogenannte harte, also juristisch relevante, Überschuldung, die Inkassoverfahren und Haftbefehle zur Folge haben kann, stieg in diesem Jahr um 39.000 Fälle. Die sogenannte weiche Überschuldung, also anhaltende Zahlungsprobleme ohne rechtliche Konsequenzen, stieg um 72.000 Fälle.
Nach Aussage des Geschäftsführers von Creditreform, Bernd Bütow, spricht diese Entwicklung für eine "breite strukturelle Verschlechterung der privaten Finanzen". Viele Verbraucher rutschten nicht plötzlich, sondern schleichend in die Überschuldung – erst gerieten Rechnungen in Rückstand, dann folgten Mahnungen und schließlich juristische Verfahren. Einen gleichzeitigen Anstieg beider Überschuldungsformen gab es den Angaben zufolge in den letzten 20 Jahren nur 2007, 2010 und 2012.
Menschen unter 30 und über 60 mit höchstem Überschuldungs-Risiko
Überdurchschnittlich stark ist die Überschuldung dieses Jahr vor allem bei den unter 30-Jährigen und über 60-Jährigen gestiegen. Der "Schuldneratlas" zeigt: Junge Menschen geraten durch ihr Konsumverhalten, Kredite und Online-Käufe in die Überschuldung. In dieser Altersgruppe sind auch sogenannte "Buy now, Pay later"-Angebote (BNPL) beliebt. Dabei verpasste fast die Hälfte der 18- bis 25-Jährigen BPNL-Nutzer die Zahlungsfrist und musste eine Mahngebühr zahlen. Bei den über 60-Jährigen hängt die höhere Überschuldung vor allem an den steigenden Lebenshaltungskosten und geringen Renten.
"Die Jungen stolpern über Konsumverhalten, die Älteren über strukturelle Knappheit", erklärt Bütow. Beide Gruppen hätten kaum Spielraum, wenn unvorhergesehene Ausgaben anstünden. Außerdem heißt es in der Studie: "Bei beiden Gruppen gehen Einkommensarmut und mangelnde finanzielle Bildung oft Hand in Hand."
Insgesamt ist die Altersgruppe der 30 bis 39-Jährigen mit rund 1,5 Millionen Betroffenen am stärksten überschuldet. Unabhängig vom Alter sind Männer weiterhin öfter überschuldet als Frauen. Während fast 3,5 Millionen Männer in Deutschland ihre Schulden nicht mehr zurückzahlen können, sind es bei den Frauen nur 2,2 Millionen.
Keine Verbesserung für 2026 erwartet: "Rücklagen weg, Vertrauen angeschlagen"
Dass in diesem Jahr mehr Menschen in die Überschuldung geraten sind, hängt der Studie zufolge vor allem mit den Krisen der vergangenen Jahre zusammen. Durch die Pandemie, steigende Energiepreise und Inflation hätten viele Menschen ihre Ersparnisse und Reserven aufgebraucht.
Hinzu kommt, dass die Zahl der Arbeitslosen und Langzeitarbeitslosen, die ein erhöhtes Risiko für Überschuldung haben, immer weiter zunimmt. Im August dieses Jahres wurde bei den Arbeitslosen erstmals seit Februar 2015 wieder die Drei-Millionen-Grenze überschritten.
"Viele haben die letzten Jahre mit erstaunlicher Disziplin überstanden", so Creditreform-Geschäftsführer Bernd Bütow. Aber jetzt zeige sich, dass diese Widerstandsfähigkeit keine unerschöpfliche Ressource sei. "Die Rücklagen sind weg, das Vertrauen angeschlagen – und die Überschuldung kehrt zurück".
Creditreform rechnet damit, dass sich die Überschuldung durch die hohen Lebenshaltungskosten, steigende Zinsen und einen schwächerer Arbeitsmarkt, im kommenden Jahr weiter verschärfen wird.
MDR (akq)
Haftungsausschluss: Das Urheberrecht dieses Artikels liegt bei seinem ursprünglichen Autor. Der Zweck dieses Artikels besteht in der erneuten Veröffentlichung zu ausschließlich Informationszwecken und stellt keine Anlageberatung dar. Sollten dennoch Verstöße vorliegen, nehmen Sie bitte umgehend Kontakt mit uns auf. Korrektur Oder wir werden Maßnahmen zur Löschung ergreifen. Danke