„Wir wollen ein globaler Betreiber von Terminals werden“
Deutschlands führende Reederei Hapag-Lloyd mit Sitz in Hamburg baut ein eigenes Netzwerk von Beteiligungen an Containerterminals und langfristigen Verträgen zu deren Nutzung auf. Zuständig dafür ist Dheeraj Bhatia, 52, Vorstandmitglied von Hapag-Lloyd und Chef des Tochterunternehmens Hanseatic Global Terminals (HGT) mit Sitz in Rotterdam. Derzeit hält HGT Beteiligungen an international 22 Terminals, darunter Minderheitsanteile am JadeWeserPort in Wilhelmshaven und am HHLA-Terminal Altenwerder sowie eine Mehrheit an einem Containerterminal in Le Havre. Auch am Neubauprojekt des Terminals im ägyptischen Damietta ist HGT beteiligt, gemeinsam mit dem Terminalbetreiber Eurogate. Bis 2030 soll die Zahl der Beteiligungen auf 30 steigen und langfristig wohl auch deutlich darüber hinaus. Bhatia sagte WELT, warum Hapag-Lloyd diesen eigenen Zugang zu Häfen für unverzichtbar hält.
WELT: Herr Bhatia, angesichts vieler Krisen und Handelskonflikte geht die Angst vor einer möglichen Deglobalisierung um. Was bedeutet das für den Betrieb von Terminals in den Seehäfen?
Dheeraj Bhatia: Terminals spielen weiterhin eine zentrale Rolle in den globalen Lieferketten, und ihre strategische Bedeutung wird auch in einer deglobalisierenden Welt kaum abnehmen. Im Gegenteil: Terminals könnten sogar noch an Relevanz gewinnen, weil Unternehmen ihre Handelsmuster und Lieferketten anpassen. Wir erwarten deshalb kontinuierliche Investitionen in die Terminalbranche – getragen von strategischen, finanziellen und operativen Überlegungen. Bei Hanseatic Global Terminals sind wir gut aufgestellt, um in diesem sich wandelnden Umfeld erfolgreich zu navigieren und Chancen aus den Veränderungen im Welthandel zu nutzen.
WELT: In den Nullerjahren gab es eine starke Nachfrage nach Hafenterminals. Hamburgs Hafenunternehmen HHLA etwa verzeichnete Ende 2007 beim Börsengang einen Kurs, den es danach nicht annähernd mehr erreichte. Wie sieht die Bewertung von Hafenanlagen heutzutage aus?
Bhatia: Das aktuelle Marktumfeld ist von hohen Terminalbewertungen geprägt, die sich aus den gestiegenen Finanzreserven der Reedereien und dem wachsenden Interesse privater Investoren ergeben – insbesondere in Wachstumsmärkten wie Brasilien, Indien und den USA. Wir beobachten derzeit, dass Reedereien und Private-Equity-Gesellschaften in Terminals investieren, zunehmend aus strategischen Erwägungen und nicht allein aus Renditeinteresse.
WELT: Ist es ein genereller Trend, dass Reedereien nach der Pandemie verstärkt in den Erwerb von Hafenanlagen und Terminals investieren?
Bhatia: Ja, dieser Trend hat sich nach der Pandemie fortgesetzt. Bei Hanseatic Global Terminals beobachten wir, dass große Linienreedereien – darunter auch unsere Muttergesellschaft Hapag-Lloyd – in Terminals investieren, entweder direkt oder über Partnerschaften mit Terminalbetreibern und Private-Equity-Firmen. Dieses Phänomen betrifft nicht nur die größten Player der Branche, sondern auch andere Reedereien, die sich weltweit an Terminalprojekten beteiligen.
WELT: In welchen Regionen suchen Sie derzeit besonders nach neuen Terminalpartnerschaften und Investitionsmöglichkeiten?
Bhatia: Unser Ziel bei Hanseatic Global Terminals ist es, ein globaler Terminalbetreiber zu werden. Entsprechend suchen wir aktiv neue Partnerschaften und Investitionen in Wachstumsmärkten und Regionen, in denen Hapag-Lloyd bereits über eine starke Präsenz verfügt. Wir konzentrieren uns auf Märkte mit hohem Wachstumspotenzial und Möglichkeiten, die betriebliche Effizienz zu steigern.
