Beim Deutschlandticket bricht die schwarz-rote Koalition ihr Versprechen
Die Zukunft des Deutschlandtickets ist entschieden – und sie ist teurer. Der Preis des Deutschlandtickets im Nahverkehr soll im kommenden Jahr von derzeit 58 Euro auf 63 Euro im Monat steigen. Das haben die Verkehrsminister der Länder auf der Sonderverkehrsministerkonferenz in München am Donnerstag entschieden.
Dort wurde zudem ein Preismechanismus diskutiert: ab 2027 soll der Preis des Deutschlandtickets anhand eines bis zur Verkehrsministerkonferenz im Herbst 2025 zu erarbeitenden Kostenindexes fortgeschrieben werden. Dieser Index soll insbesondere Personal- und Energiekosten abbilden und sei nach Anhörung der Branche festzulegen.
Die Ländervertreter hatten bereits in den vergangenen Tagen hinter den Kulissen über einen Kompromiss verhandelt – auf einen konkreten Preis konnten sie sich aber zunächst nicht einigen. Formell muss die Erhöhung vom Bundesrat erst noch beschlossen werden. Der Bund war bei den Verhandlungen nur Gast. Verkehrsminister Patrick Schnieder (CDU) wurde durch seinen Staatssekretär Stefan Schnorr vertreten.
Der Streit um das Deutschlandticket
Das Deutschlandticket gibt es seit Mai 2023. Es wird nach Branchenangaben von rund 13,5 Millionen Menschen genutzt und ermöglicht bundesweit Fahrten im öffentlichen Regional- und Nahverkehr. Bei der Einführung kostete es 49 Euro pro Monat. 2025 stieg der Preis auf 58 Euro. Infolgedessen haben bereits weniger Menschen das Ticket genutzt.
Die neue Bundesregierung möchte das Ticket fortführen, das ist im Koalitionsvertrag festgeschrieben. Doch die zentrale Frage blieb: Wer soll das künftig bezahlen? Um die Finanzierung des Tickets war ein langer Streit zwischen Bund und Ländern ausgebrochen, der mit dem Beschluss vorerst sein Ende finden soll. Die Finanzierung des Tickets ist jetzt bis 2030 gesichert. Weiterhin steuern Bund und Länder je 1,5 Milliarden Euro bei.
Die staatlichen Zuschüsse dienen dazu, Einnahmeausfälle der Verkehrsunternehmen zu kompensieren – denn deren reguläre Abo-Modelle sind meist teurer als das Deutschlandticket. Doch es war absehbar: Die drei Milliarden Euro werden dauerhaft nicht ausreichen, um den Verlust der Branche auszugleichen, wie der Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) warnt. Personal- und Energiekosten steigen. Laut dem VDV droht ab 2026 eine Finanzierungslücke von 800 Millionen Euro.
Bricht die Bundesregierung ihr Wort?
Verkehrsminister Patrick Schnieder (CDU) hatte mehrfach erklärt, dass der Bund keine weiteren Gelder über die zugesagten 1,5 Milliarden Euro hinaus zur Verfügung stellt. Und auch die Länder haben aufgrund der engen Haushaltslage immer wieder betont, nicht mehr Geld fürs Ticket beisteuern zu können. Jetzt steigt der Preis. Hat die Bundesregierung damit ihr Wort bereits gebrochen?
Im Koalitionsvertrag heißt es: Der Anteil der Nutzerfinanzierung, also der Teil der Kosten, den die Fahrgäste über den Ticketpreis bezahlen, solle bis 2029 stabil bleiben. Erst danach war eine „sozialverträgliche“ und „schrittweise“ Erhöhung des Nutzeranteils vorgesehen. Der Preis steigt jetzt trotzdem – und mit ihm der Anteil der Nutzerfinanzierung. Auf die Frage, ob es sich bei der nun geplanten Preiserhöhung daher nicht um einen Wortbruch der schwarz-roten Koalition handelt, antwortete der Staatssekretär im Bundesverkehrsministerium Schnorr nur ausweichend.
Winfried Hermann, grüner Minister für Verkehr des Landes Baden-Württemberg, erklärte, dass die Finanzierungslücke insgesamt etwa 800 Millionen Euro betrage. Durch den Preisaufschlag erhofft man sich, 600 Millionen Euro davon abzudecken. Weitere 200 Millionen Euro erwarte man durch Effizienzgewinne bei den Verbünden und Verkehrsunternehmen, da diese durch das Deutschlandticket bei der Servicearbeit sparen.
Der Fahrgastverband Pro Bahn kritisiert die Entscheidung der Verkehrsminister. „Anstelle immer weiter am Preis zu drehen und Kunden zu vergraulen, sollten Einsparpotenziale bei den oftmals verkrusteten Verwaltungsstrukturen des öffentlichen Verkehrs gesucht werden und weitere Einnahmequellen wie durch Zusatzangebote zu erschließen.“
Scharfe Kritik kam auch von den Grünen. „Die Menschen merken, dass etwas schief läuft in Deutschland, wenn die Bundesregierung plötzlich Geld für vieles hat, aber ausgerechnet da knausert, worauf viele Menschen im Alltag angewiesen sind: auf eine verlässliche und günstige öffentliche Mobilität“, sagte die stellvertretende Fraktionsvorsitzende Julia Verlinden. „Wenn die Bundesregierung massig Klientel-Wahlgeschenke verteilt, die Subventionen im Flugverkehr erhöht und zugleich das Deutschlandticket teurer macht, dann setzt sie eindeutig falsche Prioritäten: Vergünstigungen für wenige, auf Kosten von vielen.“
Dieser Artikel wurde für das Wirtschaftskompetenzzentrum von WELT und „Business Insider Deutschland“ erstellt.
Klemens Handke ist Wirtschaftsredakteur. Er schreibt über Verkehrspolitik und die Deutsche Bahn.
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