Matthias Metz sprüht vor Begeisterung. „Alles unsichtbar“, jubelt der Vorsitzende der Geschäftsführung von BSH-Hausgeräte und zeigt auf einen matt-schwarzen Küchenblock im Showroom der Konzernmarken Bosch, Siemens und Gaggenau im Münchener Stadtteil Bogenhausen. „Da ist ein Kochfeld drauf, aber man sieht es auf den ersten Blick gar nicht.“ Und schon dreht er sich um und klappt eine Backofentür auf: „Die ganzen Heizelemente sind weg, versteckt unter dem Blech. Lässt sich jetzt noch besser reinigen.“

Weiter geht es zu einer schwarzen Schublade. „Da ist kein Besteck drin“, begeistert sich Metz, „sondern ein Dampfgarer. Und das auf so wenig Platz. Passt auch in kleine Küchen. Eine Weltneuheit.“ Der großen Öffentlichkeit präsentiert BSH solche Innovationen dieser Tage auf der Technikmesse IFA in Berlin. Im WELT-Interview spricht Metz über den Standort Deutschland, die Zollpolitik von US-Präsident Donald Trump und seinen Lieblingskaffee.

WELT: Herr Metz, wie häufig tauscht der Chef eines Hausgeräteherstellers zu Hause die Elektrogeräte aus?

Matthias Metz: Sicherlich häufiger als andere Haushalte. Bei mir waren es zuletzt die Waschmaschine und der Kaffeevollautomat. Das liegt an den zusätzlichen Möglichkeiten, die durch ständige Innovationen geschaffen werden. Bei der Waschmaschine war es die Autodosierungsfunktion und beim Kaffeeautomat die Möglichkeit, auch Cold Brew damit zuzubereiten. Diese Sorte habe ich für mich neu entdeckt und im Sommer fast nur noch getrunken. Neue Features und Funktionen sind ein großer Kaufanreiz.

WELT: Was lässt sich an einem Backofen, einer Spülmaschine oder einer Gefriertruhe eigentlich jedes Jahr neu erfinden?

Metz: Die Grundfunktionalitäten sind natürlich stabil. So wie ein Auto vordergründig fahren muss, hat ein Backofen zu backen. Neue Technologien und künstliche Intelligenz geben uns aber die Möglichkeit, Geräte stetig zu verbessern und die Wünsche der Konsumenten noch zielgerichteter zu erfüllen.

WELT: Haben sie ein Beispiel?

Metz: Seit dem vergangenen Jahr gibt es bei uns einen Backofen, der über eine Kamera den Inhalt erkennen kann und dann automatisch die richtige Temperatur und Garzeit einstellt. Damit lassen sich mittlerweile über 100 Rezepte gelingsicher zubereiten. Es werden also Produkterlebnisse möglich, die vor zwei, drei, fünf Jahren noch nicht darstellbar waren. Zudem spielt das Thema Nachhaltigkeit zum Beispiel in Bezug auf Energieeffizienz oder Wasserverbrauch eine zunehmend wichtige Rolle.

WELT: Vor vielen Jahren wurde über einen Kühlschrank gesprochen, der per Kamera seinen Inhalt erkennt und Nachbestellungen macht, etwa von Milch. Gibt es den mittlerweile – und braucht man so etwas überhaupt?

Metz: Bei unseren verschiedenen Marken gibt es zwar Kühlschränke mit Kamera, aber keine mit automatischem Bestellmechanismus. Denn nicht alles, was möglich ist, ist auch wirklich sinnvoll. Zentrale Frage bei der Produktentwicklung muss immer der tatsächliche Nutzen sein. Experimentieren ist erlaubt, aber Kern unseres Handels ist die Konsumentenbegeisterung. Und die gibt es für einen Kühlschrank, der automatisch Milch bestellt, bislang nicht. Dafür geben die Konsumenten ihr Geld nicht aus, die aktuellen Generationen jedenfalls nicht.

WELT: Wie finden Sie heraus, was der Kunden haben will und was nicht?

