Unter Deutschlands Wirtschaftsvertretern macht sich verhaltener Optimismus breit angesichts der ersten Schritte der neuen Bundesregierung. Zu den gewaltigen Ausgaben des Bundes für Infrastruktur, Klimaschutz und Verteidigung kommt nun eine Investitionsoffensive von privaten Investoren und Unternehmen mit dem Titel „Made for Germany“.

Auf einer Sonderausgabe des WELT-Wirtschaftsgipfels kam am Montag in Berlin die Hoffnung der Manager auf bessere Rahmenbedingungen für den Standort zum Ausdruck – und die Zuversicht großer Investoren, dass sich Deutschland und Europa aus der jahrelangen Wirtschaftsschwäche befreien können.

Die strukturellen Gründe dieser Wachstumsschwäche sind indes nicht beseitigt. In den Gesprächen im 19. Stock des Axel-Springer-Hochhauses wurde deutlich, dass Energie dringend günstiger werden muss, die Bürokratie abgebaut und die Sozialsysteme umgebaut werden müssen.

In der Initiative „Made for Germany“ haben sich 61 Unternehmen und Investoren zusammengetan und zugesagt, in den kommenden Jahren zusammen 631 Milliarden Euro im Land zu investieren. Die Summe umfasst Investitionen in Sachanlagen, Ausgaben für Forschung und Entwicklung sowie Zusagen internationaler Investoren. Dabei soll es sich nicht nur um ohnehin bereits eingeplante Investitionen handeln, sondern auch um Neuinvestitionen.

Zu den Initiatoren der außergewöhnlichen Allianz gehört neben den Vorstandsvorsitzenden von Deutscher Bank und Siemens, Christian Sewing und Roland Busch, auch Mathias Döpfner, der Vorstandschef der Axel Springer SE („Bild“, WELT). Vertreter der Initiative stellten ihre Vorhaben am Nachmittag der Regierung bei einem Treffen im Bundeskanzleramt vor.

Carsten Knobel, Chef von Henkel, brachte die Idee der Initiative im WELT-TV-Interview auf den Punkt: „Mit der Initiative wollen wir dazu beitragen, eine Wachstumswende einzuleiten“, sagte Knobel. Der Bundeskanzler und die Regierung hätten in den vergangenen Wochen gezeigt, dass „der Wille für Veränderung durch entsprechende Investitionsoffensiven auch gegeben ist“. Die Industrie brauche niedrigere wettbewerbsfähige Energiekosten und „ganz klar einen Bürokratieabbau, den wir ja schon seit Langem fordern“. Es sei jetzt an der Zeit, für konkrete Maßnahmen diese Forderungen umzusetzen.

Aus Sicht von Siemens-Chef Busch geht die Wirtschaft mit dem milliardenschweren Bekenntnis zum Standort Deutschland in eine gewisse Vorleistung. „Wir als Unternehmen müssen unseren Beitrag leisten und die Regierung natürlich auch und wir mischen uns nicht in deren Aufgaben ein – und umgekehrt. Entscheidend ist aber, dass es neben dem Kapital, was wir mobilisieren wollen, auch natürlich strukturelle Reformen braucht“, sagte Busch.

Lars Klingbeil (SPD), Vizekanzler und Bundesfinanzminister, sprach sich auf dem WELT-Wirtschaftsgipfel für einen engen Schulterschluss von Politik und Wirtschaft aus. „Wir wollen für neue wirtschaftliche Stärke und für sichere Arbeitsplätze sorgen. Diesen Weg gehen wir gemeinsam mit der Wirtschaft“, sagte er. Dafür brauche es staatliche Investitionen, aber auch private Investitionen. „Deshalb ist diese Initiative wichtig. Es geht nicht nur um Politik. Es geht darum, wie wir alle gemeinsam Deutschland weiter nach vorn bringen.“

Auf die Forderungen der Wirtschaftsvertreter nach Strukturreformen ging Klingbeil ein. „Wir gehen strukturelle Reformen jetzt an. Wir beschleunigen Genehmigungen und Prozesse in diesem Land, bauen Bürokratie ab und unternehmen Schritte, um die Energiepreise nach unten zu bekommen“, sagte Klingbeil. Auch Reformen der Sozialsysteme gehe die Regierung an. Der Sozialstaat müsse stark und zugleich finanzierbar bleiben. „Wenn wir das als schwarz-rote Regierung nicht hinbekommen, werden irgendwann Leute mit der Kettensäge an die Macht kommen. Das können wir als Demokraten nicht wollen.“

US-Großinvestor gibt Regierung Vorschusslorbeeren

Für Stephen Schwarzman klingen solche Ankündigungen vielversprechend. Der Chef der US-Investmentgesellschaft Blackstone gab der neuen Bundesregierung Vorschusslorbeeren. „Es handelt sich um eine wachstumsfreundliche, kapitalistisch orientierte Regierung. Und angesichts dessen, was in den letzten Jahren in Deutschland passiert ist, ist dies aus der Sicht eines Außenstehenden eine gute Veränderung“, sagte er WELT TV.

