Wall Street im Bann der Zinsen
Wie zuvor in Europa starrten die US-Anleger gebannt in Richtung Notenbankchef Powell. Erwartet wird dabei nicht weniger als die Ankündigung der Zinswende. Bis dahin steht die Wall Street still.
Den Investoren an der Wall Street bot sich heute ein ähnliches Bild wie bereits in den vergangenen Handelstagen. In Erwartung weiterer Hinweise auf die Geldpolitik der Notenbank Fed haben sich diese mit neuen Engagements zurückgehalten. Am Ende überwogen knapp die Verkaufsaufträge und sorgten für nachgebende Kurse an allen großen US-Aktienindizes. Die Verluste hielten sich allerdings in Grenzen.
Der Leitindex Dow Jones gab 0,34 Prozent nach auf 44.785 Zähler, der marktbreite S&P 500 sank um 0,4 Prozent. An der Nasdaq gaben die Kurse ebenfalls 0,34 Prozent, beim Auswahlindex Nasdaq 100 um 0,46 Prozent nach.
Zinsen und kein Ende
Der künftige Zinskurs der Notenbank ist schon seit Tagen das unbestrittene Hauptthema an der New Yorker Börse. Das Notenbanker-Treffen in Jackson Hole im US-Bundesstaat Wyoming wäre eine gute Gelegenheit für die Fed, eine Zinssenkung anzudeuten, sagte Timothy Graf, Chef-Anlagestratege des Vermögensberaters State Street.
"Aber ich kann mir auch vorstellen, dass sie sagen: Wir kennen die vollständigen Auswirkungen der Zölle noch nicht, und der Inflationsdruck ist noch nicht ganz aus der Wirtschaft verschwunden, sodass wir etwas zurückhaltender sein sollten."
Bankchef Powell dürfe die Erwartungen nicht enttäuschen, meint Michael Heise, Chefökonom des Vermögensverwalters HQ Trust. Für 2025 würden wohl weiterhin mehrheitlich zwei kleine Zinsschritte erwartet. Wichtig für die Reaktion der Aktienmärkte sei indes, "ob die Mitglieder des Offenmarktausschusses ihre Zinserwartungen für 2026 nach unten nehmen und wenn ja, wie stark".
Uneinheitliche Konjunkturdaten
Eine ganze Reihe neuer Konjunkturdaten fielen uneinheitlich aus. So stieg die wöchentliche Zahl der Erstanträge auf Arbeitslosenunterstützung in den USA deutlich um 11.000 auf 235.000. Erwartet worden war ein Wert von 225.000 Anträgen.
Die Daten sind ein weiteres Anzeichen für eine Abschwächung des Arbeitsmarktes und könnten auf zunehmende Entlassungen hindeuten. Als Grund gilt die protektionistische Handelspolitik von Präsident Donald Trump, der hohe Importzölle gegen Dutzende Handelspartner verhängt hat.
Noch deutlicher verfehlte der Philly-Fed-Index, ein Konjunkturindikator für den Großraum Philadelphia, die Erwartungen. Der auch an der Börse beachtete Index (ähnlich wie der Empire-State-Index für den Großraum New York) fiel für den August um 0,3 Punkte, erwartet worden war ein Anstieg von 6,5 Punkten.
Im Gefolge fielen die S&P-Einkaufsmanagerdaten für die Industrie und die Dienstleister für den August allerdings besser aus als erwartet. Für die Industrie sprang der Index in einer ersten Schätzung mit 53,3 Punkten sogar in die Wachstumszone, erwartet worden war mit 49,7 Punkten nach 49,8 Punkten für den Juli ein Wert knapp unter der 50-Punkte-Schwelle. Die Dienstleister lagen bei 55,4 Punkten ebenfalls über den Erwartungen von 54,2 Zählern.
"Das deutet darauf hin, dass die US-Unternehmen bisher ein starkes drittes Quartal verzeichnet haben", sagte der Chefvolkswirt von S&P Global Market Intelligence, Chris Williamson. Die Daten signalisierten ein auf das Jahr hochgerechnetes Wirtschaftswachstum von 2,5 Prozent - das wäre fast doppelt so viel wie im ersten Halbjahr mit 1,3 Prozent.
Fed-Banker dämpft Zinseuphorie
Der Präsident des US-Notenbank-Ablegers von Kansas City, Jeffrey Schmid, sieht derweil keinen Zwang zur raschen Zinssenkung. Die Inflation liege weiter über dem Zwei-Prozent-Ziel der Notenbank und der Arbeitsmarkt sei in einer soliden Verfassung, sagte Schmid heute dem Sender CNBC.
"Wir befinden uns in einer sehr guten Ausgangslage und brauchen eine wirklich eindeutige Datenlage, um die Geldpolitik zum jetzigen Zeitpunkt zu ändern." Schmid ist in diesem Jahr stimmberechtigtes Mitglied im Offenmarktausschuss der Fed, der über die Zinsen entscheidet.
