Der chinesische Onlinehandel-Gigant JD.com steigt in großem Stil bei der Elektronikmarkt-Gruppe MediaMarktSaturn ein. Das gaben die Holdingsgesellschaft der Gruppe, die Ceconomy AG, sowie JD.com am späten Mittwochabend bekannt. Beide hätten eine Investorenvereinbarung abgeschlossen, wonach JD.com den Aktionären 4,60 Euro pro Aktie bietet.

Laut der Mitteilung nehmen die Aktionäre Haniel, Beisheim, BC Equities und Freenet das Angebot an. Sie haben zusammen 27,9 Prozent. Weitere 3,81 Prozent gibt die Mitgründerfamilie Familie Kellerhals ab, die mit bisher rund 30 Prozent der Anteile größter Einzelaktionär ist. Damit sichern sich die Chinesen schon jetzt etwa 32 Prozent der Anteile. Das Gesamtvolumen: knapp 2,2 Milliarden Euro.

Ausschlaggebend ist Familie Kellerhals

Nach Informationen von WELT sprachen Ceconomy und JD.com schon lange über einen Einstieg der Chinesen. Doch konkreter wurde der Deal erst vor wenigen Monaten, damals vorangetrieben von Ceconomy-CEO Karsten Wildberger, der inzwischen Digitalminister im Kabinett von Kanzler Friedrich Merz ist. Zu den frühen Befürwortern eines Einstiegs soll laut Insidern der bislang zweitgrößte Ceconomy-Aktionär gehören, die Familie Haniel. Sie besitzt bislang 16,7 Prozent. Verkaufen wollte demnach auch Freenet, die 6,7 Prozent halten.

Doch JD.com habe mindestens 50 Prozent der Anteile kaufen wollen, heißt es aus Ceconomy-Kreisen. Damit war klar, dass ein Deal vor allem von Familie Kellerhals abhing, dem größten Einzelaktionär der Gruppe, die Media Markt gegründet hat.

Der inzwischen verstorbene Erich Kellerhals besaß in den 60er Jahren zunächst kleine Fachgeschäfte für Radios und Fernseher, bevor er dann 1979 den ersten Media Markt eröffnete. Mt der Idee eines Elektronik-Discounters war Kellerhals sehr erfolgreich, wurde Milliardär. Um schneller zu expandieren, stieg 1990 der Kaufhof-Konzern bei Media Markt ein, der bereits über „Saturn“-Elektronikmärkte verfügte.

Später übernahm dann die Metro AG die Anteile, hatte fast 75 Prozent – die Familie Kellerhals dagegen nur noch 21 Prozent. Trotz des vergleichsweise geringen Anteils konnte die Gründerfamilie wichtige Entscheidungen blockieren und lieferte sich so mit der Metro über Jahre einen erbitterten und teuren Machtkampf um die Vorherrschaft in der Gruppe.

Plötzlich der Durchbruch

Nach dem Tod von Erich Kellerhaus 2017 übernahm sein Sohn Jürgen die Führung. In den Verhandlungen mit JD.com soll auch er sich lange Zeit quergestellt haben, wollte die Anteile seiner Familie nicht verkaufen. Dem Vernehmen nach war ihm der Preis von 4,60 Euro pro Aktie schlicht zu niedrig. Außerdem soll er den Chinesen skeptisch gegenüber gewesen sein, ob diese das Unternehmen im Sinne der Gründerfamilie weiterführen würden.

Der Durchbruch soll dem Vernehmen nach erst vor wenigen Tage erreicht worden sein, heißt es aus Ceconomy-Kreisen. Zwar verkauft Kellerhals jetzt nur einen kleinen Teil der Aktien und sichert sich mit einem übrigbleibenden 25-Prozent-Anteil wichtige Mitspracherechte. Doch seine Investmentfirma Convergenta unterzeichnete auch eine Vereinbarung mit JD.com, in der sich beide Seiten verpflichten, als Aktionäre strategisch zu kooperieren und gemeinsam zu stimmen. Damit hatte sich JD.com faktisch bereits die Mehrheit an Ceconomy gesichert.

Aus Ceconomy-Kreisen heißt es, dass JD.com seine Anteile von absehbar 32 Prozent in den nächsten Monaten aber weiter aufstocken wird, sodass der Tech-Konzern deutlich über 50 Prozent der Anteile hat. 36,3 Prozent der Anteile von Ceconomy befinden sich aktuell im Streubesitz. Es gilt als ausgemacht, dass MediaMarktSaturn langfristig mit Kellerhals und JD.com nur noch zwei Anker-Aktionäre hat.

JD.com drängt schon länger nach Europa

Mit einer Übernahme von MediaMarkt und Saturn sichert sich JD.com Zugriff auf einen der größten Online-Shops für Elektronikartikel in Europa und ein Netz von etwa 1000 Märkten in mehreren europäischen Ländern. Rund 50.000 Menschen arbeiten bei den beiden Ketten. Ceconomy erzielte zuletzt einen Jahresumsatz von 22,4 Milliarden Euro – 5,1 Milliarden Euro davon fuhren die Online-Shops ein.

JD.com versucht auch angesichts der schwankenden Konsumlaune der Verbraucher in seinem Heimatmarkt, seinen Zugriff auf den Markt in Europa auszuweiten. Der Konkurrent von Alibaba und Amazon hatte zuletzt schon im britischen Markt einen Zukauf geprüft. Gespräche mit dem Elektronikhändler Currys hatten aber keine greifbaren Ergebnisse gebracht. JD.com war damals vor allem an dem Filial- und Lagerhausnetzwerk des britischen Unternehmens interessiert, um seine Expansion in Europa voranzutreiben. Ein solches Netzwerk auf dem europäischen Kontinent hat auch Ceconomy zu bieten.

Lars Petersen ist Leiter National im Investigativ-Team von WELT, Business Insider Deutschland und Politico Deutschland und kümmert sich seit Jahren um Machtkämpfe und Affären hinter den Kulissen von Wirtschaft und Politik. Sie haben Hinweise für ihn? Dann melden Sie sich gerne beim Autor, auch vertraulich – per E-Mail oder über den verschlüsselten Messenger Threema (WTJPZ7PN)

Haftungsausschluss: Das Urheberrecht dieses Artikels liegt bei seinem ursprünglichen Autor. Der Zweck dieses Artikels besteht in der erneuten Veröffentlichung zu ausschließlich Informationszwecken und stellt keine Anlageberatung dar. Sollten dennoch Verstöße vorliegen, nehmen Sie bitte umgehend Kontakt mit uns auf. Korrektur Oder wir werden Maßnahmen zur Löschung ergreifen. Danke