Wenig Revolution, eine Überraschung und ein peinlicher Fehler – OpenAI stellt GPT-5 vor
An mysteriösen Ankündigungen hatte es in den vergangenen Tagen nicht gemangelt: Schon seit Wochen kursierte das Gerücht, dass das lange erwartete angeblich bahnbrechende neue Sprachmodell von OpenAI noch im August endlich veröffentlicht würde. Sogar OpenAI-Chef Sam Altman sprach schon in diversen Interviews über seine Erfahrungen mit dem Modell – natürlich immer nur in Andeutungen: Er habe sich als Mensch „nutzlos“ gefühlt, nachdem er GPT-5, das neue Modell, benutzt habe, behauptet Altman im Podcast „This past Weekend“. Doch wann genau GPT-5 veröffentlicht werden sollte, blieb unklar.
Bis zur Nacht von Mittwoch auf Donnerstag, da twitterte der Account von OpenAI in Großbuchstaben: „LIVE5TREAM THURSDAY 10AM PT“ – an einen Tippfehler im Wort „Livestream“ glaubte da niemand mehr, in dem das „S“ durch eine „5“ ersetzt worden war. Am Donnerstag um 10 Uhr vormittags Ortszeit an der US-Pazifikküste sollte es also so weit sein.
Sollte es noch letzte Zweifel gegeben haben, dass man zumindest bei OpenAI selbst von einer epochalen Ankündigung ausging, räumte die Altman selbst per Tweet aus. Am frühen Donnerstagmorgen deutscher Zeit verbreitete er kommentarlos ein Bild: Im Vordergrund ist die Atmosphäre der Erde zu sehen, im Hintergrund geht statt dem Mond oder der Sonne ausgerechnet ein verschwommener „Todesstern“ aus „Star Wars“ auf. Das ließ Großes, vielleicht Düsteres, aber ganz sicher Weltbewegendes erwarten.
GPT-5, soviel war klar, sollte noch einmal eine Revolution der künstlichen Intelligenz (KI) werden. Kein Evolutionsschritt wie so viele davor in den vergangenen gut zweieinhalb Jahren seit der Veröffentlichung von ChatGPT im November 2022. Doch was dann folgte um 19 Uhr deutscher Zeit am Donnerstagabend, sah dann doch eher nach einer der typischen, etwas blutleeren Tech-Präsentationen der vergangenen Jahre aus. Das, was Altman und viele seiner OpenAI-Kollegen da gut 70 Minuten lang vorstellten, fühlte sich dann eben doch wie ein Evolutionsschritt an und nicht wie eine Revolution. Der von einigen erwartete „iPhone-Moment“, wie er Apple-Gründer Steve Jobs 2007 bei der Vorstellung des Smartphones gelang, war das jedenfalls nicht.
Peinlicher Fehler oder absichtliche Irreführung?
Zwar gab es durchaus einige bemerkenswerte Demonstrationen und sogar den einen oder anderen Überraschungsmoment. Doch nach einem technologischen Durchbruch sah all das nicht aus. Stattdessen unterlief OpenAI ausgerechnet bei den so wichtigen Grafiken, wie das neue Modell im Vergleich mit den alten abschneidet, ein peinlicher Fehler. Oder war es gar eine absichtliche Irreführung, die dann aber schnell aufflog?
Inzwischen gibt es zahllose Tests und Vergleiche, mit denen die Performance der verschiedenen KI-Modelle abgebildet werden soll. Und die Entwickler suchen sich natürlich stets die für sie vorteilhaften Varianten aus. Doch auf dem Schaubild, das OpenAI zeigte, stimmte offensichtlich etwas nicht. GPT-5 sollte deutlich besser abschneiden als seine Vorgänger-Modelle. Doch der Balken, der das symbolisieren sollte und für den Programmier-Test eine Erfolgsquote von 52,8 Prozent auswies, war fast doppelt so groß wie der Balken für das o3-Modell von OpenAI, obwohl das 69,1 Prozent erreicht hatte – also besser abgeschnitten hatte.
