Warum Börsenneulinge trotz Dax-Rekorden kaum Chancen haben
Der Handelssaal wird bereits geschmückt, als der Börsengang des Teile-Händlers Autodoc in letzter Minute abgeblasen wird. Wenig später werden auch die Debuts von Brainlab und Sumup abgesagt. Die Performance des Dax täuscht: Für Neulinge ist die Stimmung am Aktienmarkt alles andere als rosig.
Anfang dieses Jahres herrschte Optimismus am deutschen Aktienmarkt. Im vergangenen Jahr hatte es nur fünf Börsengänge hierzulande gegeben. 2025, so die Hoffnung, sollte es besser werden. Zehn Börsenneulinge prognostizierte etwa die Beratungsfirma EY für den deutschen Markt. Doch es kam anders. Bis heute ist nur ein größeres Unternehmen, der Elektro-Spezialist Pfisterer, in Frankfurt an die Börse gegangen. Gleich vier geplante Neuemissionen sind dagegen teils in letzter Minute geplatzt – und das, obwohl der deutsche Leitindex Dax in diesem Jahr von einem Rekordhoch zum nächsten kletterte.
Im März verschoben die Eigentümer von Stada, die Finanzinvestoren Bain Capital und Cinven, den Börsengang des Pharmakonzerns. Vor allem infolge des von US-Präsident Donald Trump ausgelösten Zollkonflikts schien das Marktumfeld zu unsicher. Im Juni bliesen innerhalb von nur einer Woche die Börsenaspiranten Autodoc, einem Online-Teilehändler, und Brainlab, einem Medizintechnik-Unternehmen, ihre Aktienemissionen ab. Besonders spektakulär war der Rückzieher von Autodoc. Als das Unternehmen weniger als 24 Stunden vor dem Debüt seinen Rückzug bekannt gab, hatte die Börse in Frankfurt schon begonnen, den Handelssaal zu schmücken. Zuletzt stoppte der Zahlungsdienstleister Sumup seinen Börsengang.
Gemeinsam haben alle diese Absagen die ähnliche Begründung mit dem schwierigen "Marktumfeld" und der allgemeinen "Unsicherheit". Er wolle "warten, bis die Börsenverhältnisse wieder etwas fruchtbarer sind", sagte Sumup-Mitgründer Marc-Alexander Christ dem Magazin "Capital". Eine auf den ersten Blick erstaunliche Aussage angesichts der Entwicklung des Dax, die besser kaum sein könnte und etwa die amerikanischen Börsen weit in den Schatten stellt. Dort gab es auch dieses Jahr mehrere erfolgreiche Börsengänge.
Doch obwohl er als Leitindex der Frankfurter Börse bezeichnet wird, bildet der Dax mit seiner Entwicklung bestenfalls einen Teilbereich des deutschen Aktienmarktes ab. "In der Breite haben wir keinen Bullenmarkt", sagt Stefan Riße, Kapitalmarktstratege der Vermögensverwaltung Acatis. "Die Performance im Dax wird getragen von einigen wenigen Schwergewichten wie SAP oder Rheinmetall. Bei dem Großteil der Aktien, vor allem in der zweiten und dritten Reihe, ist von einer Hausse nichts zu sehen." Dies spiegele die Lage der deutschen Wirtschaft wider, so der Experte. So stellen Rheinmetall und andere Rüstungsunternehmen aufgrund der weltweiten Aufrüstung einen Sonderfall dar. Auch SAP sei als global ausgerichteter Softwarekonzern von der Krise der deutschen Industrie kaum betroffen.
ETF-Trend erschwert Neuemissionen
Potenzielle Börsenneulinge sind dagegen in der Regel kleiner und stärker vom Heimatmarkt abhängig. "Einen deutlichen Aufschwung bei den Börsengängen wird es erst wieder geben, wenn die deutsche Wirtschaft einen breiten Aufschwung erlebt", sagt Stefan Riße. Dass zuletzt mehrere bereits geplante Börsendebüts platzten, führt Riße auch darauf zurück, dass Erlösvorstellungen der jeweiligen Firmeneigner eher von der Hausse im Dax als von der Lage des restlichen Aktienmarktes geprägt zu sein schienen. Dies sei aber bei den Investoren nicht durchzusetzen gewesen.
Erschwert werden Börsengänge auch durch den Trend zum passiven Investieren. Aktiv gemanagte Aktienfonds sind traditionell wichtige Investoren bei Neuemissionen. Doch sie haben zugunsten von ETFs, die passiv Börsenindizes wie den Dax oder den globalen Industrieländerindex MSCI World abbilden, an Beliebtheit - und Kapital - eingebüßt. Die populären Index-ETFs investieren, wie ihr Name sagt, ausschließlich in Aktien, die Mitglied des jeweiligen Index sind. Das ist aber bei Börsenneulingen so gut wie nie der Fall.
Nicht nur die direkt betroffenen Unternehmen bekämen die aktuelle Flaute bei den Neuemissionen zu spüren, sagt Riße. Denn die Börsengänge seien wichtig für Finanzinvestoren und Risikokapitalgeber, die wiederum eine wichtige Rolle bei der Finanzierung etwa von Startups spielen. "Ohne die Einnahmen aus Börsengängen fehlt Kapital, um in neue wachsende Unternehmen zu investieren", so Riße.
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