Metz: Die Wünsche sind durchaus sehr unterschiedlich, je nach Region und Preispunkt. Deshalb ist es übrigens auch wichtig, weiterhin Basis-Varianten im Programm zu haben und nicht nur Geräte mit vielen Gimmicks. Was wichtig und relevant ist, identifizieren wir auf verschiedenen Wegen: durch Marktforschung, durch Testgruppen, durch das Auswerten von Kundenfeedback und Online-Kommentaren und nicht zuletzt durch Umfragen mit Verbrauchern, aber auch mit Küchenstudios und Elektronikhändlern, die ja die direkten Verkaufserlebnisse haben und die Reaktionen ihrer Kunden sehen.

WELT: Wie läuft es im Verkauf? Wie stark spüren Sie die Konsumzurückhaltung?

Metz: Es wäre ein ziemliches Wunder, wenn wir das nicht spüren würden. Da spielt natürlich hinein, dass viele Haushalte in der Corona-Zeit Käufe vorgezogen haben. Wer sich aber vor vier, fünf Jahren eine neue Küche gekauft hat, der macht das jetzt nicht schon wieder. Dazu schwächeln die Immobilienmärkte im Neubau wie auch im Bestand – sowohl in Deutschland und Europa, als auch in den USA und China und damit in allen unseren wichtigen Märkten.

Hierzulande zum Beispiel wurden in den Jahren 2015 bis 2021 jährlich zwischen 1,3 und 1,5 Millionen Küchen verkauft. 2025 werden es wohl weniger als eine Million sein. Dazu gibt es vielerorts Unsicherheit und Zukunftssorgen, zudem hat die Inflation Kaufkraft gekostet. Damit sitzt das Geld weniger locker. Aber wir haben uns darauf eingestellt und haben einen klaren Zukunftsfahrplan.

WELT: Wie sieht dieser Plan aus?

Metz: Da bitte ich um Verständnis, dass ich zurückhaltend bleiben muss. Denn die Konkurrenz würde das natürlich auch gerne wissen. Klar ist aber, dass die Reduktion von Kosten und Komplexität eine Rolle spielt, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Und dass wir Wachstum generieren wollen: in Europa, in Amerika, in Asien, in Indien und auch in Afrika. Dort haben wir gerade erst eine Produktion in Ägypten eröffnet. Wir sehen uns schließlich nicht nur als Europas größten Hausgerätehersteller, sondern haben auch einen weltweiten Anspruch, Märkte zu gestalten.

WELT: Stichwort Kosten: Bei BSH läuft ein globales Effizienzprogramm, bei dem bis 2027 rund 3500 Stellen abgebaut werden sollen. Wo stehen sie aktuell?

Metz: Da sind wir auch hier in Deutschland planmäßig unterwegs und machen das auf sozialverträgliche Weise. Es sind derzeit keine betriebsbedingten Kündigungen geplant. Denn bisher schlagen wir uns wacker in einem dynamischen Marktumfeld. Gleichwohl haben wir das Thema Wettbewerbs- und Zukunftsfähigkeit im Blick. Das steht über allem.

WELT: Wo produzieren Sie? Und gibt es wie zuletzt bei der Konkurrenz Verlagerungen, weil einzelne Standorte nicht mehr wettbewerbsfähig sind?

Metz: Wir haben knapp 40 Fabriken rund um die Welt, sechs davon in Deutschland. Denn wir wollen möglichst marktnah produzieren. Bei großvolumigen Geräten wie Waschmaschinen oder Kühlschränken spielen Transportkosten eine wichtige Rolle. Mit unserem globalen Netzwerk fühlen wir uns grundsätzlich gut aufgestellt. Dennoch können wir uns der Marktentwicklung nicht entziehen und hinterfragen derzeit jeden Standort und jede Investition.

WELT: Wie steht es um die deutschen Werke? Die Kritik an den Rahmenbedingungen hierzulande wird seit Jahren lauter.

Metz: Dieser Kritik können wir uns nur anschließen. Die Politik muss die Zeichen der Zeit erkennen und die Wettbewerbsfähigkeit stärken. Das Thema „Made in Germany“ hat zwar eine gewisse Strahlkraft und ist weiterhin ein gutes Versprechen. Es ist aber kein Selbstläufer mehr. Die Bereitschaft der Kunden, dafür auch mehr zu bezahlen, ist mittlerweile sehr limitiert. Das hat sich stark verändert in den letzten zehn Jahren. Das Qualitätsversprechen reicht nicht mehr aus. Die Produktion in Deutschland muss im internationalen Vergleich wettbewerbsfähiger werden.