Das fiel einigen Zuschauern auf. „Dieser Screenshot vom GPT-5-Livestream muss zu den schlimmsten Chart-Verbrechen des Jahrhunderts gehören“, twitterte ein Nutzer. Noch während die Präsentation lief, versuchte OpenAI-Chef Altman den Faux-Pas einzufangen: „Wow ein Mega-Chart-Versagen von uns vorhin“, schrieb er auf X. „Wann GPT-6?!“, fragte er in Anspielung auf die längst geflügelten Frage, wann denn endlich GPT-5 veröffentlicht wird. Für korrekte Grafiken muss man offenbar auf die nächste Generation warten.
Immerhin räumt OpenAI mit dem Update beim eigenen Modell-Chaos auf. Längst konnten nur noch KI-Experten die verschiedenen Modelle mit Namen wie GPT-4.1 nano, o3-mini oder zuletzt gpt-oss-120b wirklich unterscheiden und wussten, für welchen Anwendungsfall welches Modell gerade am besten funktioniert.
Künftig soll es nur noch GPT-5 geben, das dem Nutzer die Entscheidung abnimmt, welches Modell für seine Anfrage die beste ist. Bei einfachen Aufgaben soll ChatGPT daher künftig automatisch auf ein einfacheres und damit schnelleres Modell zurückgreifen. Bei schweren Anforderungen läuft im Hintergrund hingegen ebenfalls automatisch ein sogenanntes Reasoning-Modell, das zwar länger braucht, die Aufgabe dann aber auch zuverlässiger lösen kann. Dabei wird nicht nur einfach Text generiert, sondern das Modell zerlegt die Aufgabe in Einzelschritte, prüft Ergebnisse – es denkt quasi nach.
Entsprechend gibt es Performance-Werte für GPT-5 mit und ohne „Denken“. In den kommenden Tagen wird sich zeigen, wie das Modell bei unabhängigen Tests tatsächlich abschneidet im Vergleich mit den Modellen anderer Anbieter wie Google Gemini, Claude von Anthropic oder Grok von Elon Musks xAI.
Musk zeigte sich während der Präsentation schon wenig begeistert von der Konkurrenz. „Enttäuschend“, schrieb der Tesla-Chef auf X. Das neueste Modell von xAI Grok 4 habe schon vor zwei Wochen besser abgeschnitten als GPT-5 bei seiner Präsentation. Außerdem werde man noch vor dem Ende des Jahres Grok 5 auf den Markt bringen.
Nun hätte alles andere als Kritik von Musk überrascht, den inzwischen eine erbitterte Fehde mit Altman verbindet und der OpenAI verklagt, das er einst mitgegründet hatte. Doch tatsächlich stellen die Demonstrationen von GPT-5 andere aktuelle Modelle von Wettbewerbern zumindest nicht offensichtlich in den Schatten.
OpenAI konzentrierte sich bei der Vorstellung von GPT-5 auffällig auf die Programmierfähigkeiten. Das hat zwei Gründe: Zum einen ist das bisher einer der Hauptanwendungsfälle für KI, einfache Programmierarbeiten werden zunehmend von KI-Modellen übernommen. Zum anderen gelten die Programmierfähigkeiten als Schlüssel, um die KI-Modelle weiter in Richtung einer Super-Intelligenz zu verbessern, indem die Modelle sich quasi selbst weiterentwickeln können und die eigenen Entwicklung so beschleunigen.
GPT-5 programmiert, testet und korrigiert Fehler
Tatsächlich demonstrierte OpenAI nicht nur, dass man mit GPT-5 ganze Anwendungen innerhalb von Minuten programmieren lassen kann, ohne selbst Programmierkenntnisse zu haben. GPT-5 konnte die Programme dann auch selbst testen, fand Fehler und verbesserte sie automatisch.
