Um 12.36 Uhr gelingt es der Taufpatin Wiebke Friedrichs-Firmin am JadeWeserPort in Wilhelmshaven, das Taufband mit der verchromten Axt im zweiten Versuch durchzuschlagen. Mit dem Zerschellen der Champagnerflasche am Rumpf bekommt die „Wilhelmshaven Express“ von Hapag-Lloyd offiziell ihren Namen. Das fast 400 Meter lange Containerschiff ist der letzte von zwölf neuen Frachtern der „Hamburg Express“-Klasse, die Deutschlands führende Reederei seit 2023 in Dienst gestellt hat. Mit annähernd 24.000 Containereinheiten (TEU) Kapazität zählen sie zu den größten Containerschiffen der Welt.

Die „Wilhelmshaven Express“ ist für den Modernisierungskurs von Hapag-Lloyd so wichtig wie der Ort, an dem sie getauft wird. Gemeinsam mit der dänischen Reederei Maersk betreibt Hapag-Lloyd seit Anfang 2025 die neue Allianz Gemini Cooperation – mit hocheffizienten Schiffen laufen die beiden Partner in den Liniendiensten zwischen Asien und Europa möglichst nur solche Terminals an, an denen sie selbst beteiligt sind oder mit denen sie langfristige Vertragsbindungen haben. Am JadeWeserPort hält Hapag-Lloyd seit 2021 einen Anteil von 30 Prozent, die Mehrheit liegt beim Terminalbetreiber Eurogate.

Die Rahmenbedingungen für die globale Schifffahrt sind dieser Tage wieder einmal chaotisch. Auf den Linien mit der meisten Ladung zwischen China und Europa müssen die Schiffe um das südafrikanische Kap der Guten Hoffnung herumfahren und damit einen Umweg von zwei Wochen machen. Durch das Rote Meer und den Suezkanal können sie nicht mehr ungefährdet hindurchfahren, seit die Huthi aus dem Jemen heraus die Schifffahrt angreifen. Die erratische Zollpolitik von US-Präsident Donald Trump hängt wie ein Menetekel über dem Welthandel und der Schifffahrt. Und im Oktober scheiterte die internationale Schifffahrtsorganisation IMO nicht zuletzt auf Druck der USA dabei, für die Branche verbindlich das Ziel festzulegen, bis zum Jahr 2050 klimaneutral zu fahren – an diese Vereinbarung waren die Mitgliedstaaten der IMO seit 2024 bereits sehr nah herangekommen.

Hapag-Lloyd indes will weiterhin in die Erneuerung seiner Flotte, in die Einsparung von Energie und in die Vermeidung von Emissionen investieren. Ein weithin sichtbares Zeichen dafür ist, dass die beiden neuesten Schiffe der „Hamburg Express“-Klasse, die „Genova Express“ und die „Wilhelmshaven Express“, rote Stahlwülste auf dem Bug tragen, um den Widerstand des Windes zu verringern. „Opernhaus“ oder auch „Konzertmuschel“ nennt man diese auffälligen Konstruktionen bei Hapag-Lloyd intern – sie sollen ein bis zwei Prozent Brennstoff im Vergleich zu den Schwesterschiffen einsparen, die einen solchen Superspoiler noch nicht tragen.

„Es wäre zu einfach zu sagen, dass uns die schwierigen Verhandlungen zum Klimaschutz bei der IMO nicht betreffen“, sagt Rolf Habben Jansen, Vorstandsvorsitzender von Hapag-Lloyd. „Aber die Dekarbonisierung der Schifffahrt muss kommen.“ Ein wesentliches Element dafür sind „klimaneutrale“ Brennstoffe wie synthetisches Methan, Ammoniak oder Methanol auf der Basis von „grünem“ Wasserstoff, der mithilfe erneuerbarer Energien hergestellt wird. „Aber in den kommenden zehn Jahren werden solche ,grünen‘ Brennstoffe wohl nicht in ausreichender Menge zur Verfügung stehen, für die Infrastruktur zu ihrer Herstellung werden riesige Investitionen gebraucht“, sagt Habben Jansen. „Das ist für den Klimaschutz in unserer Branche derzeit der größte Engpass.“

