Inhalt des Artikels:

  • Immer wieder schlechte Ernten
  • Weinverbrauch pro Kopf deutlich gesunken
  • Konkurrenz durch Weine aus dem Ausland
  • Brachliegende Weinberge bedrohen aktuelle Erntegebiete
  • Experten sehen ein Drittel der Anbaufläche gefährdet
  • Bund will Weinbranche unterstützen

Immer wieder schlechte Ernten

Mit jeder schlechten Ernte schwinden die Rücklagen der Winzer. "Weinbau wird hier schon fast zur Herausforderung. Wir haben sehr, sehr unterschiedliche Jahre. Wir hatten zum Beispiel Spätfrostjahre, zum Beispiel letztes Jahr. Dann hatten wir trockenheitsgeprägte Jahre wie 2018, 2019 und 2020", sagt Luise Böhme, Vizepräsidentin des Deutschen Weinbauverbands gegenüber dem MDR-Magazin Umschau. Sie bewirtschaftet selbst ein Weinanbaugebiet in Kirchscheidungen an der Unstrut und spürt als Winzerin die Folgen des Klima-Wandels.

Weinverbrauch pro Kopf deutlich gesunken

Was die Winzer auch deutlich merken, ist der sinkende Pro-Kopf-Verbrauch von Wein in Deutschland. Der Konsum lag 2024 laut Deutschem Weinverband noch bei 24,2 Liter pro Jahr und pro Kopf, 2025 waren es nur noch 22,2 Liter. Vor allem junge Menschen trinken immer weniger Wein. Die Weltgesundheitsorganisation empfiehlt sogar, ganz auf Alkohol zu verzichten. Mit gravierenden Folgen für die Winzer, sagt Simone Loose, Leiterin des Instituts für Wein- und Getränkewirtschaft an der Hochschule Geisenheim: "Wir haben ein deutlich zu hohes Angebot, weil wir die Rebfläche nicht reduziert haben und die Nachfrage ist deutlich zurückgegangen. Das heißt, dieses zu große Angebot drängt auf den Markt und die Preise sind im Keller. Damit haben wir sehr viele Winzer, die für ihre Ernte ihre Kosten nicht mehr decken können."

Konkurrenz durch Weine aus dem Ausland

Die Konkurrenz ist nicht nur inländisch riesig. Auf 104.000 Hektar wird in Deutschland Wein angebaut. Die Deutschen greifen aber mehr zu Weinen aus dem Ausland. Und dort wird auch viel produziert, in Frankreich auf 800.000, in Italien auf 850.000 und in Spanien auf 900.000 Hektar. Dort wird zudem günstiger produziert. "Wir sind ein Hochkostenland und genauso, wie es uns bei den Auto-Zulieferern so geht, können wir mit den preiswerten Importen aus Spanien oder Moldawien wir nicht im Wettbewerb stehen. Wir können nicht zu diesen Kosten produzieren. In Spanien hat man den halben Mindestlohn", so die Weinhandel-Expertin.

2024 lag der durchschnittliche Preis eines Weines aus Deutschland laut Deutschem Weininstitut (DIW) bei 4,51 Euro pro Flasche, für eine Flasche ausländischen Weines bei 3,76 Euro. "Wir schauen in die großen Weinbau-Länder nach Italien, Spanien, Frankreich, die natürlich oftmals zu einem deutlich geringeren Preis ihre Produkte anbieten können, als wir das hier aus den heimischen Anbaugebieten können", erklärt Luise Böhme, Vizepräsidentin des Deutschen Weinbauverbandes. 2024 betrug der Marktanteil deutscher Weine laut DIW 42 Prozent. Er war dabei um zwei Prozent zum Vorjahr zurückgegangen, während italienische Weine bei der Konkurrenz aus dem Ausland die Nase vorn hatten und zwei Prozent zulegen konnten und auf 17 Prozent kletterten.

Brachliegende Weinberge bedrohen aktuelle Erntegebiete

Immer mehr Winzer geben den Anbau auf. Thomas Schaurer ist Winzer in der Pfalz, in Billigheim-Ingenheim. Sein Anbaugebiet liegt neben dem eines Winzers, der seine Weinstöcke dieses Jahr aufgegeben hat. Die Ernte 2025 verfault derzeit an den Reben. "Der Winzer hat sich wohl zu Beginn des Jahres hier noch um die Anlage gekümmert, Reben geschnitten, einigermaßen in Form gehalten, aber dann irgendwann aufgegeben. Weil er finanziell nicht mehr in der Lage war, den Weinberg weiter zu pflegen oder auch Helfer zu bezahlen, die ihm helfen, die Handarbeiten zu machen", erklärt Schaurer dem MDR-Magazin Umschau.

