Für Staaten in Europa könnte es ein hilfreiches Produkt werden: Die Software-Riesen SAP, Microsoft und OpenAI planen eine gemeinsame Künstliche Intelligenz (KI) für den Einsatz in der Verwaltung. Sie soll in Europa für Europa betrieben werden – und fügt sich damit auch in die Hightech-Agenda der neuen Bundesregierung.

Die Nachricht vom Vortag des WELT KI Summit war ein Thema auf der Konferenz im Berliner Axel-Springer-Gebäude. Die Kooperation zwischen OpenAI, Microsoft und dem deutschen Software-Konzern SAP zeigt beispielhaft, wie Europa versucht, unabhängiger zu werden im Bereich der Künstlichen Intelligenz – es aber noch lange nicht ist.

Zwei der drei beteiligten Unternehmen an der neuen KI-Kooperation für den Staat stammen aus den USA. Sowohl bei Cloud-Diensten als auch bei Chips und Basismodellen für KI ist der Kontinent fast vollständig abhängig von ausländischer Technologie. Selbst dann, wenn es nicht mehr so scheint.

„Es gibt inzwischen den Begriff Souveränitäts-Washing“

„Es gibt inzwischen den Begriff Souveränitäts-Washing ähnlich wie Greenwashing“, sagte Achim Weiß, Chef des deutschen Internetdienstleisters Ionos. Vor ein paar Jahren habe es damit angefangen, dass „amerikanische Anbieter gesagt haben: Hey, wir haben ein Datacenter in Frankfurt. Damit sind die Daten ja in Deutschland also alles bestens.“ Doch so einfach sei es nicht. Es gebe in den USA den Patriot Act und den Cloud-Act. „Wenn die Amerikaner an die Daten rankommen wollen, kommen die da ran“, warnte Weiß.

Wie Europa souveräner werden kann in der digitalen Welt und bei der Entwicklung von Künstlicher Intelligenz war eines der wesentlichen Themen auf dem WELT KI Summit. Dort diskutierten Unternehmer, Manager und Politiker über die Zukunft der KI – und über die Schwierigkeiten des Kontinents, im Wettlauf mit den USA und China Schritt zu halten.

Beteiligt waren auch Vertreter der drei Unternehmen hinter „OpenAI for Germany“. Neben Sam Altman, Gründer und Chef von OpenAI, sprachen auf dem Gipfel auch Philipp Herzig, Technologievorstand von SAP und Samer Abu-Ltaif, Microsoft-Chef für Europa, den Mittleren Osten und Afrika.

Herzig erklärte am Rande der Veranstaltung die Besonderheiten der sogenannten Delos-Cloud: „Das ist eine völlig eigenständige Firma, die hier in Deutschland operiert, von Deutschen betrieben wird, auf deutschem Boden. Diese Firma lizenziert die Technologie nur und stellt quasi eine vollwertige Cloud im souveränen Stil in Deutschland zur Verfügung“, sagte er.

Nun ergänze man dieses Angebot. „Dort hat bislang KI gefehlt und jetzt mit dieser neuen Partnerschaft mit OpenAI bringen wir Frontier-AI (besonders fortschrittliche KI, die Red.), wie wir so schön sagen, nach Deutschland. Eben in den gleichen Design-Prinzipien, dass es voll souverän hier in Deutschland betrieben und angeboten werden kann.“

Aus der Politik ernteten die Manager positive Reaktionen auf ihre Initiative. „Ich freue mich darüber, dass Unternehmen eine Zusammenarbeit angekündigt haben, mit dem Ziel, die beste und leistungsfähigste KI in unsere Verwaltung, unsere Forschungseinrichtungen und öffentlichen Institutionen zu bringen“, sagte Bundesforschungsministerin Dorothee Bär (CSU) beim Gipfel. „Der entscheidende Punkt ist dabei, dass sie in Einklang mit den deutschen Regeln, vertrauenswürdig und sicher sein wird. Und betrieben aus Deutschland.“ Auch ihr Kabinettskollege Karsten Wildberger (CDU), Minister für Digitalisierung und Staatsmodernisierung begrüßte das Projekt.

„KI beeinflusst unser Denken“

Beide Minister versuchten, Zuversicht zu verbreiten. „Ich höre oft, wir wären in Europa nicht konkurrenzfähig bei KI. Das ist falsch. Wir haben die Talente, wir sind gut in der Forschung und haben sehr viele Daten“, sagte Wildberger. Es gebe gegenüber den USA aber Unterschiede beim Zugang zu Kapital und beim Wachstum von Start-ups. Deutschland müsse in das Rennen einsteigen. „Ich hoffe, dass wir bis zum Ende der Legislaturperiode drei- bis viermal mehr KI-Start-ups in Deutschland sehen werden“, sagte er.