WELT: Wie denn? Was wünschen Sie sich von der Politik?

Metz: Die Kosten müssen dringend runter, auch für Energie. Zudem muss die Bürokratie zurückgedrängt und Überregulierung vermieden werden. Nehmen Sie zum Beispiel das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz. Einen solchen Zungenbrecher kann übrigens nur die deutsche Bürokratie erfinden. Dieses Gesetz verschlingt bei den Unternehmen massiv Zeit und Geld, verbessert dabei aber rein gar nichts – wir hatten unsere Lieferkette auch vorher im Griff. Das diskriminiert alle großen Unternehmen, die in Deutschland produzieren.

Ausländische Hersteller vergleichbarer Größenordnung, die hierzulande nur eine kleine Vertriebstruppe haben, sind davon nicht betroffen, jubeln darüber und gewinnen Marktanteile. Da muss man sich schon fragen, ob das im Sinne einer starken Standortpolitik sein kann. Es muss auch in Zukunft möglich sein, in Deutschland gewinnbringend und erfolgreich zu produzieren. Ansonsten wird – so fürchte ich – die ohnehin gebremste Begeisterung, in Deutschland zu investieren, noch weiter sinken.

WELT: Investiert BSH noch in Deutschland?

Metz: Ja, wir haben in der Vergangenheit viel investiert und werden auch weiter in unserem Heimatmarkt investieren. Als Verantwortlicher überlegt man derzeit aber sicher zweimal, ob und wie viel Geld hierzulande noch richtig investiert ist. Die Begeisterung dafür hat schon deutliche Dämpfer bekommen. Die höheren Kosten aber auch Bürokratiebelastungen gegenüber Osteuropa, Asien aber auch Nordamerika muss man als Unternehmen erst einmal verdienen. Ich wünsche mir, dass die Politik die Probleme beherzter angeht. Es reicht nicht, zu nicken und Themen anzuerkennen. Es muss dann auch reales und schnelles Handeln geben.

WELT: Welche Regionen gewinnen für BSH angesichts dieser Gemengelage an Relevanz, sei es als neue Absatzmärkte oder als künftige Produktionsstandorte?

Metz: Wir sind bereits in allen Regionen vertreten, die für uns strategisch wichtig sind, darunter unter anderem Indien und China. Weiße Flecken sehe ich derzeit nicht. Allerdings haben wir Afrika mittlerweile stärker auf dem Radar, das zeigt der Fabrikneubau in Ägypten, wo wir freistehende Herde produzieren. Noch ist der Markt auf diesem Kontinent klein, aber er hat Chancen nach vorne.

Ansonsten versprechen wir uns viel von Nordamerika, wo wir vor allem mit Bosch, Gaggenau und der lokalen Marke Thermador unterwegs sind. Dort haben wir zuletzt auch das Marketing verstärkt und erstmals für die Marke Bosch beim Super Bowl geworben. Das hat unsere Markenwahrnehmung und -bekanntheit nochmal merklich gesteigert. Das schlägt sich auch in Verkaufszahlen nieder.

WELT: Stichwort Nordamerika: Welche Auswirkungen hat die Zollpolitik von US-Präsident Donald Trump. Sie produzieren zwar in den USA. Dafür muss BSH aber Komponenten importieren. Außerdem gibt es ein Werk in Mexiko für den amerikanischen Markt.

Metz: Natürlich haben die Zölle Auswirkungen, da braucht man nicht drum herumreden. Wir haben bereits Preisanpassungen machen müssen. Welche langfristigen Auswirkungen sich durch die Entwicklungen noch ergeben, lässt sich aktuell nicht absehen. Aber das betrifft ja auch den Wettbewerb. Fest steht, dass die USA für uns als Markt sehr wichtig bleiben.

Dieser Artikel wurde für das Wirtschaftskompetenzzentrum von WELT und Business Insider erstellt.

Carsten Dierig ist Wirtschaftsredakteur in Düsseldorf. Er berichtet über Handel und Konsumgüter, Maschinenbau und die Stahlindustrie sowie Mittelstandsunternehmen.

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