«Zweistaatenlösung hat an Realismus gewonnen»
Mehrere arabische Staaten haben den Terror der radikal-islamistischen Hamas kritisiert, darunter Saudi-Arabien, Ägypten und Katar. Gemeinsam mit europäischen Ländern haben sie ein Schreiben verfasst, in dem sie das Ende der Herrschaft der Hamas in Gaza fordern. Reinhard Schulze über die Auswirkungen dieses Schrittes.
SRF News: Was bedeutet es, wenn sich arabisch und europäische Staaten auf eine gemeinsame Haltung gegenüber der Hamas einigen?
Reinhard Schulze: Es ist ein bedeutender Schritt, weil der breiten arabischen Öffentlichkeit zum ersten Mal mitgeteilt wird, dass sich nicht nur einzelne arabische Staaten gegen den Machtanspruch der Hamas stellen, sondern die ganze Arabische Liga. Sie spricht sich für die Freilassung der Geiseln aus und verurteilt gleichzeitig den Angriff am 7. Oktober 2023.
Die Türkei und Katar waren die letzten beiden Bastionen, auf die sich die Hamas noch stützen konnte.
Auch die Türkei und Katar – bisher zwei Unterstützerländer der Hamas – haben unterzeichnet. Ist dies ein Zeichen, dass die Hamas endgültig an Rückhalt verloren hat?
Die Türkei und Katar waren die letzten beiden Bastionen, auf die sich die Hamas noch stützen konnte. Diese brechen nun weg.
Die Hamas muss eingestehen, dass ihr Spiel ausgereizt ist.
Das zeigt, dass die Hamas im Grunde politisch so isoliert ist, dass es keine organisatorische Zukunft auch ausserhalb des Gazastreifens für sie mehr gibt. Die Hamas muss eingestehen, dass ihr Spiel ausgereizt ist.

Wie wirkt es sich auf die Verhandlungen aus, wenn sich nun auch vermittelnde Länder wie Katar und Ägypten so klar gegen die Hamas stellen?
Das wird die Verhandlungen sicherlich beeinflussen. Katar hat immer wieder erfahren müssen, dass es nicht souverän über den Verhandlungsprozess entscheiden konnte, sondern dass die Hamas versuchte, das Land zu instrumentalisieren, um die eigenen militanten Ziele durchzusetzen. Jetzt will Katar nicht mehr mitspielen und sagt, dass es einen neuen Ansatz brauche, nämlich den, den Saudi-Arabien und die europäischen Länder vorgeschlagen haben.

Hat die Hamas zu hoch gepokert?
Die Hamas hat in der letzten Zeit immer wieder versucht, hoch zu pokern und immer hat sie verloren, schon am 7. Oktober 2023, als gehofft wurde, dass mit dem Angriff auf Israel auch andere Akteure einbezogen würden. Schon damals haben alle der Hamas die kalte Schulter gezeigt.
Damit steht die Hamas komplett isoliert da?
Die Hamas war als Auslandsorganisation sowieso schon isoliert, aber jetzt ist es zu einem für die arabische Öffentlichkeit manifesten Ereignis geworden. Die Hamas steht im Nahen Osten nicht mehr als selbständiger Akteur da. Sie hat damit die Möglichkeit verloren, eine Verhandlungsposition einzunehmen und via Verhandlungen die Rettung der eigenen Organisation zu ermöglichen. Wir können davon ausgehen, dass die Hamas zumindest politisch am Ende ihrer Geschichte angekommen ist.
Es wird ein neuer Ansatz mit Israel und den USA gefunden werden müssen, um der Zweistaatenlösung Konturen zu geben.
Wird das Szenario Zweistaatenlösung damit ein bisschen realistischer?
Es hat sicherlich an Realismus gewonnen. Bei dieser arabisch-europäischen Initiative, die sich eindeutig, aber unter bestimmten Bedingungen, hinter die Zweistaatenlösung stellt, werden die USA und selbst Israel die Politik des Ignorierens einer Zweistaatenlösung nicht fortsetzen können. Hier wird ein neuer Ansatz mit Israel und den USA gefunden werden müssen, um der Zweistaatenlösung Konturen zu geben. Über die Zweistaatenlösung wird schon länger verhandelt und man hat den Eindruck, dass die Totgesagten länger leben.
Das Gespräch führte Nicolas Malzacher.
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