So hart trifft der Zoll-Deal Deutschland
Statt der angedrohten 30 Prozent fällt Trumps Zollkeule halb so groß aus. Das ist nur auf den ersten Blick ein Erfolg. Die Autoindustrie kann zwar ein wenig aufatmen. Für die Exportnation Deutschland ist das EU-Abkommen aber ein herber Schlag.
Beim Handels-Deal der EU mit den USA läuft es wie immer mit Donald Trump: Gut, dass die Unsicherheit beendet ist, zumindest vorerst. Außerdem hätte es viel schlimmer kommen können. Schlecht ist das Ergebnis trotzdem für Deutschland. Und: Womöglich kommt es noch schlimmer, der US-Präsident ist schließlich für sprunghaftes Verhalten bekannt.
Statt der zuletzt angedrohten 30 Prozent US-Importzoll werden nun pauschal 15 Prozent auf die meisten Einfuhren aus der EU fällig. Die Börsen reagieren nicht euphorisch, aber erleichtert. Das war es dann allerdings schon an positiven Reaktionen - von denen der verhandelnden Akteure abgesehen.
"Politisch und geoökonomisch ist dieser asymmetrische Deal eine Demütigung für die EU", sagt Ifo-Chef Clemens Fuest auf ntv.de-Anfrage. "Aber diese Demütigung reflektiert nur die Machtverhältnisse, wie sie sind." Entscheidend für die geringe Verhandlungsmacht der Europäer ist in Fuests Augen, dass sie sich militärisch ohne die USA nicht verteidigen könnten. Deshalb sollten die EU-Staaten ihre Verteidigungsfähigkeit erheblich ausweiten, fordert der Topökonom.
Exporte dürften spürbar sinken
"Ein Erfolg sieht anders aus", meint Fuest. Er geht davon aus, dass die deutschen Exporte in die USA - die mit Abstand Deutschlands wichtigster Auslandskunde sind - um 15 Prozent sinken werden. Im vergangenen Jahr verkauften deutsche Unternehmen Waren im Wert von gut 161 Milliarden Euro in den Vereinigten Staaten. Das entsprach etwa zehn Prozent aller Exporte.
Das Institut für Weltwirtschaft (IfW) in Kiel kommt bei Berechnungen für das "Handelsblatt" zu einem volkswirtschaftlichen Schaden von 6,5 Milliarden Euro innerhalb eines Jahres. Denn die generellen Zölle von 15 Prozent sowie die Abgaben von weiterhin 50 Prozent auf Stahl und Aluminium lassen das Bruttoinlandsprodukt (BIP) demnach um 0,15 Prozentpunkte weniger wachsen. IfW und Ifo waren zuletzt davon ausgegangen, dass das BIP in diesem Jahr um 0,3 Prozent steigt.
Der Chefvolkswirt der VP Bank, Thomas Gitzel, erwartet nun sogar bis zu 0,2 Prozentpunkte weniger. Frankreich oder Italien etwa kommen laut IfW mit einem BIP-Verlust von 0,01 beziehungsweise 0,02 Punkten deutlich glimpflicher davon.
Das deutsche Minus hätte allerdings noch viel größer ausfallen können. "Inklusive der alten Autozölle wäre die deutsche Wirtschaft um 0,51 Prozent weniger gewachsen", rechnet der Leiter des IfW-Forschungszentrums Handelspolitik, Julian Hinz, der Zeitung vor. Hier zeigt sich die enorme Bedeutung der deutschen Autoindustrie. Die Branche rechnet laut ihrem Verband VDA nun zwar weiterhin mit jährlichen Milliardenbelastungen, kommt aber immerhin besser davon als mit zuletzt 25 Prozent Zusatzzoll.
"Produktionsverlagerung lohnt sich für Autobauer nicht"
Hätte Trump wie angedroht pauschal 30 Prozent Zoll erhoben, wäre Deutschlands Wachstum laut IfW um 0,62 Prozentpunkte geringer ausgefallen. Die Zölle für die Autoindustrie sind somit der entscheidende Faktor.
Die Autobauer betonen dennoch die Belastung "inmitten der Transformation" hin zur Elektromobilität. VW-Chef Oliver Blume hatte im Interview mit ntv gesagt, "15 Prozent sind für uns zu hoch". Ökonom Jens Südekum, Chefberater von Vizekanzler und Finanzminister Lars Klingbeil, geht allerdings nicht davon aus, dass die deutsche Autoindustrie nun Produktion in die USA verlagert. "Denn es ist ja so, dass Stahl weiterhin mit 50 Prozent, Autoteile weiterhin mit 25 Prozent belastet sind", sagte er im Deutschlandfunk. Würde die Branche Produktion in die USA verlagern, "hätte sie unterm Strich eine wesentlich höhere Belastung" als 15 Prozent Zoll für die Einfuhr aus Europa.
Neben den Autobauern können sich die Verbraucher zumindest ein wenig freuen. Denn die EU verzichtet ihrerseits darauf, die Zölle für Importe von Waren und Dienstleistungen aus den USA zu erhöhen. Das dürfte die Inflation dämpfen. Daneben könnten heimische Waren - ebenso wie Produkte aus Ländern wie China -, die wegen der hohen Zölle nicht mehr in die USA verkauft werden, künftig auf dem deutschen Markt landen. Das könnte die Preise sogar drücken.
"Ein Drama" für die Wirtschaft
Dabei handelt es sich jedoch nur um kleine Lichtblicke. Vor Trumps Amtsantritt im Januar galt ein Zollsatz von rund 2,5 Prozent. Abgaben von jetzt 15 Prozent seien eine "ungeheure Belastung für die Wirtschaft", stellte die Wirtschaftsweise Ulrike Malmendier in der ARD klar. Im Vergleich zu vorher "ist das schon ein Drama". Auch die deutsche Industrie sieht in dem Zoll-Deal ein "fatales Signal".
Besonders treffen die höheren Zölle neben der Autoindustrie den Maschinenbau und die Chemieindustrie, die am meisten in die USA exportieren. Im Mittelstand setzen die Abgaben vor allem Unternehmen unter Druck, die standardisierte Produkte anbieten, wie die Chefin des Instituts für Mittelstandsforschung, Friederike Welter, ntv.de erklärt. "Hier drückt die Zollerhöhung mehr auf die Preise und die Absatzmengen."
"Ob sich insbesondere kleinere Unternehmen mit standardisierten Produkten angesichts der Zollerhöhung nun völlig vom US-Markt zurückziehen, bleibt letztlich abzuwarten", sagt Welter. Vielen deutschen Mittelständlern komme zugute, dass sie insbesondere für Geschäftskunden passgenaue Lösungen liefern - die sich nicht einfach ersetzen lassen.
Abzuwarten bleibt aber auch, wie lange das Abkommen gilt. "Immerhin ist die Autoindustrie von deutlich höheren Zöllen verschont, und ein eskalierender Handelskrieg konnte vorerst abgewendet werden", sagt Fuest. "Dass die Vereinbarung dauerhaft hält, ist allerdings nicht gesichert."
So werden bereits Forderungen laut, sich etwa durch Handelsabkommen mit anderen Ländern weniger abhängig von den USA als Exportmarkt zu machen. Die Blicke richten sich nach Südamerika, Indien, Indonesien, Vietnam, aber auch Europa. Welter betont, der wichtigste Beschaffungs- und Absatzmarkt für die Unternehmen in Deutschland sei der EU-Binnenmarkt - nicht zuletzt, weil er verlässliche Bedingungen biete.
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