• Arbeitgeber sehen Tarifbindung in der Rezession als Zumutung, da viele Arbeitnehmer nicht gewerkschaftlich organisiert sind.
  • In Ostdeutschland ist die Tarifbindung geringer als im Westen.
  • Gewerkschaften bleiben skeptisch, da Arbeitgeber besonders im Osten tariflose Zustände ausnutzen und Mitgliedschaften ohne Tarifbindung anbieten.

In vielen Betrieben in Deutschland verdienen Beschäftigte unterschiedlich viel – selbst wenn sie die gleiche Arbeit machen. Ein Grund: Nicht überall gelten Tarifverträge. Um das zu ändern, soll die Bundesregierung nach dem Willen des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) jetzt einen Aktionsplan zur Stärkung der Tarifbindung aufstellen. Für Arbeitgeber könnte das bedeuten: mehr Kontrolle von außen über die Löhne und weniger Spielräume, sie individuell auszuhandeln.

Arbeitgeber sprechen von "Zumutung"

In diesen wirtschaftlich schwierigen Zeiten hält Ute Zacharias, Sprecherin der Arbeitgeber- und Wirtschaftsverbände Thüringen, das für eine Zumutung. Sie erinnert daran, dass Deutschland gerade im dritten Jahr der Rezession sei: "Wir haben eine wirtschaftliche Schieflage: Es wird gerade wenig investiert in Deutschland und wir haben eine Auftragsflaute. Das ist die Situation, in der wir uns gerade befinden und dann kommt so ein Urteil. Das ist an den Marktbedingungen vorbei."

Matthias Menger von den Arbeitgeber- und Wirtschaftsverbänden Sachsen-Anhalt fügt hinzu: Damit Tarifbindung entstehen kann, müssten Arbeitnehmer überhaupt erst in einer Gewerkschaft organisiert sein – etwas, das in kleinen und mittelständischen Betrieben, von denen es hier viele gebe, oft gar nicht der Fall sei.

Der Organisationsgrad der Gewerkschaften habe über die Jahrzehnte drastisch abgenommen, sagt Menger. "Da muss man den Gewerkschaften mal ins Stammbuch schreiben: Wenn das wirklich so attraktiv ist, warum sind dann so wenige Arbeitnehmer in der Gewerkschaft?"

Warum die Tarifbindung im Osten so gering ist

Für die Arbeitgeber könne eine Tarifbindung aber auch Vorteile haben, meint Susanne Kohaut vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung, weil Unternehmen durch Tarifverträge auch attraktiver auf dem Arbeitsmarkt seien und sich einen Wettbewerbsvorteil verschaffen könnten.

Warum die Tarifbindung speziell in Ostdeutschland so gering ist, erklärt Kohaut so: "Wenn wir Ostdeutschland betrachten, dann ist schon nach der Wiedervereinigung die Tarifbindung nie so prägend gewesen, wie sie es im alten Bundesgebiet war. Natürlich auch getrieben von dem verarbeitenden Gewerbe im alten Bundesgebiet. Die Betriebslandschaft ist im Osten eine andere, sowohl von der Branchenstruktur als auch von der Größe." Und in Regionen mit mehr Dienstleistungsunternehmen sind diese tendenziell seltener branchentarifgebunden.

Auch Gewerkschaften skeptisch

Wie der Aktionsplan genau aussieht, ist noch unklar – geplant ist zumindest ein Bundestariftreuegesetz. Aufträge des Bundes sollen nur noch dann an Unternehmen vergeben werden, wenn sie tarifliche Standards gewährleisten.

Für Uwe Ledwig von der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten im Landesbezirk Ost sind das alles nur kleine Hoffnungsschimmer. Arbeitgeber flüchteten sich in tariflose Zustände, um sich Kostenvorteile und Wettbewerbsvorteile zu verschaffen. Die Arbeitgeber täten dann ihr Übriges dazu, indem sie Mitgliedschaften ohne Tarifbindung anböten. "Das ist im Osten besonders ausgeprägt", sagt Ledwig.

Der Gewerkschafter zeigt sich aber auch selbstkritisch: "Uns muss es gelingen, Menschen stärker zu begeistern, sich zu organisieren. Es sind kleine Pflänzchen, die noch nicht so blühen, wie wir es gerne hätten." Ob sich also wirklich etwas für Arbeitnehmer ändert – da bleibt Ledwig skeptisch.

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