Zwar seien die jüngsten US-Arbeitsmarktdaten schwächer ausgefallen, sagte Schmid. Dennoch spüre er Optimismus bei seinen Kontakten in der Geschäftswelt. Er glaube nicht, dass das aktuelle Leitzinsniveau viel dazu beiträgt, die Wirtschaft zu dämpfen. "Ich weiß nicht genau, was wir einschränken," sagte er.
Seit Trumps Amtsantritt hat die Zentralbank Federal Reserve (Fed) den Leitzins in der Spanne zwischen 4,25 und 4,5 Prozent belassen. Sie begründet dies mit den "Unsicherheiten" durch die Zollpolitik des Präsidenten.
Walmart mit gemischten Daten - Zolldruck steigt
Aktien des Einzelhandelsriesen Walmart aus dem Dow Jones gaben 4,49 Prozent nach. Das Unternehmen lag mit 0,68 Dollar beim Gewinn je Aktie im zweiten Quartal erstmals seit drei Jahren unter Konsens. Da half es auch nicht, dass die Umsatz- und Gewinnprognose für das Gesamtjahr angehoben wurde.
Beim Auffüllen der Lagerbestände erhöhten sich die Kosten für Walmart "jede Woche", sagte Konzernchef Doug McMillon in einer Telefonkonferenz nach Vorlage von Quartalszahlen. Er rechne damit, dass es auch im laufenden Vierteljahr und dem Schlussquartal des Jahres so weitergehen werde.
Für einige Waren habe Walmart die höheren Zollkosten noch auf die eigene Kappe genommen, sagte der Finanzchef. Im vergangenen Quartal seien die Preise bei Walmart in den USA im Schnitt ein Prozent höher als vor einem Jahr gewesen, hieß es. Die Supermärkte des Einzelhandelsriesen seien der Ort, an dem viele Amerikaner Preissteigerungen als Folge der Zölle zu spüren bekämen.
Ein starker Wachstumstreiber war das Online-Geschäft, dessen weltweite Umsätze im Quartal um 25 Prozent zulegten. Die Prognose für den Umsatz im dritten Quartal lag mit 168 Milliarden Dollar jedoch unter den Schätzungen der Wall Street von 176,33 Milliarden Dollar.
DAX bewegt sich kaum
Der DAX hat heute im Verlauf mehrfach das Vorzeichen gewechselt und ist letztlich kaum verändert nahe Tageshoch aus dem Handel gegangen. Die überschaubare Handelsspanne lag zwischen 24.179 und 24.306 Punkten. Gestern hatte der deutsche Leitindex 0,6 Prozent auf 24.276 Punkte eingebüßt. Der Schlussstand heute lag bei 24.293 Punkten, ein Mini-Plus von 0,07 Prozent. Der MDAX der mittelgroßen Werte verlor hingegen deutlicher 0,65 Prozent auf 30.677 Zähler.
Damit setzte der mehr international ausgerichtete Leitindex DAX seine jüngste Seitwärtsbewegung fort, die etwa zwischen der runden Unterstützungsmarke bei 24.000 Punkten am unteren Ende sowie dem Allzeithoch bei 24.639 aus dem Juli liegt. Dabei bleibt die Marke von 24.500 Punkten bedeutsam. Sollte der DAX diese überspringen, stünde der Weg zum Allzeithoch bei 24.639 Punkten offen. Eine wichtige Unterstützungslinie sehen die Charttechniker von HSBC beim Durchschnitt der letzten 50 Tage, der aktuell bei 23.975 Punkten liege.
Fokus auf US-Zinsen - was kommt 2026?
Den Investoren fehlten die Kaufanreize, sagte Börsenfachmann Andreas Lipkow. Dies besonders vor der mit großer Spannung erwarteten Rede von US-Notenbankchef Jerome Powell am Freitag auf dem Notenbankertreffen in Jackson Hole im US-Bundesstaat Wyoming, das heute beginnt.
Der Markt rechnet derzeit mehrheitlich mit Hinweisen auf einen Zinsschritt von 25 Basispunkten im September und weiteren 25 Basispunkten bis zum Jahresende. Zunehmend werden aber auch Fragen gestellt, ob sich die US-Zinswende im Gefolge verfestigen wird, also weitere Senkungen zu erwarten sind. Dies auch vor dem Hintergrund, dass die Amtszeit von Fed-Chef Powell 2026 endet und ein Trump-genehmer Nachfolger wohl ungeachtet der Unsicherheiten um die Zoll- und Inflationsentwicklung den Zinsabstieg vorantreiben dürfte.