Doch das neue Modell kann nicht nur das Leben von Programmieren erleichtern. Überraschen konnte OpenAI mit der Ankündigung, dass man ChatGPT künftig einfach mit einem Gmail-Konto und dem Google Calender verbinden kann. So macht die KI den nächsten Schritt auf dem Weg zum persönlichen Assistenten, der den Nutzer an die überfällige E-Mail erinnern kann oder einen Plan für die Termine des Tages erstellt.
Überraschend ist diese Ankündigung vor allem, weil Google zu den Hauptkonkurrenten von OpenAI gehört und nun offenbar trotzdem den Zugriff auf die Nutzerdaten einer Mail- und Kalender-Anwendungen ermöglicht. Damit kann OpenAI einen wichtigen Nachteil im Wettbewerb um die Endkunden ausgleichen: Microsoft und Google können ihre KI-Modelle einfacher in die schon bestehenden Anwendungen wie Outlook oder eben Gmail integrieren.
Bei beiden Konzernen – Microsoft und Google – bedankte sich Altman am Abend bei X. Auch der Chiphersteller Nvidia, sowie die Rechenzentrumsbetreiber Oracle und Coreweave hätten GPT-5 erst möglich gemacht, schrieb er. Die Aktie von Microsoft, das an OpenAI beteiligt ist, verlor nach der Präsentation leicht um ein knappes Prozent an der Börse. Die Papiere von Google-Mutter Alphabet reagierten kaum. Der Markt scheint GPT-5 zumindest nicht für eine alles verändernde Revolution zu halten.
Laut dem OpenAI-Chef soll GPT-5 ein „signifikanter Schritt auf dem Weg zu AGI“ sein. Als AGI wird in der KI-Welt eine generelle Super-Intelligenz bezeichnet, die in allen Bereichen dem Menschen überlegen ist. Die Entwicklung einer solchen Super-Intelligenz ist das erklärte Ziel von OpenAI.
Altman erklärte die Entwicklungsstufen seiner KI-Modelle anhand von Schulabschlüssen: Während GPT-3 noch etwas der Intelligenz eines Highschool-Schülers entsprochen habe, der zwar ab und zu einen hellen Moment habe, aber auch oft nervig sei, habe GPT-4 schon etwas dem Niveau eines College-Studenten entsprochen. GPT-5 sei nun mit Doktoranden in verschiedenen Fachbereichen vergleichbar.
Wer GPT-5 nutze, habe „eine unglaubliche Superpower auf Abruf“, das Modell entspreche einem ganzen Team von Doktoranden verschiedener Fachrichtungen in der eigenen Hosentasche. Das Modell sei schneller und vor allem zuverlässiger als seine Vorgänger.
Auch Nutzer, die bislang nicht für ChatGPT bezahlen, sollen GPT-5 in der kostenlosen Version nutzen können – allerdings mit Limits. Sind die Grenzen erreicht, stellt das System automatisch auf eine gedrosselte Version GPT5-mini um. Nur wer mindestens 20 Dollar im Monat bezahlt, wird deutlich länger die gesamte Leistungsfähigkeit nutzen können. Unbegrenzt soll GPT-5 nur für Pro-Nutzer sein, die 200 Dollar pro Monat bezahlen.
Auch die Sprachversion soll noch schneller und besser funktionieren. Nutzer können ihre KI zudem weiter personalisieren, indem sie das Modell auch mal sarkastisch antworten lassen. Außerdem soll das Gedächtnis von GPT-5 mehr vergangene Unterhaltungen mit dem Chatbot abspeichern und darauf zurückgreifen können.
Revolutionär ist all das nicht und doch eine weitere Verbesserung bei der rasanten Entwicklung der Künstlichen Intelligenz. Dennoch dürften schon bald die Forderungen, die Altman bislang nur als Witz formuliert, lauter werden: Wann kommt GPT-6?
Dieser Artikel entstand in Zusammenarbeit mit „Business Insider Deutschland“.
Philipp Vetter ist Teamleiter im Wirtschaftskompetenzzentrum von WELT und BUSINESS INSIDER.
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