Alice Weidel und der Krawall der Wutbürger von links
Niedergebrüllt wurden sie schon fast alle: Kanzlerin Merkel, die Kanzler Kohl, Schröder, Scholz, Merz. Unfreundliche Empfänge, Schmährufe, Beleidigungen – alles dabei, alles schon dagewesen. Anständig ist das nicht – und in der Regel holten sich die Niedergebrüllten in der breiten Bevölkerung Sympathiepunkte. Wer brüllt, schreit und tobt, hat keine Argumente mehr.
Nun trat das «Zentrum für politische Schönheit» am Sonntag in Berlin an, um die Chefin der Alternativen für Deutschland (AfD), Alice Weidel, niederzubrüllen, das Interview mit dem öffentlich-rechtlichen Fernsehsender ARD zu stören, mit einem Lautsprecherwagen, aus dem ein musikalisch untermaltes «scheiss AfD» dröhnte. Es klang wie «eine Mischung aus Kinderchor und Kindergarten», wie der Berliner «Tagesspiegel» schreibt.
Die Wutbürger von links
Der Anspruch des «Zentrums für politische Schönheit», formuliert auf der Internetseite der Organisation, ist hoch: Man sei «eine Sturmtruppe zur Errichtung moralischer Schönheit». Seit Jahren kämpft die Organisation gegen die AfD. Gegen Parteimitglieder wie Björn Höcke, den AfD-Scharfmacher aus Thüringen.
Und jetzt also gegen Alice Weidel. Und gegen die ARD, die mit Weidel spricht. Denn auch das lehnen die Leute des «Zentrums für politische Schönheit» ab. Mit Demokratie, mit Respekt gegenüber Andersdenkenden, hat das nichts zu tun. Es ist Krawall um des Krawalls willen. Die Wutbürger rechts aussen machen es genauso. Die AfD-Gegner, die Wutbürger von links, agieren auf demselben Niveau wie jene, die sie so scharf kritisieren.
Fragen gäbe es genug
Wohl auch deshalb wollte Weidel weitermachen. Der ARD-Moderator fragte die AfD-Chefin während des ersten Einspielers, was man tun solle – so zumindest erzählte es der Journalist nach dem missglückten Interview. Weidel habe geantwortet: «Weitermachen!» Natürlich wusste die Politikerin: Wer niedergebrüllt wird, erntet am Ende die Sympathien – oder zumindest ein paar Pluspunkte. Zudem lässt sich das gestörte Interview auf den sozialen Medien prima ausschlachten – was natürlich auch geschah.
Ausser Weidel also gibt es in dieser Sache nur Verlierer. Auch die ARD hätte ein Interesse haben können an einem gelungenen Interview. Denn Fragen an die AfD-Chefin gibt es genug: Trägt sie den Kurs einiger Abgeordneter mit, sich in die bürgerliche Mitte zu bewegen, weniger aggressiv aufzutreten? (Nein.) Will sie Sozialhilfe-Empfängerinnen und -Empfängern die Stütze kürzen, wenn sie keinen deutschen Pass haben? (Ja.) Würde Weidel Kanzler Merz nochmals als «Lügenkanzler» bezeichnen, wie sie es schon im Parlament tat? (Ja.) Dies alles hätte man vertiefen können, damit sich die Zuschauenden ein Bild hätten machen können.
Nach dem grossen Lärm bleibt nicht viel
Und es wäre sogar denkbar einfach gewesen. Das Gespräch wurde am Nachmittag aufgezeichnet. Die Studios der ARD sind nur wenige Schritte vom Bundestag entfernt. Man hätte zugunsten eines harten und ungestörten Interviews handeln können. Doch man tat es nicht.
Was nach dem grossen Lärm bleibt: ein Interview ohne grossen Erkenntnisgewinn. Eine blamierte ARD. Eine Protestgruppe, die sich selber ins Knie schoss, weil sie zeigte: Trotz aller gegenteiligen Beteuerungen hat sie kein Interesse an einem demokratischen Diskurs. Und eine Alice Weidel, die als Gewinnerin dasteht.
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