Umso wichtiger wird für die Reedereien das zweite Standbein beim Klimaschutz, die Energieeffizienz ihrer Schiffe, die sie selbst beeinflussen können. Auf der neuen „Hamburg Express“-Klasse muss für eine Kilowattstunde Energie 165 Gramm Brennstoff eingesetzt werden, genutzt wird auf den Schiffen neben Schweröl und Marinediesel vor allem auch das emissionsärmere tiefgekühlte, verflüssigte Erdgas (LNG). Auf den Schiffen wiederum, die noch zu Beginn des vergangenen Jahrzehnts in Dienst gestellt worden waren, müssen 185 Gramm Brennstoff je Kilowattstunde eingesetzt werden. Hinzu kommt: Die heutigen Großcontainerschiffe befördern mit ähnlich starken Motoren wie die deutlich älteren Frachter weitaus mehr Ladung.

„Wir haben noch eine Reihe von Schiffen im Orderbuch“, sagt Habben Jansen, „und es kann gut sein, dass wir in den kommenden Monaten noch einmal neue Schiffe bestellten.“ Mehr als 300 Containerfrachter verschiedener Größen betreibt Hapag-Lloyd aktuell.

Für den JadeWeserPort wiederum, Deutschlands einzigen Tiefwasser-Terminal, der Zugang für Schiffe mit bis zu 18 Meter Tiefgang bietet, bedeutet die Kooperation mit der Gemini-Allianz von Hapag-Lloyd und Maersk wohl die ökonomische Rettung. Jahrelang dümpelte der Terminal nach seiner Eröffnung im Jahr 2012 bei weit unter einer Million Containereinheiten (TEU) dahin, im Jahr 2024 wurden dort rund 830.000 TEU umgeschlagen. Im September überschritt der JadeWeserPort erstmals innerhalb eines Jahres die Marke von einer Million TEU, insgesamt rechnet Niedersachsen Ports, der staatliche Eigner des JadeWeserPorts, für dieses Jahr mit 1,3 bis 1,5 Millionen TEU. „Unser Fernziel sind 3,8 bis 4,3 Millionen TEU“, sagt Holger Banik, Chef von Niedersachsen Ports. Die Gemini-Allianz nutzt Wilhelmshaven vor allem als Umschlaghafen für den Weitertransport der Container.

Bemerkenswert ist, dass Hamburgs Konkurrenzhafen nun ausgerechnet mit kräftiger Beteiligung aus Hamburg eine langfristige wirtschaftliche Perspektive bekommt. Auch Rolf Habben Jansen zeigte sich mit der ersten Zwischenbilanz am JadeWeserPort zufrieden, mahnte aber vor rund 200 Teilnehmern bei der Taufe der „Wilhelmshaven Express“ zugleich auch: „Es ist großartig, dass wir die erste Million TEU in diesem Jahr bereits abgefertigt haben und dass die Kooperation mit Maersk und Eurogate so gut funktioniert“, sagt der Hapag-Lloyd-Chef. „Aber wir sind noch nicht da, wo wir hinwollen. 125 Boxen je Stunde schlagen wir derzeit am JadeWeser Port um. Wir müssen in der Lage sein, 200 Boxen in der Stunde umzuschlagen.“

Olaf Preuß ist Wirtschaftsreporter von WELT und WELT AM SONNTAG für Hamburg und Norddeutschland. Er berichtet seit mehr als drei Jahrzehnten über die maritime Wirtschaft, über Schifffahrt, Häfen und Werften.

Haftungsausschluss: Das Urheberrecht dieses Artikels liegt bei seinem ursprünglichen Autor. Der Zweck dieses Artikels besteht in der erneuten Veröffentlichung zu ausschließlich Informationszwecken und stellt keine Anlageberatung dar. Sollten dennoch Verstöße vorliegen, nehmen Sie bitte umgehend Kontakt mit uns auf. Korrektur Oder wir werden Maßnahmen zur Löschung ergreifen. Danke