Bahnchef Lutz muss gehen
Marode Infrastruktur und chronische Unpünktlichkeit bei der Deutschen Bahn sorgen seit Langem für Kritik. Konzernchef Lutz muss den Staatskonzern nun vorzeitig verlassen. Verkehrsminister Schnieder zufolge ist die Entscheidung "einvernehmlich" erfolgt.
Bahnchef Richard Lutz muss vorzeitig gehen. "Es wird einen Wechsel an der Bahnspitze geben", sagte Bundesverkehrsminister Patrick Schnieder. Die Entscheidung über die vorläufige Auflösung des Vertrags von Lutz sei einvernehmlich mit Aufsichtsratschef Werner Gatzer gefallen, hieß es. Lutz werde weiterhin geschäftsführend zur Verfügung stehen, bis die Nachfolge geregelt sei, teilte die Bahn mit. Lutz Vertrag läuft eigentlich noch bis 2027.
Die Lage bei der Bahn sei dramatisch, sagte Schnieder. Für den 22. September kündigte er die Verkündung der neuen Strategie der Bundesregierung an, um die Probleme auf der Schiene - marode Infrastruktur, hohe Unpünktlichkeit - schnell wieder in den Griff zu bekommen. "Idealerweise können wir mit der Strategie im September den oder auch die neue Vorstandsvorsitzende präsentieren", sagte Schnieder. Der Aufsichtsratsvorsitzende werde jetzt das Auswahlverfahren für eine Neuaufstellung starten und dann die entsprechenden Beschlüsse für das Kontrollgremium vorbereiten.
Schnieder hat nach eigener Aussage heute mit Lutz gesprochen. Anders, als Medien zuvor berichtet hatten, will er Lutz bei diesem Gespräch nicht über seine Entlassung informiert haben. "Wir haben heute nicht über eine Entlassung gesprochen", so Schnieder.
Die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft EVG warnte indes vor einem Führungsvakuum im Konzern. Mit Blick auf die dramatische Lage bei der Bahn und die anstehenden Sanierungsmaßnahmen "verbietet sich ein Führungsvakuum", sagte EVG-Chef Martin Burkert.
Große Krise bei der Bahn
Bahnchef Lutz ist seit Monaten angezählt - zu groß ist die wirtschaftliche und betriebliche Krise, in der die Bahn seit Jahren steckt. Unter der Führung von Lutz schlitterte die Bahn von einer Negativ-Schlagzeile zur nächsten, immer wieder forderten politische Entscheidungsträger auch die Zerschlagung des Konzerns. Zuletzt sorgte vor allem die marode und kaputt gefahrene Infrastruktur für große Probleme. Die Pünktlichkeit im Fernverkehr stürzte von 78,5 Prozent im Jahr 2017 auf 62,5 Prozent im vergangenen Jahr ab.
Deutliche Verbesserungen sind bislang nicht in Sicht. Auch wirtschaftlich ist die Bahn in Schieflage - seit Jahren schreibt der bundeseigene Konzern rote Zahlen. Die neue Bundesregierung hat in ihrem Koalitionsvertrag eine Neuaufstellung des Aufsichtsrats und des Bahn-Vorstands angekündigt, "mit dem Ziel, mehr Fachkompetenz abzubilden und eine Verschlankung zu erreichen". Diese Neuaufstellung hat nun offensichtlich begonnen.
Schlechte Bilanz als Bahnchef
Lutz leitet den bundeseigenen Konzern seit Anfang 2017. Davor war er von 2010 bis 2017 Finanzvorstand der DB. Im Konzern arbeitet der 61 Jahre alte Pfälzer seit 1994, er kennt das Unternehmen und die Branche besser als viele andere. Das hat ihm jetzt aber nicht mehr geholfen.
Lutz wird nachgesagt, ein disziplinierter Arbeiter zu sein. Seine Arbeitstage beginnen in der Regel bereits um 4.00 Uhr morgens und dauern bis in den späten Abend. Auch am Wochenende machte er selten frei. Bis zuletzt betonte er seine Leidenschaft für den Job und die Verbindung zum Unternehmen. Solange man ihn lasse, sei er mit Freude dabei, hieß es stets.
