Dramatische Zoll-Eskalation – Trumps Brief ist für Europa ein Desaster
Der „Liebesbrief aus Washington“, wie manche Brüsseler Beamte das Schreiben nennen, traf am Samstag ein. Ab August, heißt es darin, würden die USA auf Waren aus der EU einen Zoll in Höhe von 30 Prozent erheben. Das ist weit entfernt von dem, was die Europäische Kommission und ihre Präsidentin Ursula von der Leyen erwartet hatten. Sie waren intern von zehn Prozent ausgegangen, plus Ausnahmen für wichtige Branchen wie Auto, Pharma und Maschinenbau.
Und das ist noch nicht alles. Sollte die EU nun ihrerseits neue Zölle auf amerikanische Produkte verhängen, werde der amerikanische Satz um eben diesen Wert erhöht, droht US-Präsident Donald Trump in dem Brief an „Ihre Exzellenz Ursula von der Leyen“. Es ist eine dramatische Eskalation des ökonomischen Schlagabtauschs zwischen Europa und Amerika – und ein Zeichen, dass Brüssels bisherige Strategie gescheitert ist.
Monatelang wurde verhandelt, es gab unzählige Mailwechsel und Videokonferenzen. Immer wieder reisten hohe EU-Beamte nach Washington. Und erst am vergangenen Wochenende telefonierte von der Leyen mit Trump. Das Ziel lautete dabei stets: Appeasement. Alle versuchten, den amerikanischen Präsidenten zu besänftigen.
Als Trump im April Zölle in Höhe von zehn Prozent auf fast alle Importe aus der EU und später sogar 25 Prozent auf Autos und 50 Prozent auf Stahl verhängte, tat Brüssel: nichts. Eine Liste mit amerikanischen Produkten im Wert von 21 Milliarden Euro, die Ziel eines Gegenschlags werden könnten, war damals längst fertig. Doch die Kommission setzte sie nicht ein.
Diese Woche ging die Behörde sogar einen Schritt auf Trump zu. Sie nahm in ihren Plänen für den kommenden EU-Haushalt Abstand von einer reinen Digitalsteuer. Eine solche Abgabe hätte amerikanische Tech-Giganten wie Apple und Google belastet. Offiziell ist die Entscheidung nicht mit den Zöllen verbunden. Aber der Zeitpunkt ist bemerkenswert. Handelt es sich hier um vorauseilenden Gehorsam? Um einen weiteren Versuch der Beschwichtigung? Womöglich. Gebracht hat es nichts.
US-Regierung sieht EU nicht auf Augenhöhe
Der Brief aus dem Weißen Haus ist ein Desaster. Er legt überraschend hohe Sätze fest – rund 20 Länder in Asien und Afrika kommen besser weg – und er ist frech im Ton. Ein zentraler Satz lautet: „Die Europäische Union wird den Vereinigten Staaten kompletten Marktzugang gewähren, ohne ihrerseits Zölle zu verhängen.“ Die US-Regierung verhandelt also nicht mehr, sondern diktiert. Sie sieht, so scheint es, Europa nicht auf Augenhöhe. Das sind verheerende Ausgangsbedingungen für kommende Gespräche.
Ursula von der Leyen teilte am Samstag mit: Man wolle weiterhin auf eine Einigung hinarbeiten. Die Kommission sei aber auch bereit, „angemessene Gegenmaßnahmen“ zu ergreifen, „falls nötig“. Besonders bedrohlich klingt das nicht. Solche Ankündigungen gab es schon oft, Folgen hatten sie nie. Hier liegt womöglich das Problem: Abschreckung funktioniert nur, wenn die andere Seite glaubt, dass sie ernst gemeint ist.
Bisher bremste von der Leyen stets. Ein Beispiel: Im Juni erhöhte Trump die Zölle auf Stahl und Aluminium von 25 auf 50 Prozent, obwohl die Verhandlungen zwischen Brüssel und Washington schon liefen. Die Beamten in der Generaldirektion Handel der Kommission, hört man, waren empört und wollten sofort mit Zöllen auf US-Produkte wie Whiskey, Erdnussbutter und Motorräder antworten. Doch ihre Chefin stoppte sie.
Wird sich das nun ändern? Gut möglich, denn der politische Druck wächst. „Die Kommission hat in den vergangenen Wochen und Monaten sehr besonnen auf die ständigen Attacken und willkürlichen handelspolitischen Entscheidungen des amerikanischen Präsidenten reagiert“, sagt der einflussreiche EU-Abgeordnete Daniel Caspary (CDU). Er hält das für richtig, meint aber auch, irgendwann sei es genug. „Ich wünsche mir“, so Caspary, „dass die Kommission jetzt langsam anfängt, Gegenmaßnahmen zu ergreifen.“
Stefan Beutelsbacher ist Korrespondent in Brüssel. Er berichtet über die Wirtschafts-, Handels- und Klimapolitik der EU.
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