Der große Betrug bei der Rente
Schon bei der Nachricht zum Rentenpaket musste ich diese Woche tief durchatmen. Doch bei der Berichterstattung darüber ist mir endgültig der Kragen geplatzt. Die Regierung hat ein Gesetzespaket verabschiedet. Es kostet viele Milliarden Euro und wird uns so verkauft, als stabilisiere es das notleidende gesetzliche Rentensystem – weil es an der sogenannten Haltelinie festhält, also am jetzigen Rentenniveau. "Die Rente bleibt stabil und gerecht", behauptet Arbeitsministerin Bärbel Bas (SPD). Tatsächlich ist das System zurzeit weder stabil noch gerecht. Und das Rentenpaket macht alles nur noch schlimmer.
Dass man dieses Gesetz als "Sicherung" der Rente verkaufen kann, zeigt, dass die allermeisten Menschen nicht wissen, was die Haltelinie überhaupt bedeutet. Geschweige denn, dass es gleich zwei davon gibt. Kaum jemand kann außerdem wohl aus dem Stand erklären, wie sich das Rentenniveau definiert. Das ist auch kein Wunder, denn die Formeln zur Berechnung von Rentenhöhen, Steigerungen und Ausgleichsfaktoren sind so kompliziert, dass man wirklich Wirtschaftsweise sein muss, um sie zu kapieren. Genau deswegen verkauft uns die Politik seit Jahren für dumm, auch jetzt wieder, wenn die zuständige Ministerin sagt: "Wir opfern nicht die Generationengerechtigkeit." Das muss wie Hohn auf alle wirken, die noch keine Rentner sind – denn genau sie müssen das Rentenpaket bezahlen. Und nur sie.
Was ist die Haltelinie bei der Rente?
Die Haltelinie bedeutet nämlich: Die Beiträge vom Lohn zur Rentenkasse müssen steigen. Aus heute schon 18,6 Prozent Abzügen werden bis 2035 mehr als 22 Prozent. Das klingt zwar nicht dramatisch, heißt aber: Ein Durchschnittsverdienerhaushalt zahlt demnächst jedes Jahr den Gegenwert von zwei Monatsmieten zusätzlich in die Rente ein, so berechnete es das Wirtschaftsforschungsinstitut Ifo.

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capitalTrotzdem muss der Staat künftig noch mehr Steuergelder in die Rentenkasse buttern. Schon jetzt gibt er rund 29 Prozent des gesamten Bundeshaushalts dafür aus, bald werden es 35 Prozent sein. Wovon soll er dann noch all die anderen Zukunftsausgaben bezahlen, für Gesundheit, Bildung, Straßen, Schienen oder Digitalisierung?
Jüngere tragen bereits Dreiviertel der Renten-Last
Aktuell tragen jüngere Arbeitnehmer rund Dreiviertel der "Demographielast" bei der Rente, beziffert das Ifo. Denn immer weniger Junge müssen die Renten von immer mehr Rentnern zahlen. Das jetzige Rentenpaket verschiebt die Belastung noch weiter auf die Jüngeren. Dabei sollte der Nachhaltigkeitsfaktor genau das seit 2004 eigentlich verhindern. Er regelt, dass die Rentensteigerungen kleiner ausfallen, wenn es weniger Einzahler gibt. Die letzten Regierungen haben ihn außer Kraft gesetzt, genauso wie die Haltelinie.
Um es klar zu sagen: Würden wir die Haltelinie opfern, hieße das nicht, dass die Renten sänken – im Gegenteil. Für alle jetzigen Rentner sind Kürzungen ohnehin rechtlich ausgeschlossen. Es hieße lediglich, dass künftige Rentenerhöhungen moderater ausfielen als bisher. Dennoch würden die gesetzlichen Altersbezüge weiter jährlich steigen, sowohl nominal als auch real. Also sogar nach Abzug der Inflation. Allein seit 2020 stiegen die Renten um 19 Prozent.

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capitalDie Regierung opfert also wirklich nicht die Generationengerechtigkeit, weil es die schon länger nicht mehr gibt. Stattdessen befeuert sie den Generationenkonflikt sogar.
Parteien und ihre teure Klientelpolitik
Nur dringen diese Fakten nicht durch, vor allem nicht zur SPD, die sich stur an die Haltelinie klammert, obwohl die Milliarden Euro kostet und im Bundeshaushalt schon ein dreistelliges Milliardenloch klafft; genauso wenig zur CSU, die mit der Ausweitung der Mütterrente noch einen Kostenblock obendrauf setzt. Noch immer spielen die Parteien ein teures "Wünsch-Dir-was"-Rentenkonzert, um ihre Klientelwähler zu besänftigen: die knapp 20 Millionen Rentner. Stattdessen soll 2026 eine Reformkommission eingesetzt werden, um Vorschläge zu erarbeiten. Veröffentlicht werden sie, wenn die jetzige Regierung abtritt. Exakt diese Kommission gibt es aber schon seit 2018, sie legte längst gute Reformideen vor. Doch jede Regierung hat diese seitdem ignoriert.
Deswegen erklärt jetzt noch einmal das Ifo-Institut, völlig im Einklang mit den Wirtschaftsweisen und ökonomischen Sachverständigen, was zu tun wäre: "Die Minimallösung" wäre ein Verzicht auf die Haltelinien. Außerdem gehöre die sogenannte Rente mit 63 abgeschafft. Drittens müsste das Renteneintrittsalter ans steigende Lebensalter gekoppelt werden. Für die Jahrgänge, die nach 2031 in Rente gehen, hieße das: Alle zehn Jahre müssten Beschäftigte etwa acht Monate länger arbeiten, um ohne Abschläge in Rente zu gehen. Ist das wirklich so viel verlangt?
Riester-Rente, Altersvorsorgedepot: überall scheitern Reformen
Schon damit ließe sich das System stabilisieren und die Jüngeren müssten nicht noch mehr vom Lohn abgeben. Die größere Lösung wäre: Die Bestandsrenten würden künftig nicht mehr parallel zu den Löhnen erhöht, sondern nur noch im Gleichschritt mit der Inflation. Zudem würde der Nachhaltigkeitsfaktor wieder dafür sorgen, dass sich die Rentensteigerungen an der Zahl der Einzahler orientieren.

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Doch die Koalition schafft nicht einmal die Minimallösung, sondern beschließt im Gegenteil zusätzliche Ausgaben. Sie hat den Ernst der Lage nicht begriffen. Für Herbst verspricht sie vollmundig die Frühstartrente für Kinder – bringt aber für 50 Millionen Erwachsene noch immer keine lukrative Vorsorge zustande. Das fertige Konzept fürs Altersvorsorgedepot liegt vor, wird aber nicht umgesetzt. Und die Reform der Riester-Rente scheitert seit Jahren am Widerstand der Versicherungsbranche. Das jetzige Rentenpaket ist ganz sicher eines: die totale Ignoranz gegenüber der arbeitenden Generation.
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