Der Winzer könnte den Weinberg roden. Doch nicht einmal dafür reicht das Geld. Schon in den nächsten Monaten kann sich das rächen — für die anderen Winzer der Gegend. "Solche unbewirtschafteten Rebflächen, die nennt man Drieschen und diese sind Pilzschleudern ohne Ende. Schädlinge können sich auch vermehren und dadurch sind natürlich alle Weinberge, die stehen bleiben, akut noch mehr gefährdet", so Schaurer.

Von der schlimmsten Winzer-Krise seit Jahrzehnten ist die Rede. Verwilderte Weinberge sind in der Pfalz keine Seltenheit mehr. "Ich befürchte, dass bis zu jeder zweiten Weinberg gefährdet ist, auf die ganze deutsche Rebfläche gesehen. Ich bin um jedes Prozent froh und glücklich, was erhalten bleibt. Weil hinter jedem Weinberg ja auch ein Winzer oder eine ganze Winzerfamilie steht", sagt Winzer Schaurer. Und Billigheim-Ingenheim gehört zum zweitgrößten Weinanbaugebiet Deutschlands, der Pfalz. 1.800 Betriebe bewirtschaften 24.000 Hektar – das sind 23 Prozent der deutschen Anbaufläche. "Ich lege im Moment gewaltig drauf, also meine Verschuldung steigt stark an. Nun ist die Frage, ob ich wirklich alles, meine Altersversorgung, mein privates Wohnhaus, einsetzen und in die Waagschale werfen soll, um die ansteigenden Schulden abzusichern oder ob ich die Notbremse ziehe", fragt sich auch Schaurer bereits.

Experten sehen ein Drittel der Anbaufläche gefährdet

Deutschlandweit könnte ein Drittel der Anbaufläche durch die Krise verschwinden, schätzt Simone Loos. Drei Viertel der Betriebe seien nicht zukunftsfähig, so die Expertin. Hier seien Betriebe gefragt mit einer gesunden Kostenstruktur und guten Vertriebsideen, die beim Kunden ankommen. Hier wünscht sich die Wein-Expertin eine Beratungsinitiative, um mit den Betrieben aktiv die Lage einzuschätzen: "Wir müssen uns überlegen, was bleibt denn sinnvoll übrig? Welche Betriebe, die dann da bleiben, sind noch wettbewerblich und wirtschaftlich überlebensfähig? Und wir müssen den anderen Betrieben helfen, aufzuhören. Wir müssen um uns darum kümmern, was wir mit diesen Rebflächen, die wir nicht mehr brauchen, machen." Hier könnten auch Tauschbörsen helfen, bei denen Winzer, die aufgeben, ihre Gebiete an Winzer übergeben, die weitermachen. Das helfe auch dem Weintourismus.

Bund will Weinbranche unterstützen

Der Deutsche Weinbauverband hatte im Juli 2025 einen offenen Brief an Bundeslandwirtschaftsminister Alois Rainer adressiert mit dem Titel "Die Branche braucht politische Unterstützung". Im Brief heißt es: "Die europäische Weinwirtschaft befindet sich in einer tiefgreifenden strukturellen Krise. In fast allen weinbautreibenden Mitgliedstaaten führen Preisverfall, Überproduktion, Klimawandel und wirtschaftlicher Druck zu massiven Umbrüchen." Rainer wurde aufgefordert: "Setzen Sie sich jetzt für eine gezielte politische Lösung ein." Es sei an der Bundespolitik, gemeinsam mit Ländern und Verwaltungen, die Voraussetzungen zu schaffen, damit Vorschläge der Winzer "zeitnah und wirksam umgesetzt werden können".

Anfang September lud Rainer zum Wein-Gipfel ins Bundesministerium. "Die deutsche Weinwirtschaft steht vor großen Herausforderungen: Steigende Kosten, schwächelnder Konsum und Handelsbeschränkungen belasten die Branche. Im Gespräch sagte Bundesminister Rainer eine schnelle Unterstützung zu: Der Bund finanziert mit bis zu einer Million Euro eine Informationsoffensive, die den deutschen Wein als Botschafter für Qualität, Vielfalt und Innovation in Deutschland und weltweit stärken soll", erklärte das Ministerium danach.

MDR (cbr)

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