In den kommenden zehn Jahren will Blackstone 500 Milliarden Dollar (430 Milliarden Euro) in Europa investieren. Wie viel davon nach Deutschland fließe, hänge von den Anreizen für Wachstum ab. Blackstone will laut Schwarzman unter anderem in Gewerbeimmobilien und Energieinfrastruktur investieren. Schwarzman sprach zudem den Verteidigungsbereich an, auch hier könnten sich Unternehmen wie Blackstone in einem größeren Maßstab als bislang engagieren.

Das Verhältnis zwischen der EU und den USA, das aktuell durch den Zollstreit stark belastet ist, sieht Schwarzman als „Übergangsphase, in der sich diese Kräfte neu formieren“. Bis zum Jahresende wisse man besser, wie sich die Dinge entwickeln werden. Die Tatsache, dass sich fast alle Aktienmärkte der Welt auf Rekordniveau befinden, zeige, dass in der Investmentwelt weitgehende Einigkeit darüber herrsche, dass es eine Einigung geben werde. Erst in der Vorwoche hatte Bundesbankpräsident Joachim Nagel die Sorge geäußert, dass bei einem ungünstigen Ausgang des Zollstreits Deutschland zurück in die Rezession rutscht.

Einig waren sich die Wirtschaftsvertreter darüber, dass der Kapitalmarkt in Europa gestärkt werden muss, um mehr Mittel anzulocken. „Die Kapitalmärkte sind der Multiplikator, um aus den staatlichen Impulsen ein Vielfaches zu machen. Es ist sehr zu begrüßen, dass der Koalitionsvertrag als Regierungsprogramm erstmals auch eine Stärkung des Kapitalmarkts als Priorität für Deutschland anerkennt“, sagte der Chef der Deutschen Börse, Stephan Leithner, gegenüber WELT.

Ziel müsse es sein, das vorhandene Kapital privater Investoren aus dem In- und Ausland für die Modernisierung von Unternehmen, Infrastruktur und Alterssicherung zu gewinnen. „Viele konkrete Vorschläge liegen bereits von der letzten Regierung und aus dem Koalitionsvertrag vor und können kurzfristig umgesetzt werden“, sagte Leithner.

Kritik an der Initiative kommt ausgerechnet vom Wirtschaftsrat der CDU, in dem einige der Investoren selbst vertreten sind. „Damit von dem Gipfel mehr bleibt als gute Stimmung und positive PR, wird es vor allem darauf ankommen, auch bei den großen Mittelständlern deutlich mehr Investitionen zu mobilisieren“, sagte Wolfgang Steiger, Generalsekretär des Wirtschaftsrats gegenüber WELT. Mittelständler hätten im Gegensatz zu aktiennotierten Konzernen meist ein viel größeres Finanzierungsproblem, weil sie sich nicht einfach am Aktienmarkt mit Eigenkapital versorgen können.

Zugleich müssten diese Unternehmen Wandel ihrer Geschäftsmodelle investieren, in die Produktion und ihre Lieferketten. Die entsprechenden Stichworte laut Steiger: Digitalisierung, Dekarbonisierung und Diversifizierung. „Hier reichen die Bankkredite häufig nicht mehr. Mittelständler müssen deshalb endlich besseren Zugang zum Kapitalmarkt erhalten“, forderte er. Insbesondere der Bundesfinanzminister habe an dieser Stelle „dringende Hausaufgaben“. Aktuell lägen allein auf den Bankkonten deutscher Sparer nicht-investierte Spar- und Sichteinlagen im Volumen von 3,3 Billionen Euro. „Wir müssen diese Sparer viel stärker zu Investoren in die heimische Wirtschaft machen“, sagte er.

Die Forderungen der Wirtschaftsvertreter an die Bundesregierung waren so breit wie die Initiative „Made for Germany“, deren Mitglieder von der Finanzbranche über die Industrie bis zu Tech-Unternehmen reichen. Mit dabei ist unter anderem der Wohnungskonzern Vonovia, dessen Chef Rolf Buch auch am WELT-Wirtschaftsgipfel teilnahm. Am Rande der Veranstaltung forderte er im Interview die zügige Besetzung der geplanten Kommission zur Mieten-Regulierung.

„Viele der Investitionen in Deutschland sind abhängig vom Staat, entweder weil er Direktabnehmer ist oder weil er den Markt wesentlich reguliert, weil die Verbraucher geschützt werden müssen“, sagte Buch. „Gerade in diesen Punkten müssen wir uns Gedanken machen, wie Regulierung funktioniert und wie Regulierung ihre Ziele erreichen, aber gleichzeitig auch Investitionen befördern kann. Und ich glaube, das ist eine gute Diskussion.“

Karsten Seibel ist Wirtschaftsredakteur in Berlin. Er berichtet unter anderem über Haushalts- und Steuerpolitik.

Daniel Zwick ist Wirtschaftsredakteur in Berlin und berichtet für WELT über Wirtschafts- und Energiepolitik, Digitalisierung und Staatsmodernisierung.

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