Was passiert mit dem Sommerurlaub, wenn's am Mittelmeer nur noch brennt?
"Heute in Bologna Italien eingetroffen (...). Die Hitzewelle ist spektakulär hier. Wenn es so weitergeht, werden diese Urlaubsziele keine Zukunft haben", so twitterte Ex-Gesundheitsminister Karl Lauterbach und brachte damit das Gastland gegen sich auf. Zwei Jahre ist das her, aber die Bemerkung ist aktueller denn je.
Die Temperaturen in Italien erreichen auch diesen Sommer wieder gesundheitlich bedenkliche Höhen: Kürzlich brach eine Reiseführerin im Kolosseum in der Hitze zusammen und starb vor den Augen ihrer Reisegruppe. Mehr als 1500 Hitzetote gibt es mittlerweile in allen südeuropäischen Ländern zusammen.
Dazu kommen die Waldbrände, die, angefacht durch Hitze und Dürren, dieses Jahr erneut Landschaften in Schutt und Asche legen und Dörfer, Städte und Touristenhotspots bedrohen. Wie konnte es so weit kommen?
Wer einmal Temperaturen über 40 Grad erlebt hat, überlegt sich, ob er so seinen Jahresurlaub verbringen möchte
Jahrzehnte lang war die Wärme in Südeuropa ein sommerliches Vergnügen und lockte jährlich hunderte Millionen Touristen an. Doch spätestens seit den verheerenden Bränden im Jahr 2023 gerät die Sommersaison am Mittelmeer zum Albtraum. Der europäische Kontinent erhitzt sich durch den Klimawandel wie kein zweiter. In Südeuropa verlieren jedes Jahr Menschen ihre Häuser und Wohnungen durch die Waldbrände und zusätzlich ihre Einnahmen durch die fortbleibenden Touristen, denn die Waldbrände verwüsten Urlaubsparadiese und die zunehmende Hitze macht selbst das Sonnenbaden lebensgefährlich.
"Wer einmal Temperaturen über 40 Grad erlebt hat, überlegt sich, ob er so seinen Jahresurlaub verbringen möchte", sagt Harald Zeiss dem stern. Er forscht an der Hochschule Harz unter anderem zum nachhaltigen Tourismus. Aber auch die Frage, wie die globale Erderwärmung Reisegewohnheiten verändert, treibt ihn um. Seit einigen Jahren beobachten er und andere Tourismusforscher, dass die Reiselust in Europa abnimmtund das nicht nur wegen Corona, Inflation und steigender Energiepreise.
Zerstört der Klimawandel Südeuropa, wie es Ex-Gesundheitsminister Karl Lauterbach vor zwei Jahren vermutete?
Klimawandel verschiebt Tourismus nach Nordeuropa
Aus wirtschaftlicher Sicht sind die steigenden Temperaturen für Südeuropa ein Desaster. Der Sommertourismus ist dort eine der Haupteinnahmequellen. In Spanien macht er gut zwölf Prozent am Bruttoinlandsprodukt aus, in Griechenland 13 und in Portugal sogar 21 Prozent. Doch je stärker die Länder vom Klimawandel betroffen sind, desto stärker sinken ihre Einnahmen. Je nach Schätzung könnten diese für einige Länder Südeuropas künftig ganz wegbrechen.
Wann kann ich meine Reise in Hitzeregionen stornieren?
- Extreme Hitze ist nur dann ein Grund für eine kostenlose Stornierung, wenn die Temperaturen am Reiseziel unerwartet lebensgefährlich stark ansteigen und Behörden oder Ärzte entsprechende Warnungen herausgeben, erklärt Reiserechtler Oliver Matzek-Wieben.
- Anders verhält es sich bei Naturkatastrophen wie Waldbränden oder Überschwemmungen. "Wichtig ist, dass entweder der Anfahrtsweg oder die Urlaubsregion konkret betroffen sind" – also wenn Hotelanlagen wegen Bränden, Lawinen, Überschwemmungen oder Felsstürzen nicht mehr zugänglich seien. Wüten Waldbrände mehrere hundert Kilometer entfernt von der gebuchten Hotelanlage, kann die Reise wie geplant stattfinden.
- Bei privat organisierten Reisen müssen Touristen beachten, dass sie möglicherweise nur einen Teil ihrer Kosten zurückbekommen, je nachdem, ob die Anreise oder die Unterkunft von einer Naturkatastrophe betroffen ist.
- In jedem Fall raten die Reiserechtler dazu, sich rechtzeitig beim Auswärtigen Amt und über die Medien über die aktuelle Lage am Reiseziel zu informieren. Stornieren sollte man seine Reise so früh wie nötig und so spät wie möglich. Konkrete Fristen gibt es nicht, Reiserechtler Matzek-Wieben hält eine Stornierung ab einer Woche bis wenige Tage vor Reisebeginn für realistisch. Waldbrände könnten je nach Ausmaß zum Reiseantritt schon wieder gelöscht sein.
Ähnliches zeigen Prognosen einer europäischen Untersuchung aus dem Jahr 2023. Darin hat ein Forscherteam berechnet, wie stark sich ein Temperaturanstieg von 1,5 bis vier Grad auf die Touristenregionen in Europa auswirken würde. Ganz gleich in welchem Szenario, der Süden, so das Ergebnis der Berechnungen, wird langfristig Touristen verlieren. Wie hoch das Ausmaß sein wird, hängt davon ab, um wie viel Grad sich die Erde in den kommenden Jahren weiter erhitzt. Doch es gibt auch Gewinner: In Skandinavien könnte die Nachfrage verglichen mit 2019 um knapp 16 Prozent steigen. "Hitze mindert den Komfort, Waldbrände schrecken durch dramatische Bilder ab, auch wenn sie oft nur kleine Gebiete betreffen und häufig gar keine Urlauber", sagt Zeiss, der selbst nicht an der Studie beteiligt war.
Schon jetzt tauschen manche Reisende ihren Mittelmeer-Trip gegen einen Wanderurlaub in Großbritannien ein. "Coolcation" heißt der Trend, den Tourismusforscher schon länger beobachten und mit dem unter anderem Schweden um Besucher wirbt. Statt zum Strandurlaub in Südeuropa zieht es immer mehr Menschen im Hochsommer nach Mittel- und Nordeuropa. Das gilt vor allem für ältere Menschen, Aktivurlauber oder Familien mit kleinen Kindern, die extreme Temperaturen nicht so gut aushalten können.
"Der Klimawandel wird zu einem der wichtigsten Rahmenfaktoren", bestätigt Zeiss, betont aber, dass Länder wie Spanien, Italien und Griechenland nicht komplett auf Urlaubsgäste verzichten müssen: "Mittelmeerurlaub gibt es weiterhin reichlich, nur rutscht er oft ins Frühjahr oder in den Herbst." Das zeigt auch die europäische Studie: Demnach erwarten die Forscher den stärksten Reiserückgang im Juli, während sich der April künftig zum Monat mit dem höchsten Tourismusaufkommen entwickeln dürfte.
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