"Jackson Hole wird zur Bewährungsprobe für den Bullenmarkt", schrieb der Kapitalmarktstratege Jürgen Molnar vom Broker RoboMarkets mit Blick auf die bevorstehende Veranstaltung. Blieben morgen in der Rede von Fed-Chef Jerome Powell die Hinweise darauf aus, dürfte der Aktienmarkt entsprechend unter Druck geraten, warnte der Experte.
Auch der Friedensprozess um die Ukraine erweist sich einmal mehr als zähes Ringen der Beteiligten. Eine gemeinsame Erklärung der EU und USA zum Handelsabkommen, aus der unter anderem hervorgeht, dass US-Zölle auf Autoimporte rückwirkend gesenkt werden könnten, lockte die Anleger nur kurz aus der Reserve. Selbst im Autosektor hielt man sich schnell wieder zurück.
Überwiegend rote Pfeile
Unter den Einzelwerten im DAX gingen Gewinne und Verluste quer durch alle Branchen. Lediglich die Entwicklung der Rüstungsaktien ist derzeit relativ sicher mit der Entwicklung in der Ukraine verknüpft. Rheinmetall führten den DAX an und gewannen rund 3,3 Prozent. Ansonsten notiert die große Mehrheit der 40 DAX-Mitglieder im Minus. Deutsche Post und Beiersdorf standen am DAX-Ende. Beiersdorf schadete eine düstere Umsatzprognose des US-Wettbewerbers Coty. Dessen Aktie bricht an der Wall Street um rund ein Fünftel drastisch ein.
Euro fällt zurück
Der Euro hat sich im späten US-Handel nur wenig bewegt. Die europäische Gemeinschaftswährung, die bereits zum Börsenauftakt an der Wall Street nachgegeben hatte, kostete zuletzt 1,1604 Dollar. Am Mittag waren es noch 1,1663 Dollar gewesen. Die Europäische Zentralbank setzte den Referenzkurs auf 1,1639 (Mittwoch: 1,1651) Dollar fest.
Am Nachmittag stützten überraschend gute Daten aus der US-Industrie den Greenback. Hinzu kamen überraschend gute Daten vom US-Immobilienmarkt.
In der Eurozone trübte sich das Konsumklima hingegen unerwartet ein. Der Indikator für das Konsumklima fiel laut EU-Kommission um 0,8 Punkte auf minus 15,5 Punkte. Analysten hatten im Schnitt einen unveränderten Wert von minus 14,7 Punkten erwartet.
Euro-Wirtschaft auf Wachstumskurs
Der europäische Einkaufsmanagerindex für Industrie und Dienstleister zusammen stieg hingegen um 0,2 auf 51,1 Punkte, wie der Finanzdienstleister S&P Global heute bereits am Vormittag zu seiner monatlichen Unternehmensumfrage mitteilte. Das ist der beste Wert seit Mai 2024.
"Offensichtlich kommen die Unternehmen der Eurozone trotz der widrigen Umstände im Zusammenhang mit den US-Zöllen und der allgemeinen Unsicherheit relativ gut zurecht", sagte der Chefvolkswirt des Umfragesponsors Hamburg Commercial Bank (HCOB), Cyrus de la Rubia.
CTS Eventim brechen ein
Beim Ticketvermarkter und Konzertveranstalter CTS Eventim läuft das Geschäft nach einem starken Jahresstart unerwartet schwach. Rückläufige Einnahmen aus eigenen Konzerten und die teure Integration erworbener Unternehmen ließen den Gewinn im zweiten Quartal um fast ein Viertel schmelzen. Zwar legten die Ticketverkäufe zu, und Vorstandschef Klaus-Peter Schulenberg hält "aktuell" an seinen Jahreszielen fest. Doch er verweist auf eine schwierige gesamtwirtschaftliche Entwicklung.
An der Börse kamen die Neuigkeiten sehr schlecht an. Die CTS-Aktie brach um knapp 17 Prozent ein und war damit schwächster MDAX-Wert. Auch nachbörslich gab es keine Erholung.
Gewinnwarnung von Südzucker
Europas größter Zuckerkonzern Südzucker nimmt die Umsatz- und Gewinnerwartungen für das laufende Geschäftsjahr deutlich zurück. Der Umsatz werde 2025/26 (per Ende Februar) auf 8,3 bis 8,7 (Vorjahr: 9,7) Milliarden Euro zurückgehen, teilte das Unternehmen am Abend in Mannheim mit. Bisher hatte Südzucker 8,7 bis 9,2 Milliarden in Aussicht gestellt.
Auch das operative Ergebnis (Ebitda) werde stärker einbrechen als gedacht - um bis zu 35 Prozent auf 470 bis 570 (723) Millionen Euro. In der dominierenden Zuckersparte seien die Weltmarktpreise weiter niedrig, auf dem EU-Markt stiegen die Preise zwar, aber nicht so stark wie erhofft, begründete Südzucker die Korrektur. Auch die anderen Sparten könnten das nicht ausgleichen.
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