Die AOK meldet eine historisch hohe Zahl an Krankschreibungen – hat dafür aber eine plausible Begründung. Die telefonische Krankschreibung soll jedenfalls nicht schuld sein.

Die Zahl der Krankschreibungen ist in Deutschland weiter auf Rekordniveau. Das meldet der Bundesverband der Allgemeinen Ortskrankenkassen (AOK) in seinem "Fehlzeiten-Report 2025", der die Ausfallzeiten bei der AOK versicherter Beschäftigter auswertet. Bei der Krankenkasse sind rund 27 Millionen Menschen versichert – das ist fast jeder dritte Einwohner.

Laut Report ist jeder AOK-Versicherte im vergangenen Jahr im Schnitt 2,3-mal krankheitsbedingt ausgefallen. Die Statistik für das Jahr 2024 weist genau 228 Fälle von Arbeitsunfähigkeit je 100 Mitglieder aus. Der vormalige Höchstwert von 225 Fällen aus dem Jahr 2023 wurde damit erneut leicht übertroffen. Auch für das laufende Jahr 2025 zeichne sich ein ähnlich hoher Krankenstand ab, berichtet die AOK.

Hauptgrund für die hohe Zahl an Krankschreibungen seien Atemwegserkrankungen. Diese erreichten laut AOK zwischen September 2024 und März 2025 neue Höchststände und seien für mehr als jeden dritten Ausfall verantwortlich. Begünstigt werden könnte das Infektionsgeschehen der Kasse zufolge nach wie vor durch eine erhöhte Anfälligkeit als Nachwirkung der Corona-Jahre.

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Mehr Krankschreibungen nur ein statistischer Effekt?

Ob die Beschäftigten unterm Strich wirklich deutlich mehr krank sind als früher, lässt sich aus den Zahlen allerdings nicht ableiten. Denn ein "wichtiger Einflussfaktor" für die höhere Anzahl beruflicher Fehltage sei "mit hoher Wahrscheinlichkeit die Einführung der elektronischen Krankmeldung", sagt Helmut Schröder, Chef des Wissenschaftlichen Instituts der AOK. Seit 2022 melden Ärzte die Krankschreibungen elektronisch direkt an die Krankenkassen, zeitgleich stiegen die Zahlen sprunghaft an. Es sei zu vermuten, dass viele Beschäftigte insbesondere kürzere Erkrankungen früher einfach nicht bei der Kasse eingereicht haben, erklärt Schröder.

Die hohe Zahl der Krankschreibungen löste zuletzt immer wieder politische Debatten aus. Gerade erst hat die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) gefordert, dass Beschäftigte eine Krankschreibung erst ab dem vierten oder fünften Krankheitstag vorlegen müssen. Das soll die Ärzte entlasten, weil weniger Patienten mit leichten Erkrankungen in die Praxis kämen. Der Arbeitgeberverband BDA hat die Forderung zurückgewiesen. Derzeit sind Krankschreibungen bei mehr als drei Fehltagen vorgesehen, Arbeitgeber können diese aber auch schon früher verlangen.

Wenige telefonische Krankschreibungen

Die Möglichkeit der telefonischen Krankschreibung sieht die AOK nicht als Ursache der vermehrten Krankmeldungen. Diese ist bei leichten Infekten für bis zu fünf Tage möglich. Von allen Krankschreibungen wegen Atemwegserkrankungen seien 2024 aber gerade mal 1,5 Prozent telefonisch veranlasst worden. Dieser geringe Anteil könne den starken Anstieg der Fälle nicht erklären.

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Die Abschaffung der telefonischen Krankschreibung sei daher keine geeignete Maßnahme, um am hohen Krankenstand etwas zu ändern, sagt Carola Reimann, Chefin des AOK-Bundesverbandes. Gleiches gelte für die Einführung eines unbezahlten ersten Krankheitstages zulasten der Arbeitnehmer, wie er vor einiger Zeit in der Öffentlichkeit diskutiert wurde. Vielmehr komme es auf gesunde Arbeitsbedingungen sowie eine gute Unternehmens- und Führungskultur an.

Und noch etwas ist mit Blick auf das Krankheitsgeschehen und Fehlzeiten wichtig: Atemwegserkrankungen sind zwar die mit Abstand häufigsten Erkrankungen, mit im Schnitt 5,9 Fehltagen sind die Ausfallzeiten aber auch kürzer als bei anderen Krankheiten. So kommen etwa psychische Erkrankungen deutlich seltener vor als Erkältungen, führen dann aber im Schnitt zu 28,5 Ausfalltagen je Fall. "Die langen Fehlzeiten aufgrund psychischer Erkrankungen sind ebenfalls ein langfristiger Treiber für die Gesamt-Krankenstände", sagt Schröder. Denn die Diagnosen psychischer Erkrankungen nehmen seit Jahren stetig zu.

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