Die neue Bundesregierung erklärt die Stärkung der deutschen Wirtschaft zu ihrer Toppriorität. Die Wirtschaftsweise Veronika Grimm kann davon bisher nichts erkennen: "Man hat das Gefühl, dass die Orientierung noch nicht da ist."

Drei Monate nach dem Start der schwarz-roten Bundesregierung sieht die Wirtschaftsweise Veronika Grimm wenige Fortschritte bei der deutschen Wettbewerbsfähigkeit. Die Regierung von Kanzler Friedrich Merz habe "bisher nicht geliefert", sagt die Nürnberger Ökonomin den Zeitungen der Funke Mediengruppe. "Deutschland muss endlich seine Hausaufgaben machen, tiefgreifende Reformen anpacken." Stattdessen werde Geld verteilt, etwa bei der Rente. "Schwarz-Rot senkt die Gaspreise, aber nicht die Stromsteuer für alle. Man hat das Gefühl, dass die Orientierung nicht da ist."

Auf Nachfrage, ob die ersten 100 Tage verlorene Tage gewesen sind, konstatiert Grimm: "Das kann man so sehen."

Grimm drängt die schwarz-rote Koalition zu Steuersenkungen, speziell für Unternehmen. "Aber es werden so viele Wahlgeschenke verteilt, dass jetzt riesige Haushaltslöcher klaffen und eher über Steuererhöhungen geredet wird." Ihr zufolge entfernt sich Deutschland unter Schwarz-Rot "immer weiter von der Wettbewerbsfähigkeit".

Auch beim Bürokratieabbau am Arbeits- und Wohnungsmarkt, beim Klimaschutz und beim Datenschutz sieht Grimm keine Fortschritte. Die Wirtschaftsweise kritisiert, dass stattdessen mit der Verlängerung der Mietpreisbremse oder dem Tariftreuegesetz sogar neue Regulierung eingeführt wird: "Deutsche Unternehmen werden von einem wahren Regulierungsdickicht ausgebremst. So kann keine Wachstumsdynamik einsetzen."

"Erarbeitung von Scheinlösungen"

Lob hält die Grimm lediglich für den Vorschlag von Wirtschaftsministerin Katherina Reiche bereit, mehr und länger zu arbeiten: "Man müsste das Renteneintrittsalter an die längere Lebenserwartung anpassen", sagt die Ökonomin. Das stärke die Rentenversicherung, "ohne dass wir die Rente mit 70 sofort haben". Wichtig sei außerdem, die Bestandsrente mit der Inflation steigen zu lassen statt mit den Löhnen.

Grimm warnt in dem Zusammenhang vor falschen Weichenstellungen. Die Tragfähigkeit der Rentenversicherung werde "nicht unbedingt durch mehr Zuwanderung verbessert", sagt sie. "Zuwanderer erwerben ja auch Rentenansprüche." Und wer Beamte in die Rentenversicherung integrieren wolle, löse das Problem ebenfalls nicht. Es bestehe die Gefahr, "dass man hochqualifizierte Mitarbeiter in den Ministerien mit der Erarbeitung von Scheinlösungen befasst".

Für dieses Jahr rechnet die Ökonomin aufgrund der aktuellen Entwicklung mit einer weiteren Abschwung der deutschen Wirtschaft. "Ich bin für 2025 nicht besonders optimistisch. Wenn es ungünstig läuft, rutscht Deutschland weiter in die Rezession. Die Unsicherheit ist groß, wir sehen noch nicht klar, wohin die Handelskonflikte führen werden." Offiziell hat der Sachverständigenrat für Wirtschaftsfragen für das laufende Jahr 0,0 und für das kommende 1,0 Prozent Wachstum prognostiziert.

Die schwarz-rote Bundesregierung hatte die Stärkung der deutschen Wirtschaft zu ihrem wichtigsten Thema erklärt: "Unsere oberste Priorität von Tag eins an ist es, die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit zu erhöhen", sagte SPD-Chef Lars Klingbeil kurz vor seiner Ernennung zum Finanzminister und Vizekanzler.

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