Hunderttausende Afghaninnen und Afghanen werden aktuell gewaltsam aus dem Iran ausgeschafft. Sie stehen unter Generalverdacht, für Israel spioniert zu haben. Was die Betroffenen dabei erleben und was sie in Afghanistan erwartet, weiss Zahra Nader, Journalistin und Chefredakteurin von Zan Times.

SRF News: Was haben Ihnen abgeschobene Afghanen erzählt?

Zahra Nader: Wir haben Dutzende von Zeugenaussagen afghanischer Flüchtlinge gesammelt, die gewaltsam aus dem Iran zurückgeführt wurden. Wir haben sie an den Einreisegrenzen zu Afghanistan befragt. Viele schildern, dass sie zu Hause, an ihrem Arbeitsplatz oder beim Einkaufen verhaftet wurden. Sie wurden vorher nicht informiert und hatten keine Zeit, sich vorzubereiten.

Wir haben auch Fälle dokumentiert, in denen unbegleitete Kinder im Iran verhaftet wurden.

Sahar, eine Witwe und Mutter von fünf Kindern, erzählte uns: «Ich habe sie angefleht, mir zwei Tage Zeit zu geben. Sie haben nicht auf mich gehört. Sie haben uns wie Müll weggeschmissen.» Andere waren nicht in der Lage, ihre nicht gezahlten Löhne einzufordern oder ihr Hab und Gut zurückzuholen. Wir haben auch Fälle dokumentiert, in denen unbegleitete Kinder im Iran verhaftet wurden.

Wie finden die Abschiebungen statt?

Mehrere Befragte berichteten von körperlicher Gewalt während der Festnahme und Inhaftierung. Ein Mann erzählte uns, dass die Polizei frühmorgens seine Tür eintrat und ihn schlug, bevor sie ihn nach draussen zerrte. Andere beschrieben, dass sie in überfüllten Einrichtungen wie Tapeh Tambaku in der Nähe von Teheran festgehalten wurden, wo Schläge und Misshandlungen an der Tagesordnung gewesen seien. Ein Rückkehrer erzählte uns, er habe miterlebt, wie drei Männer in der Haftanstalt durch Schläge starben.

Wo kommen die Betroffenen in Afghanistan an?

Die meisten Deportierten kommen über Islam Qala in Herat oder Pul-e Abrisham in der Provinz Nimruz nach Afghanistan. Sie werden in der Regel mit Bussen aus iranischen Gefangenenlagern gebracht, oft nach langen Fahrten unter schlechten Bedingungen. Wir haben von Bussen ohne Klimaanlage bei extremer Hitze gehört, von Menschen, die ohne Nahrung oder Wasser auskommen müssen und gezwungen werden, für Wasser oder für die Rückgabe beschlagnahmter Handys Bestechungsgelder zu zahlen.

Wie ist die Situation für die Betroffenen, wenn sie in Afghanistan ankommen?

Die Aufnahmezentren in Herat und Nimruz sind überlastet. Die Internationale Organisation für Migration und einige lokale NGOs bieten minimale Hilfe an, aber viele erhalten nur wenig oder gar keine Hilfe. Viele haben kein Geld, keine Habseligkeiten und keine Dokumente. Einigen Müttern wurde die Grundversorgung verweigert, weil sie keinen männlichen Vormund hatten.

Grenzbeamte bestätigten, dass einige Menschen während oder unmittelbar nach der Abschiebung an Hitze und Durst gestorben sind.

Wir wurden Zeuge von chaotischen Szenen an den Grenzen, von Familien, die in der Hitze ohnmächtig wurden, von weinenden Babys ohne Milch und von Menschen, die hungrig und dehydriert ankamen. Am 2. Juli kamen beispielsweise über 1130 Familien bei Temperaturen von über 50 Grad in Nimruz an. Afghanische Grenzbeamte bestätigten, dass einige Menschen während oder unmittelbar nach der Abschiebung an Hitze und Durst gestorben sind.

Was erwartet die Menschen in Afghanistan?

Die Abgeschobenen kehren in ein Land zurück, das sich in einer schweren humanitären Krise befindet. Rund 90 Prozent der Bevölkerung leben in Armut. Es gibt kaum Arbeitsplätze, und Frauen unterliegen strengen Beschränkungen der Taliban-Herrschaft. Ohne einen männlichen Verwandten können sie nicht arbeiten, reisen oder Zugang zu grundlegenden Dienstleistungen wie der Gesundheitsversorgung erhalten.

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