Es war ein großes Ziel, das Bundeskanzler Friedrich Merz bei seiner Rede im Bundestag formulierte: „Wir wollen an der technologischen Spitze stehen“, sagte der Kanzler bei der zweiten Generaldebatte des Bundestages. Treffender hätte er den Auftakt zum heutigen KI-Gipfel kaum einleiten können.

Gleichzeitig wirkt dieses Ziel geradezu utopisch. Denn im Rennen um die ökonomische und technologische Vorherrschaft sind Deutschland und Europa ins Hintertreffen geraten. Die technologische Revolution durch die künstliche Intelligenz (KI) hat daran bisher nichts geändert – im Gegenteil: Der Abstand zu Vorreitern wie den USA und China, die mit Systemen wie ChatGPT, Gemini oder Deepkseek die Welt disruptieren und ganze Branchen umwälzen, scheint immer größer zu werden. Zumal Deutschland bereits im vergangenen Jahr aus dem Rennen um ein eigenes KI-Modell ausgeschieden ist. Mit dem französischen Start-up Mistral AI hat Europa nur noch einen Hoffnungsträger, der es dem Kontinent erlaubt, eigenständig mitzumischen.

In dieser kritischen Lage kommen die für Digitales führenden Wirtschaftsgrößen, Politiker und Finanzexperten zum AI WELT Summit in Berlin zusammen, um die relevantesten Fragen und Lösungen zu diskutieren: Was können Politik und Wirtschaft tun, um Deutschland auf das richtige Gleis zu setzen?

Auf welche Stärken sollten Deutschland und Europa setzen und welche regulatorischen und ökonomischen Hindernisse müssen dafür aus dem Weg geräumt werden? Wie kann insbesondere die jüngere Generation das richtige Mindset entwickeln, um sich in einer KI-geprägten Welt zu behaupten? Und hat Europa überhaupt den notwendigen Finanzmarkt, um im Milliardenspiel eine Chance zu haben?

Insbesondere Deutschland wäre eigentlich prädestiniert für die KI-Revolution. Dank der breiten industriellen Basis verfügt das Land über das notwendige Know-how und über eine große Datenbasis. Beides bildet das ideale Fundament für den Aufbruch in die KI-Ökonomie. Doch stattdessen gerät die in vielen Branchen bisher führende Industrienation immer weiter ins Hintertreffen.

Die Börsenentwicklung spiegelt das. Die Finanzmarktstärke der deutschen Aktien hat sich in den vergangenen zwei Jahrzehnten halbiert. Deutschland ist damit an der Börse marginalisiert worden. Mittlerweile sind alle deutschen Börsenkonzerne zusammen weniger wert als Nvidia, Microsoft, Apple oder Alphabet jeweils allein auf die Waage bringen. Und unter den Top 100 der nach Börsenwert größten Firmen der Welt finden sich mit SAP und Siemens gerade noch zwei deutsche Konzerne. Doch in einer Welt, in denen hunderte Milliarden Dollar in die KI-Infrastruktur gesteckt werden, ist Größe ein zentraler Wettbewerbsvorteil.

Selbst die kleine Hoffnungs-Rallye zu Jahresbeginn, als das geplante deutsche Sondervermögen zum Aufbau von Infrastruktur und Verteidigung Investoren weltweit elektrisierte, hat sich längst wieder verflüchtigt. Deutsche Aktien machen an der weltweiten Marktkapitalisierung nur noch 2,1 Prozent aus, obwohl Deutschland am weltweiten Bruttoinlandsprodukt ein Gewicht von rund vier Prozent hat.

Entsprechend schlecht ist es um die Stimmung der Unternehmen bestellt. Der ifo-Index, der die aktuelle Situation und die Erwartungen der Firmen in Deutschland misst, brach im September wegen der anhaltend schwachen Aussichten unerwartet ein.

Wie man binnen eines Jahrzehnts zum weltweiten Top-Aufsteiger werden kann, weiß niemand besser als Sam Altman. Der Mitgründer und CEO von OpenAI hat durch seine Mischung aus technologischer Exzellenz und unternehmerischem Geschick einen Akteur geschaffen, der auf 500 Milliarden Dollar taxiert wird. Ein solcher Wertzuwachs in so kurzer Zeit gilt als beispiellos in der Wirtschaftsgeschichte. Zum Auftakt des AI WELT Summit konnte Altman im Gespräch mit Axel-Springer-CEO Mathias Döpfner wichtige Impulse dafür liefern, wie Deutschland technologisch und ökonomisch wieder aufschließen kann, um bei der KI-Revolution vorn mitzumischen.

