Rund ein Drittel der Schweizer Tech-Firmen will die hohen US-Zölle von fast 40 Prozent durch Verlagerungen von Teilen der Produktion umgehen. Der Standort Deutschland wird beliebter - und die Schweizer Firmen kreativ.

Im kleinen Dorf Weggis am Vierwaldstätter See sitzt die Firma Thermoplan, die exklusiv Kaffeemaschinen für die Starbucks-Cafés in der ganzen Welt produziert. Das Schweizer Familienunternehmen und die amerikanische Kaffeehauskette - bislang war das eine Erfolgsgeschichte. Doch die hohen Zölle haben das Geschäftsmodell grundsätzlich infrage gestellt.

Für Thermoplan-CEO Adrian Steiner sind sie existenzbedrohend. Er spricht von Schock, Ohnmacht und einem Gefühl der Ungerechtigkeit. Seit dem 7. August kosten ihn die Zölle mehr als 200.000 Euro pro Woche - die Gesamtkosten teilt sich das Unternehmen mit Starbucks. Damit ist aus dem großen Erfolg schlagartig ein Verlustgeschäft geworden.

Mit 39 Prozent auf Exporte in die USA gilt für die Schweiz einer der höchsten Zollsätze weltweit. Das trifft das kleine Land sehr, denn die Vereinigten Staaten sind der wichtigste Handelspartner. Industrieverbände rechnen mit Firmenpleiten, einem geringeren Wirtschaftswachstum und sehen Zehntausende Arbeitsplätze in Gefahr. 

Im beschaulichen Weggis hat die Firma Thermoplan mit der Produktion von Kaffeemaschinen für Starbucks bislang Erfolgsgeschichte geschrieben. Die US-Zölle setzen das Unternehmen nun aber unter Druck.

Von Weggis nach Hockenheim

Deshalb schielen Schweizer Firmen jetzt in Richtung EU, viele davon nach Deutschland - und auf den dort geltenden Zollsatz von nur 15 Prozent. Eine Umfrage des Verbands der Maschinen-, Elektro- und Metallindustrie Swissmem ergab, dass 31 Prozent der Firmen eine solche Verlagerung der Produktion bereits planen. 

So auch Adrian Steiner. Er hat rund 300 Kilometer nördlich von Weggis, im baden-württembergischen Hockenheim, bereits Büroräume, die er jetzt teils in eine Werkshalle umwandeln will. Die Kaffeemaschinen für Starbucks sollen dann hier fertiggestellt werden - und entsprechend billiger in die USA exportiert werden.

Maßnahmen von Schweizer Unternehmen gegen die hohen Zölle durch die USA

Stefanie Dodt, ARD Genf, Weltspiegel

Von der EU profitieren, ohne Mitglied zu sein

"Deutschland und die EU haben mit den USA einen besseren Zoll-Deal. Wir wollen von diesem Deal profitieren", sagt FDP-Nationalrat Simon Michel. Er leitet als Unternehmer die Medizintechnikfirma Ypsomed in Solothurn.

Das sei in Ordnung, so Michel, da die Schweiz geografisch unstrittig zu Europa gehöre. Aber eben nur geografisch. Im selben Atemzug sagt er auch: "Die Schweiz wird nie Mitglied der Europäischen Union werden. Wir haben ein vertrauliches Verhältnis, das funktioniert hervorragend."

Ypsomed produziert Pens aus Kunststoff, die zum Beispiel mit Insulin gefüllt und von Diabetikern verwendet werden können. Etwa die Hälfte der Produktion soll künftig an den Standort Schwerin verlagert werden, wo Ypsomed 500 zusätzliche Stellen schafft. Darüber hinaus will Michel neue Märkte erschließen und aus der Schweiz beliefern. 

Ypsomed produziert Pens aus Kunststoff - etwa für Diabetiker.

Verhandlungen über neuen Zoll-Deal auf Hochtouren

Die US-Zölle schaffen damit längst neue Fakten, auch wenn ein US-Berufungsgericht sie in Teilen bereits für illegal erklärt hat. Das oberste US-Gericht, der Supreme Court, wird sich der Frage ab Anfang November annehmen.

Wie die Entscheidung auch ausfällt: Die Unternehmen orientieren sich um. "Die Schweiz und Europa werden gewissermaßen einen beschleunigten Strukturwandel erleben", so Nationalrat Michel - aufgrund der Zölle, aber auch der günstigen Konkurrenz aus China. "Wir werden diesen Kulturwandel leben müssen, uns anpassen, mehr in Bildung, Forschung investieren müssen und vielleicht weniger in Produktion."

Die Schweizer Regierung ist dennoch weiterhin unter Hochdruck, einen neuen Zoll-Deal mit den amerikanischen Amtskollegen zu verhandeln. Ein neues Angebot liegt bereits in Washington auf dem Tisch. Es zielt in erster Linie darauf ab, das Handelsdefizit zu senken.

Die USA importieren bislang mehr aus der Schweiz als umgekehrt, damit hatte der US-Präsident die Zölle begründet. Grund für das hohe Defizit von über 40 Milliarden Euro ist allerdings vor allem der Import von Gold, an dem die Schweiz wenig verdient, da es hier lediglich umgeschmolzen wird. 

Blick nach China

Das könnte sich als Teil des neuen Angebots jetzt ändern. Die Details werden bislang geheim gehalten. Insider berichten, dass ein Teil der Umschmelzung in die USA verlagert werden könnte. Auch die Airline SWISS, die zur Lufthansa-Gruppe gehört, hat sich demnach mit Vorschlägen an dem neuen Paket beteiligt. Der US-Handelsminister Howard Lutnick zeigte sich zuletzt optimistisch über einen möglichen neuen Zoll-Deal mit der Schweiz.

So lange aber ein Durchbruch auf sich warten lässt, heißt es für die Schweizer Firmen: Umdenken und flexibel bleiben. Adrian Steiner von Thermoplan deutet auf einen silbernen Kaffee-Vollautomat, der bis zum Rand nicht mit Kaffeebohnen, sondern mit schwarzem und grünem Tee gefüllt ist. Ein gemeinsames Projekt mit dem chinesischen Milliardär Zhang Junjie, dem Inhaber der Teehaus-Kette "Chagee", der Chinas Teekultur nach Europa bringen will: zu Tee-Vollautomaten umgebaute Kaffeemaschinen. Wenn es mit dem Kaffee-Erfolg nun also vorbei sein sollte, dann eben Tee - so zumindest Steiners neue Hoffnung. 

Über dieses und andere Themen berichtet das Europamagazin am Sonntag um 12.45 Uhr im Ersten.

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