Wildberger hatte die bevorstehende gesellschaftliche Veränderung durch KI am Vorabend mit der Epoche der Aufklärung verglichen. „Die Elektrizität hat unsere Wirtschaft verändert. Das Internet hat unsere Gesellschaften verändert. Aber die KI beeinflusst unser Denken“, sagte er in seiner Laudatio auf Axel-Springer-Preisträger Sam Altman. Deutschland und Europa könnten es sich nicht leisten, nur Zuschauer oder bloße Abnehmer der Innovationen anderer zu sein, sagte Wildberger. „Jetzt müssen wir auch den Mut finden, uns mit voller Kraft dem Wettbewerb zu stellen. Nicht teilzunehmen wäre das schlechteste Ergebnis von allen.“

Europas Binnenmarkt ist zu fragmentiert

Es fehlt den europäischen Staaten aber an einigen wesentlichen Voraussetzungen, um mithalten zu können. So ist der Binnenmarkt beispielsweise viel zu fragmentiert, um wirklich europaweite Lösungen anbieten zu können. „Europa ist ein extrem fragmentierter Markt, und es ist schwierig, hier zu skalieren“, sagte Peter Sarlin, Gründer Silo.ai, einer Tochter des Chiphestellers AMD. Das Konzept eines echten Binnenmarkts existierte eigentlich nicht. „Genau das aber ist entscheidend, um hier große Unternehmen aufzubauen. Selbst wenn es einheitliche Vorschriften auf EU-Ebene gibt, existieren immer noch nationale Gesetzgebungen. Das macht es für Start-ups schwer, wirklich gesamteuropäisch zu agieren.“ Manche Start-ups gingen lieber nach New York oder ins Silicon Valley, weil der Markt in Europa zu fragmentiert und zu kompliziert sei.

Außerdem ist der zersplitterte Kapitalmarkt ein großes Problem. „In Europa bekommt jedes gute Start-up noch Startkapital. Aber sobald in einer späteren Finanzierungsrunde größere Summen benötigt werden, wird es schwierig“, sagte Ludwig Ensthaler, Mitgründer des Risikokapitalgebers 468 Capital. Die KI-Firmen ballten sich bisher „rund um San Francisco und sind in einer Stunde Fahrzeit zu erreichen“. Da sei eine Finanzierung viel einfacher. Ein Erfolgsfaktor für den Standort USA sei, dass „sich Kapital gut skalieren lässt. In Europa müssen Pensionskassen, Versicherungen umdenken und einen kleinen Teil des Gelds für Risikokapital reservieren. Es ist fast schon überraschend, wie viel wir in Europa mit dem wenigen Geld hinbekommen.“

Der Staat werde „die Bedingungen für Innovationen in Deutschland verbessern, insbesondere in den Bereichen KI und Daten“, kündigte Minister Wildberger an. Eine intelligentere Regulierung müsse klare Schutzmaßnahmen für die Bürger mit weitaus mehr Spielraum für Entwickler verbinden. Als ein wesentliches Projekt gelten die sogenannten KI-Gigafactories, fünf Rechenzentren, die mit Milliarden-Subventionen der EU errichtet werden sollen. Mindestens eines davon will die Bundesregierung nach Deutschland holen. Sie sind eine notwendige Bedingung, um große KI-Modelle hier zu entwickeln.

Es fehlen aber unabhängige Cloud-Dienste und eigene Modelle, abgesehen von den Programmen europäischer Start-ups wie Aleph Alpha und Mistral. „Um die KI-Modelle laufen zu lassen, braucht es einen Hyperscaler. Und da haben wir eine oligopolistische Struktur der drei Anbieter Microsoft Azure, Google Cloud und Amazon AWS“, sagte Andreas Mundt, Präsident des Bundeskartellamts. „Stellen wir uns nur mal einen Moment vor, die Anbieter schneiden uns von deren Services ab. Dann können wir nicht mehr ordentlich arbeiten.“

„Wirklich souverän sind wir erst, wenn wir auch die Software beherrschen. Darauf bauen wir Rechenzentren auf und so entsteht Souveränität, selbst wenn wir die Hardware nicht selbst herstellen“, sagt Ionos-Chef Weiß. Er sieht ein Konstrukt, wie es SAP gewählt hat, als Schritt in die richtige Richtung. Dennoch fürchtet er eine zweite „Souveränitäts-Washing“-Phase. „Das fundamentale Problem ist an der Stelle, wenn sie morgen keine Updates mehr kriegen für die Cloud, weil Amerika zum Beispiel auf die Idee kommt, das unter Exportkontrolle zu stellen. Und wenn sie keine Updates mehr kriegen, ist so eine Cloud innerhalb von Tagen sicherheitstechnisch nicht mehr tragbar.“ An eigenen Entwicklungen wird Europa also nicht vorbeikommen.

Für Silo.ai-Gründer Sarlin liegt die Chance Europas in seinen industriellen Plattformen. „Neue Wellen entstehen in vielen Branchen: Lebenswissenschaften, Automobilindustrie, Gaming, Materialwissenschaften, Wettermodelle. Die Frage ist: Werden Europas Industriegrößen investieren und innovieren, oder überlassen sie das anderen?“, fragt er. Der Kontinent brauche „mehr Ehrgeiz, mehr Geschwindigkeit, mehr Hunger“. Frankreich habe es geschafft, einen starken akademischen Cluster aufzubauen und Unternehmen wie Meta, DeepMind, Google und OpenAI zu Ansiedelungen zu bewegen. „Deutschland hat eigentlich noch größeres Potenzial, ist aber fragmentiert, weil viele Städte nicht zusammenarbeiten.“

Dieser Artikel wurde für das Wirtschaftskompetenzzentrum von WELT und Business Insider erstellt.

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