WELT: Steuern Sie die Beteiligungen von HGT langfristig im Sinne der Gemini-Kooperation zwischen Maersk und Hapag-Lloyd, oder handelt es sich um eigenständige Projekte von Hapag-Lloyd?
Bhatia: Hanseatic Global Terminals ist ein unabhängiger Terminalbetreiber und bedient mehrere Reedereien, darunter Hapag-Lloyd. Zwar pflegen wir eine enge, aber unabhängige Beziehung zu Hapag-Lloyd, aber zugleich stehen unsere Dienstleistungen auch anderen Kunden offen. Im Rahmen der Gemini Cooperation zwischen Maersk und Hapag-Lloyd kann es vorkommen, dass wir in Terminals investieren, die dem gemeinsamen Netzwerk zugutekommen. Unser Hauptaugenmerk liegt allerdings darauf, ein globales Terminalnetzwerk aufzubauen.
WELT: Hapag-Lloyd-Chef Rolf Habben Jansen spricht oft von einem Ziel von 30 Terminalbeteiligungen weltweit bis 2030. Ist das die finale Grenze der HGT-Strategie?
Bhatia: Das Ziel, bis 2030 an 30 Terminals beteiligt zu sein, verstehen wir bei Hanseatic Global Terminals als wichtigen Meilenstein auf dem Weg zu einem globalen Terminalbetreiber. Unsere Strategie beruht auf drei Säulen: globaler Präsenzaufbau, Optimierung der operativen Abläufe und Wachstumsförderung. Derzeit halten wir Beteiligungen an 22 Terminals und beabsichtigen, unser Portfolio weiter auszubauen und gleichzeitig unsere Umschlagkapazitäten zu erhöhen.
WELT: Wie eng sind die Entwicklungen neuer Schiffe und moderner Terminals zwischen Hapag-Lloyd und HGT abgestimmt?
Bhatia: Es gibt keine starre Synchronisation zwischen dem Schiffsneubauprogramm von Hapag-Lloyd und unseren Terminalentwicklungen. Allerdings stimmen wir unsere Investitionen eng mit den Netzwerkplänen von Hapag-Lloyd ab. Als Terminalbetreiber planen wir mit einem langfristigen Horizont von 20 bis 40 Jahren, um sicherzustellen, dass unsere Anlagen den künftigen Anforderungen unserer Kunden – einschließlich Hapag-Lloyd – gerecht werden.
WELT: Sind Neubauprojekte wie im ägyptischen Damietta für HGT grundsätzlich interessanter als Beteiligungen an bestehenden Terminals wie in Le Havre – oder hängt das jeweils von der Region ab?
Bhatia: Bei Hanseatic Global Terminals bewerten wir Investitionsmöglichkeiten anhand ihrer strategischen Passung und ihres finanziellen Potenzials. Wir betrachten sowohl Greenfield-Entwicklungen als auch Beteiligungen an etablierten Terminals. Die Entscheidung richtet sich immer nach dem jeweiligen regionalen Kontext und den dortigen Chancen.
WELT: Wird HGT künftig regionale Schwerpunkte – etwa in Südamerika – entwickeln, oder steht eine global diversifizierte Präsenz im Mittelpunkt?
Bhatia: Hanseatic Global Terminals hat sich organisch regionale Schwerpunkte erarbeitet, insbesondere in Südamerika. Dort haben wir mit Hanseatic Global Terminals Latin America in Santiago ein regionales Büro aufgebaut, das rund zehn Terminals an der Westküste Südamerikas betreut. Wir prüfen zudem weitere Investitionsmöglichkeiten in dieser Region. Neben Südamerika engagieren wir uns stark in Europa, insbesondere in Deutschland und Frankreich, außerdem in Nordafrika – beispielsweise in Ägypten (Damietta) und Marokko (Tanger). Auch in Indien verfügen wir über ein stabiles Netzwerk von vier bis fünf Terminals, einschließlich Binnenanlagen. Diese regionalen Schwerpunkte sind das Ergebnis unserer bisherigen Investitionstätigkeit. Unser übergeordnetes Ziel bleibt aber eine global ausgewogene Präsenz, um unsere Kunden weltweit optimal bedienen zu können.
Olaf Preuß ist Wirtschaftsreporter von WELT und WELT AM SONNTAG für Hamburg und Norddeutschland. Er berichtet seit mehr als 30 Jahren über die maritime Wirtschaft, über Schifffahrt, Häfen und Werften.
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