Karsten Wildberger, Bundesminister für Digitales und Staatsmodernisierung, wird im Anschluss daran den Ball aufnehmen und skizzieren, wie die neue Regierung Deutschland wieder ins Spiel bringen will. Neben ihm werden Bundestagspräsidentin Julia Klöckner (CDU), die Bundesministerin für Forschung, Technologie und Raumfahrt Dorothee Bär (CSU) sowie Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) die Strategie der Bundesregierung erläutern und die Ideen der Wirtschaft hören.

Mit dabei sind Philipp Herzig, Technologiechef bei Deutschlands größtem Börsenkonzern SAP und Achim Weiß, Vorstandschef des deutschen Cloudanbieters Ionos. Beide sind darauf angewiesen, dass Deutschland die notwendigen Voraussetzungen dafür schafft, dass KI hierzulande gedeihen kann. Ionos profitiert gerade davon, dass deutsche Firmen ihre Daten lieber bei einem heimischen Anbieter verwalten lassen. Verlässliche und günstige Energie ist ein wichtiger Erfolgsfaktor – im KI-Zeitalter umso mehr. Nur wer ausreichend Strom hat, kann mithilfe von Rechenleistung Datenschätze heben und das Land produktiver machen.

Welche regulatorischen Voraussetzungen für den Aufbruch in das KI-Zeitalter nötig sind und wie sich das richtige Maß aus Datenschutz, unternehmerischer Freiheit und bürokratischen Hürden finden lässt, wird der Präsident des Bundeskartellamts, Andreas Mundt unter anderem mit EU-Parlamentarier Axel Voss (CDU) diskutieren.

Auch die Anwender von KI aus der Unternehmenslandschaft werden vor Ort sein. Matthias Metz, Chef der BSH Home Appliances Group, versucht mit KI die eigene Produktion noch effizienter zu gestalten. Das Unternehmen unterhält im bayerischen Dillingen ein Werk, in dem mehr als 10.000 Geschirrspüler vom Band laufen. Christoph Werner, CEO von dm-drogerie markt, setzt in seinen Filialen ebenfalls auf KI, um neue Geschäftsfelder zu erschließen und Arbeitsplätze zu sichern. Beide Manager dürften auf dem AI WELT Summit für die Chancen stehen, die Deutschland in Sachen KI nutzen kann.

Zu den Mahnern des Gipfels dürfte insbesondere Palantir-Chef Alex Karp gehören, der immer wieder den Niedergang Deutschlands beklagt und dem Land den Spiegel vorhält, was in den vergangenen Jahren alles selbst verschuldet schiefgelaufen ist. Karp, der knapp eine Dekade in Deutschland gelebt und studiert hat, liegt die Zukunft der Bundesrepublik am Herzen. Selbst auf einem US-Tech-Gipfel nutzte er kürzlich die eigene Redezeit, um minutenlang über das Schicksal Deutschlands zu sprechen.

Deutschland habe vor dem Zeitalter der KI über die besten Voraussetzungen verfügt und müsse sich nun anstrengen, um wieder Tritt zu fassen. Insbesondere die Energie- und Zuwanderungspolitik der vergangenen Jahre hält er für einen großen Fehler. Zudem habe Deutschland viele große Talente aus der Tech-Industrie vergrault.

Wenn Kanzler Merz sein Versprechen ernst meint, sollte er sich von seinen Kabinettsmitgliedern berichten lassen, zu welchen Ergebnissen die Teilnehmer des diesjährigen AI WELT Summit gekommen sind.

Dieser Artikel wurde für das Wirtschaftskompetenzcenter von WELT und „Business Insider Deutschland“ erstellt.

Anja Ettel ist Korrespondentin für Wirtschaft und Finanzen in Frankfurt/Main und berichtet von dort über Finanzmärkte und Geldpolitik sowie die Pharma- und Chemieindustrie. Sie ist Co-Host des WELT-Podcasts „Alles auf Aktien“.

Holger Zschäpitz ist leitender Finanzredakteur in Berlin. Er ist leidenschaftlicher Marktbeobachter und berichtet über Kurse und Finanzmärkte, Geldanlage, Aktien, Fonds und ETFs, Gold, Bitcoin und Kryptowährungen sowie das diffizile Zusammenspiel von Politik und Märkten. Er ist Co-Host der WELT-Podcasts „Deffner & Zschäpitz“ und „Alles auf Aktien“.

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