Bis 2039 geht mit der Generation der Babyboomer jeder dritte Arbeitnehmer in Rente. Wer freiwillig länger arbeitet, soll Steuervorteile erhalten. Studien zeigen: Das allein wird nicht reichen.

In den kommenden 15 Jahren werden rund sieben Millionen Menschen in den Ruhestand gehen - die Generation der Babyboomer. Rentnerinnen und Rentner sollen laut Koalitionsplänen bis zu 2.000 Euro im Monat steuerfrei hinzuverdienen können - als Anreiz, länger zu arbeiten.

Doch viele Fachkräfte über 55 sind trotz Arbeitskräftemangels ohne Job, während gleichzeitig viele Beschäftigte frühzeitig aus dem Beruf ausscheiden. Besonders betroffene Branchen verlieren dadurch Fachkräfte und wertvolles Know-how.

Früher raus: Was die Forschung zeigt

Im Durchschnitt gehen Menschen in Deutschland mit 64 Jahren in Rente, also deutlich vor dem gesetzlichen Renteneintrittsalter von derzeit 67 Jahren. Und daran wird sich wohl wenig ändern. Das zeigt die LidA-Studie ("Leben in der Arbeit") des Arbeitswissenschaftlers Hans Martin Hasselhorn von der Bergischen Universität Wuppertal, der verschiedene Jahrgänge der Babyboomer zu ihren Plänen befragt hat.

Demnach wünschen sich zwei Drittel, bereits vor dem 65. Lebensjahr aus dem Erwerbsleben auszusteigen. Hauptgrund sei "der Wunsch nach mehr Selbstbestimmung und Zeit im Leben", so Hasselhorn. Zudem hätten viele finanziell die Möglichkeit, sich früher zurückzuziehen.

Wie sind die Job-Bedingungen?

Die geplante Aktivrente hält Hasselhorn allein für unzureichend. Sie könne motivieren - besonders jene, die grundsätzlich erwerbsbereit sind. Laut seinen Studien würden nur rund 25 Prozent "unter keinen Umständen" weiterarbeiten wollen. Doch das reiche nicht, um die verbreitete Kultur des frühen Ausstiegs zu drehen.

"Es wird viel über Anreize und Grenzen geredet, aber wenig über den eigentlichen Inhalt der Arbeit", sagt Hasselhorn. Zu viele arbeiteten unter Bedingungen, die nicht hinnehmbar seien. "Wir müssen es schaffen, dass die Menschen nicht nur länger arbeiten müssen, sondern auch länger arbeiten wollen."

In Schweden wird länger gearbeitet

In Schweden herrscht eine Kultur des späteren Ausstiegs - im Schnitt rund drei Jahre später als hierzulande. 2024 waren in Deutschland 21,2 Prozent der 65- bis 69-Jährigen erwerbstätig, in Schweden 29,4 Prozent. Dort geben fast dreimal so viele an, dass Arbeit ihr Leben und ihre Gesundheit positiv beeinflusst.

Gründe sind laut Expertinnen und Experten bessere Schulbildung, hohe Qualifikation, kontinuierliche Weiterbildung und starke Mitbestimmung. Hasselhorn betont die Rolle der Gewerkschaften und die Priorität von Arbeitsqualität. Fast jedes Unternehmen hat eine Personalvertretung. "Wenn die psychosozialen Arbeitsbedingungen schlecht sind, kann es passieren, dass staatliche Kontrollbehörden eingreifen und die Missstände beseitigen."

Flexibilität statt Fixpunkt

In Schweden gibt es keinen festen Stichtag, sondern flexible Zeitfenster - meist zwischen 63 und 69 Jahren. Ein ähnliches Modell wünscht sich Enzo Weber (IAB) für Deutschland. Arbeitsverträge sollten nicht automatisch mit Erreichen der Regelaltersgrenze enden. Stattdessen: Beenden können, nicht müssen.

"Das würde den Standard umkehren und den Pflock herausziehen, der vielen im Wege steht", so Weber. Zusammen mit großzügigen Rentenzuschlägen entstünde ein starker Anreiz, beim gleichen Arbeitgeber weiterzuarbeiten.

Auch Betriebe sind in der Pflicht

Flexiblere Regeln fördern die Kommunikation zwischen Unternehmen und Älteren - heute oft ein blinder Fleck. Häufig ist nur bekannt, wann jemand geht, nicht warum oder welche Alternativen es gäbe.

Hasselhorn empfiehlt strukturierte Arbeitsgespräche ab 55 Jahren, um die letzten Berufsjahre aktiv zu gestalten. Auch Weber plädiert dafür - besonders in körperlich belastenden Jobs. Beschäftigte über 55 Jahren sollten rechtzeitig und systematisch weiterentwickelt werden, etwa "in Tätigkeiten mit verwandten Aufgaben, in denen sie ihre Stärken länger einsetzen können", so Weber.

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