Bundestagspräsidentin Julia Klöckner wollte von ChatGPT wissen, was vergangenen Freitag im Parlament passierte. Die Antwort der Künstlichen Intelligenz (KI) sei klar und ausgewogenen gewesen, Quellenangabe inklusive, erzählte die CDU-Politikerin. Dann habe die Maschine angeboten, die Antwort nach Parteien aufzuschlüsseln, was sie dann auch tat: Christdemokraten, Sozialdemokraten, die Grünen, die Linke – doch auch die Liberalen wurden erwähnt, obwohl sie nicht mehr im Bundestag sind.

Mit der Anekdote leitete Klöckner ihren Vortrag auf dem KI-Gipfel der WELT im Axel-Springer-Neubau in Berlin ein. „Das zeigt das Versprechen – und das Problem“, so ihr Schluss. KI könne brillant sein, und sie könne auch falschliegen. „Die Menschen fragen sich: Was kann ich noch glauben? Wem kann ich noch vertrauen? Und wenn Vertrauen ganz verloren geht, verliert die Demokratie“, malte Klöckner ein eher düsteres Bild.

KI als Bedrohung, aber auch als Chance. Sie wisse, dass sie jetzt sehr deutsch klinge, fuhr Klöckner in ihrer auf Englisch gehaltenen Rede fort. „Zu viel Regulierung, zu früh – und wir ersticken Innovation. Zu wenig, zu spät – und wir riskieren echten Schaden“, beschrieb die Bundestagspräsidentin die Ausgangslage.

„Mit Bedacht und Maß regulieren“

Welche Fesseln braucht KI, aber auch welche Freiheiten, um Deutschland und Europa nicht von der Entwicklung abzukoppeln? Diese Grundfrage zog sich durch diverse Runden während der Veranstaltung mit zahlreichen Vorstandschefs namhafter Unternehmen und hochrangigen Politikern. Die Ansichten gingen zum Teil deutlich auseinander – wobei die Warnungen vor zu viel Kontrolle überwogen.

OpenAI-Gründer Sam Altman trat mit Vehemenz der Sorge entgegen, dass Maschinen die Macht über die Menschheit übernehmen könnten. „GPT-5 ist schon jetzt bei reiner intellektueller Leistungsfähigkeit klüger als jeder Einzelne von uns, und dennoch haben wir keinerlei Probleme, es zu kontrollieren“, sagte er. Er gehe davon aus, dass die Aufsichtsfragen zu aller Zufriedenheit gelöst werden könnten.

Christoph Werner, Chef der Drogeriemarktkette DM, mahnte zur Zurückhaltung bei der Kontrolle. „Es ist wichtig, mit Bedacht und Maß zu regulieren, denn wenn die Regulierung zu streng ist, können disruptive Entwicklungen Volkswirtschaften auf dem falschen Fuß erwischen, weil Unternehmen nicht in der Lage sind, schnell genug zu reagieren“, sagte er.

Aus Sicht von Bundesforschungsministerin Dorothee Bär (CSU) ist Künstliche Intelligenz nichts, wovor man Angst haben müsse. Die Bundesregierung habe „Künstliche Intelligenz als eine unserer sechs Schlüsseltechnologien auch für die Hightech-Agenda ganz prominent platziert“. Der viertschnellste Computer der Welt stehe bereits in Deutschland, nämlich im Forschungszentrum Jülich. Deutschland werde zudem alles daran setzen, dass eine der fünf in Europa geplanten Gigafactories – jene für KI notwendigen gewaltigen Rechenzentren – in Deutschland stehen werde.

Es sei wichtig, dass Europa das Thema nicht Amerika oder Asien überlasse, sagte Bär. „Wir wollen KI-Systeme, die unsere Sprache sprechen und unsere Kultur kennen. Sie sollen unsere Werte verkörpern.“ Aber natürlich sollten die Menschen KI vertrauen. „Es ist auch an uns sicherzustellen, dass Roboter mit sicheren Programmen laufen, die nicht ihre Daten irgendwohin schicken, wo sie nicht hingehören.“ Ein kluger und verantwortungsvoller Umgang mit KI sei essenziell.

Regeln dürfen nicht zu komplex sein

Sichtlich bemüht um einen für alle akzeptablen Weg war Bundesdigitalminister Karsten Wildberger (CDU). „Wir müssen in der Regulierung von KI einige Blockaden lösen, beispielsweise beim Datenschutz. Da sind unsere Regeln zu komplex“, sagte er. Außerdem müsse die Politik die Hürden für Unternehmen senken, um neue Produkte zu entwickeln, vor allem für Start-ups. „Wir blicken in Europa zu viel auf die Risiken neuer Technologie.“ Er forderte von allen eine positivere Grundeinstellung.

