Plötzlich steht die deutsche Boom-Branche vor einem massiven Problem
Das Staunen von Branchenbeobachtern war dem Schweizer Pharmakonzern Roche sicher, als er im November 2024 den Grundstein zu einem neuen Diagnostik-Produktionszentrum im bayerischen Penzberg legte. Mehr als 600 Millionen Euro investierte der Konzern hier. Ein Jahr zuvor ließ der US-Pharmariese Eli Lilly mit der Ankündigung aufhorchen, in Alzey eine Hightech-Produktionsanlage für 2,3 Milliarden Euro zu errichten.
Zahlreiche Industrien kehren Deutschland und Europa auf der Suche nach günstiger Energie und weniger Bürokratie den Rücken. Nicht so die Pharmabranche. Während etwa die Chemiebranche zunehmend Produktionsstandorte auf andere Kontinente verlagert, wollen Pharmaunternehmen hierzulande wachsen und investieren dafür teils massiv.
Wie die Geschäfte der Medikamentenhersteller florieren, zeigt der Umsatz der Branche auf dem deutschen Pharma-Gesamtmarkt. Dieser lag im Jahr 2006 bei 25,3 Milliarden Euro, 2024 kletterte er auf 64,5 Milliarden Euro – eine Steigerung von mehr als 150 Prozent. Leicht gestiegen ist auch die Beschäftigtenzahl in der Pharmaindustrie in Deutschland: von rund 114.000 im Jahr 2015 auf rund 133.000 Mitarbeiter im Jahr 2023.
Besonders deutlich zeigt sich das Wachstum im Zehnjahresvergleich des Umsatzes mit anderen Branchen. So hat dieser in der Tabakbranche von 2014 bis 2024 um 44 Prozent nachgegeben. Federn lassen mussten auch die Hersteller von Druckerzeugnissen (minus 41 Prozent) oder die Möbelhersteller mit einem Minus von 28 Prozent.
Die Umsätze der deutschen Pharmaindustrie legten in diesem Zeitraum hingegen um 26 Prozent zu. Übertroffen wurden sie von der Elektrotechnik-Branche, die ein Plus von 40 Prozent verzeichnete. Der Fahrzeugbau rangiert mit einem Plus von 21 Prozent hinter der pharmazeutischen Industrie.
US-Markt in Gefahr
Trotz der prosperierenden Zahlen stehen die Medikamentenhersteller aktuell vor einem massiven Problem. Denn ausgerechnet der wichtigste Absatzmarkt deutscher und europäischer Pharmaunternehmen droht ins Wanken zu geraten. In kein anderes Land der Welt exportieren Pharmafirmen mehr als in die Vereinigten Staaten von Amerika. Wie stark dieser Markt ist, zeigt der Branchenumsatz in dem Land. Rund 714 Milliarden Euro betrug dieser im Jahr 2023. Damit sind die USA der mit Abstand größte Pharmamarkt der Welt.
Doch die Strafzölle von US-Präsident Donald Trump bedrohen diesen Goldesel der Medikamentenhersteller. Bislang sind europäische Arzneimittel von amerikanischen Zöllen ausgenommen.
Trump drohte jedoch kürzlich der Pharmabranche sogar mit Strafzöllen von bis zu 200 Prozent bei Exporten in die Vereinigten Staaten. Allerdings sollen für diese speziellen Pharmazölle nach bisherigem Stand Übergangsfristen von einem bis anderthalb Jahren gelten. Ob es tatsächlich so kommt, ist allerdings ungewiss. Gerade angesichts der langen Übergangsfristen reagierten Investoren zunächst entspannt auf diesen angekündigten Zoll-Hammer.
Der Branche droht in den USA noch weiteres Ungemach. So haben Trump und dessen Gesundheitsminister Robert F. Kennedy das Ziel ausgegeben, die Medikamentenpreise in den USA drastisch zu senken. Von einer Preissenkung um bis zu 90 Prozent war in einer ersten Ankündigung von Trump die Rede. Auf eine konkrete Ausgestaltung wartet die Branche nun.
Andreas Macho ist WELT-Wirtschaftsreporter in Berlin mit dem Schwerpunkt Gesundheit.
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