Um die Probleme grundlegend anzugehen, legte Lutz 2024 ein Sanierungskonzept auf, mit dem in drei Jahren die Infrastruktur, der Bahnbetrieb und die Wirtschaftlichkeit der Bahn verbessert werden soll. Unter anderem sollen Tausende Stellen eingespart werden. Das Ende des Programms im Jahr 2027 darf Lutz jetzt nur von außen beobachten.
Die Infrastruktur soll vor allem mit rund 40 Generalsanierungen auf besonders wichtigen Strecken wieder fit gemacht werden. Derzeit wird auf der Strecke Hamburg-Berlin gebaut. Das Konzept sieht stets eine Vollsperrung der Strecke für mehrere Monate vor, um in dieser Zeit möglichst grundlegend sanieren zu können. Danach sollen es auf den Strecken deutlich weniger Störungen und über mehrere Jahre keine weiteren Baustellen geben.
Zu wenige Investitionen
Für die Misere ist Lutz - natürlich - nicht allein verantwortlich. Auch seine Vorgänger agierten im Zusammenspiel mit den jeweiligen Verkehrsministern nur wenig erfolgreich. Die Probleme mit der Infrastruktur liegen auch daran, dass über Jahrzehnte zu wenig in Sanierung und Instandhaltung investiert wurde - vom Neu- und Ausbau ganz zu schweigen.
Mit Ex-Verkehrsminister Volker Wissing von der FDP und der Ampel-Regierung schien Lutz ein gutes Verhältnis aufgebaut zu haben, beim Generalsanierungsprogramm für die Infrastruktur zogen beide am gleichen Strang. Gleich nach dem Regierungswechsel begannen dagegen die Spekulationen, dass Lutz unter dem neuen Verkehrsminister Schnieder wohl nicht mehr lange Bahnchef bleiben wird.
Der Manager ging zunehmend auf Konfrontationskurs. Trotz zusätzlicher Milliarden-Zusagen vom Bund warnte er davor, dass die Mittel nicht reichten, um die Bahn wirklich zukunftsfest zu machen. Zudem verwies er auf die mangelnde Förderung zum Ausgleich von Trassenpreisen, einer Art Schienenmaut. Wenn der Bund diese nicht erhöhe, müsse die Bahn auch über eine Reduzierung des Angebots im Fernverkehr nachdenken. Kritiker sahen darin eine Drohung.
Frage nach Nachfolger offen
Minister Schnieder kündigte für den Spätsommer eine Strategie an, wie es bei der DB weitergehen soll. "Der Ausgangspunkt ist, dass wir uns genau anschauen müssen: Wo soll die Bahn in ein paar Jahren stehen? Wie kommen wir dahin, dass wir die Ziele umsetzen, die wir der Bahn und uns selbst geben?", sagte Schnieder vor einigen Wochen. Eigentlich wollte sich der CDU-Politiker erst nach der Strategie mit Personalfragen beschäftigen. "Der Trainer ist weg und alles wird gut - das halte ich für verkürzt", sagte Schnieder damals. Nun muss der Trainer dennoch gehen.
Noch offen ist, wer Lutz nachfolgen wird. Schickt Schnieder einen Politiker in den Bahntower am Potsdamer Platz in Berlin? Oder wird der Nachfolger in den Reihen des Konzerns gefunden? In den vergangenen Monaten wurde bereits über zahlreiche Kandidaten spekuliert, darunter etwa der kurzzeitige Finanzminister Jörg Kukies und DB-Regio-Chefin Evelyn Palla.
Fahrgäste, die sich mit dem Weggang von Lutz eine kurzfristige Verbesserung der betrieblichen Lage erhoffen, dürften enttäuscht werden. Selbst Kritiker des Bahn-Managements räumen ein, dass die Probleme tiefgreifender sind und befürworten im Grundsatz den auf mehr als ein Jahrzehnt angelegten Sanierungskurs bei der Infrastruktur.
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