„Es ist verstörend, wie kleingeistig und ängstlich wir in Europa manchmal über KI diskutieren. Es wird auch zu viel reguliert. Beim Auto würde man sagen: Hier wird über das Tempolimit geredet, bevor die Straße überhaupt gebaut ist“, sagte Markus Söder (CSU), Ministerpräsident von Bayern. „Wir müssen in Deutschland neue Produkte schaffen mit Innovation, das ist unsere einzige Möglichkeit für wirtschaftliches Wachstum.“ Auch Söder erwähnte die Hightech Agenda der Bundesregierung, deren Vorbild ein ähnlicher Plan aus Bayern sei. „Das Volumen liegt wie bei uns bei sechs Milliarden Euro. Wenn man sich überlegt, dass wir in Deutschland 50 Milliarden Euro für Bürgergeld ausgeben und nur sechs Milliarden für Hightech, dann ist das ein klares Missverhältnis.“

Deutschland müsse mehr Geld für Zukunftstechnologien bereitstellen, forderte Söder. „Deshalb braucht es nicht nur Gipfel für Branchen wie Stahl, die Probleme haben, sondern auch Konferenzen mit Geldgebern für KI und Digitalisierung. Wir brauchen in Deutschland einen Investorengipfel.“ Söder beklagte, dass es zu wenige positive Zielvorstellungen gebe. „Die europäische Kontrolleinheit für eine künftige Marsmission wird in Bayern sein, im ESA-Mondkontrollzentrum. Das ist eine unglaublich positive Vision. Wir müssen aus der Spirale des Negativen herauskommen.“

Unterstützer für einen nicht zu strengen KI-Umgang finden sich nicht nur in Berlin und München, sondern auch im Europa-Parlament in Brüssel. „Wir dürfen nicht so weitermachen wie bisher. Als Gesetzgeber müssen wir bei der Regulierung neuer Technologien kreativer werden, um zu besseren Ergebnissen für die Zukunft Europas zu kommen“, sagte der EU-Abgeordnete und Digitalexperte Axel Voss (CDU). Er schaue lieber darauf, welche Chancen Künstliche Intelligenz biete, als direkt wieder die Gefahren in den Blick zu nehmen. „Wir sollten KI-Unternehmen zunächst einmal eine Chance geben, sich zu entwickeln, und nicht direkt wieder den 150-prozentigen Datenschutz im Kopf haben“, sagte Voss. Leider sei er mit diesem Ansatz in Brüssel in der Minderheit.

Wobei auch er nicht alle Fesseln lösen will. Ein Handlungsfeld sieht er beispielsweise beim Umgang mit journalistischen Inhalten. „Künstliche Intelligenz gefährdet das Überleben vieler Verlage in Europa. Da wir die freie Presse in ihrer ganzen Breite bewahren wollen, brauchen wir dringend eine Anpassung der Copyright-Regeln“, sagte Voss.

Als kritischer Beobachter der aktuellen Entwicklung präsentierte sich Kartellamtspräsident Andreas Mundt. Er stehe den gewaltigen Möglichkeiten Künstlicher Intelligenz zwar grundsätzlich positiv gegenüber. „Ich bin aber skeptisch, wenn die Infrastruktur dafür fast ausschließlich in der Hand von drei US-Konzernen liegt, nämlich von Microsoft, Google, und Apple mit ihren gewaltigen Rechenzentren“, sagte Mundt. Man müsse sich die Frage stellen, was passiert, wenn der Zugang plötzlich abgeschaltet würde. „Da müssen wir mit präzisen, weisen Regeln vorbeugen.“

Zu harte Kontrollen lehnte aber auch Mundt ab. Als abschreckendes Beispiel verwies er auf die Datenschutzgrundverordnung. „Die deutschen Datenschutzregeln sind ein typisches Beispiel dafür, wie Regulierung nicht sein darf. Die Datenschutzgrundverordnung gefährdet kleine Betriebe in ihrer Existenz, fördert dagegen die großen“, sagte er. Damit spielte Mundt darauf an, dass kleine Betriebe schlicht nicht genug Personal haben, um den bürokratischen Aufwand auf Dauer zu meistern, in großen Betrieben stünden dafür hingegen ganze Abteilungen bereit.

Dieser Artikel wurde für das Wirtschaftskompetenzzentrum von WELT und Business Insider erstellt.

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