Zwischen Zöllen, Inflation und Brexit
US-Präsident Trump hat für seinen Besuch in Großbritannien als "Gastgeschenk" Milliardeninvestitionen von US-Konzernen im Gepäck. Die kann das Königreich gebrauchen - denn die Wirtschaft lahmt seit einiger Zeit.
Der bildmächtige Empfang für US-Präsident Donald Trump auf Schloss Windsor hat offensichtlich auch einen ökonomischen Hintergrund. Mit einem großen Aufgebot will Großbritannien seinem wichtigsten Handelspartner schmeicheln. Die britische Wirtschaft scheint darauf angewiesen zu sein - denn sie steckt schon seit einiger Zeit in Schwierigkeiten.
Wie steht es um die britische Wirtschaft?
Die offiziellen Daten der vergangenen Woche zeichnen ein sich eintrübendes Bild der britischen Wirtschaft. Im Juli kam das Wachstum des Bruttoinlandsprodukts (BIP) zum Erliegen, während es im Juni noch ein Plus von 0,4 Prozent gegeben hatte. Dabei hatte die Labour-Partei des britischen Premierministers Keir Starmer im Wahlkampf mit einem jährlichen Wachstum von 2,5 Prozent geworben. Und auch der Arbeitsmarkt zeigt Probleme - so liegt die Arbeitslosenquote mit 4,7 Prozent auf dem höchsten Stand seit vier Jahren.
Die britische Finanzministerin Rachel Reeves hatte vergangene Woche erklärt, die Regierung müsse sich darauf konzentrieren, die Zentralbank bei der Senkung der Inflation zu unterstützen und zugleich das Wirtschaftswachstum vor der Verabschiedung des Haushalts Ende November anzukurbeln.
Die Wirtschaft soll dabei mit verschiedenen Maßnahmen wieder zum Laufen gebracht werden. Zwar werden die genauen Steuer- und Ausgabenpläne erst beim Haushaltsentwurf bekannt. Es wird jedoch erwartet, dass die Steuern erhöht werden, um das Haushaltsloch zu stopfen. Das National Institute of Economic and Social Research (NIESR), ein Thinktank, hatte das im August auf knapp 50 Milliarden Pfund beziffert - was Reeves jedoch zurückwies.
Das "Produktivitätsrätsel"
Das schwache Wachstum deutet sich bereits seit der Finanzkrise an. So sank das durchschnittliche Wirtschaftswachstum laut dem Statistikamt ONS von rund drei Prozent in den Jahren 1993 bis 2007 auf nur noch 1,5 Prozent zwischen 2009 und 2023.
Viele Ökonomen führen diese Entwicklung auch auf die geringe Produktivität zurück. So schrieb Aadya Bahl in einem Blog-Beitrag für die London School of Economics, dass die Arbeitsproduktivität in Großbritannien nach der Finanzkrise stärker zurückging als in den USA, Deutschland oder Frankreich - ein Phänomen, das immer wieder als "Produktivitätsrätsel" bezeichnet wurde. Hauptgründe seien schwache Investitionen, etwa in Anlagen oder in Forschung und Entwicklung.
Hinzu kommen große regionale Unterschiede: Schon 2019 lag die Produktivität Londons rund 50 Prozent über dem britischen Durchschnitt. Würde man die Hauptstadt aus den Berechnungen herausnehmen, fiele der nationale Lebensstandard um 14 Prozent. Damit läge das Vereinigte Königreich hinter Mississippi, dem schwächsten US-Bundesstaat.
Zollverhandlungen und Investitionen
Insofern dürften viele Briten den Besuch des US-Präsidenten, in dessen Rahmen mehrere amerikanische Techriesen Milliardeninvestitionen angekündigt haben, als Erfolg werten. In den kommenden Jahren wollen Unternehmen wie Microsoft oder Google insgesamt rund 42 Milliarden Dollar in die britische KI-Infrastruktur investieren.
Die USA sind der wichtigste Handelspartner des Vereinigten Königreichs - 22,5 Prozent der Exporte gehen dorthin. Das Handelsvolumen zwischen beiden Ländern lag im vergangenen Jahr bei rund 370 Milliarden Euro.
Umso bedeutender sind auch die laufenden Verhandlungen über Importzölle, die Trump im April für zahlreiche Länder angekündigt hatte. Auf britische Waren gilt derzeit ein Grundzoll von 10 Prozent, Stahlexporte werden mit 25 Prozent belegt. Die Hoffnungen auf eine Senkung dieser Abgaben schwinden allerdings.
Inflationssorgen lassen nicht nach
Sorge bereitet auch die weiterhin hohe Teuerung: Großbritannien verzeichnet unter den Industrienationen die höchste Inflation. Die Verbraucherpreise erhöhten sich im August um durchschnittlich 3,8 Prozent im Vergleich zum Vorjahresmonat, wie das Statistikamt in London heute mitteilte. Die Rate verharrte damit wie erwartet auf dem Niveau des Vormonats. Zum Vergleich: In den USA liegt sie bei 2,9 Prozent, im Euroraum bei 2,0 Prozent.
Die neuen Zahlen verstärken die Erwartung, dass die britische Zentralbank den Leitzins vorerst nicht weiter absenkt. Die Bank of England, die ihre Leitzinsentscheidung morgen verkündet, geht davon aus, dass die Inflation im September mit vier Prozent ihren Höchststand erreichen wird - das Doppelte des Zwei-Prozent-Ziels der Zentralbank.
Die Notenbanker stehen dabei vor einem Dilemma: Denn obwohl sich der britische Arbeitsmarkt abgeschwächt hat, übt er weiterhin Preisdruck nach oben aus. Das Lohnwachstum verlangsamte sich zwar, bleibt aber mit 4,8 Prozent bei den Grundgehältern zu hoch für die Notenbank.
Folgen des Brexits
Viele führen das schwache Wachstum der vergangenen Jahre aber auch auf den Brexit zurück. Seit dem EU-Austritt Großbritanniens Ende Januar 2020 und dem endgültigen Verlassen von Zollunion und Binnenmarkt im Jahr 2021 belasten neue Bürokratie und Handelshemmnisse die Wirtschaft - trotz eines spät vereinbarten Freihandelsabkommens.
"Die negativen Auswirkungen des Handelsabkommens haben sich im Laufe der Zeit verstärkt, wobei 2023 einen stärkeren Handelsrückgang aufweist als die Jahre zuvor", hieß es in einem Bericht der Aston University in Birmingham von 2024. Vor allem kleinere britische Exporteure hätten den Handel mit der EU aufgegeben. Auch die Ausfuhren waren davon betroffen: Zwischen 2021 und 2023 - den Jahren unmittelbar nach dem britischen Austritt aus der EU-Zollunion und dem Binnenmarkt - sank der Wert der britischen Warenexporte in die EU um 27 Prozent, der Wert der Importe um 32 Prozent.
Der lahmende Handel hat für die Briten auch im Alltag Folgen - vieles ist schlicht teurer. Ein Beispiel: Vor Weihnachten berichtete der "Guardian" über inzwischen nötige zusätzliche Bescheinigungen für die Einfuhr von Weihnachtsbäumen. Ein niederländischer Händler sprach vom Rechnungsposten "Brexit-Kosten". Das spüren viele Verbraucher im Vereinigten Königreich.
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