Türkei als Player in den Gaza-Verhandlungen – was ist das Ziel?
Zwischen Israel und der Hamas gibt es neue indirekte Verhandlungen in Katar. Dies unter anderem dank der Anstrengungen der Türkei, die Hamas an den Verhandlungstisch zu bringen. Die Türkei setze alles daran, ihre Rolle als Regionalmacht in einer allfälligen Friedenslösung zu spielen, erklärt Journalist Thomas Seibert in Istanbul.
SRF News: Letzte Woche gab es Treffen zwischen hochrangigen Politikern der Türkei und einem Hamas-Vertreter – worum ging es da?
Thomas Seibert: Der Türkei ging es vor allem darum, die Hamas-Funktionäre dazu zu bringen, auf die Macht im Gaza-Streifen zu verzichten, wenn der Krieg dann einmal vorbei sein sollte. Die Türkei will also für den Tag nach dem Krieg vorspuren.
Wie gross ist der türkische Einfluss auf die Hamas?
Die türkische Regierung pflegt sehr enge Beziehungen zur politischen Führung der Hamas. Dazu gehört etwa der Vorsitzende des politischen Rates, Ismail Darwish. Er war Anfang Jahr bereits bei Präsident Recep Tayyip Erdogan und letzte Woche bei Geheimdienstchef Ibrahim Kalin und Aussenminister Hakan Fidan. Die Türkei schickt auch viele Hilfsgüter nach Gaza. Die Anteilnahme am Leid der Zivilbevölkerung in Gaza ist in der türkischen Bevölkerung gross. Das alles trägt zum Einfluss auf die Hamas bei, der aber vor allen Dingen die politische Führung der Miliz betrifft und nicht so sehr den bewaffneten Flügel.
Das Verhältnis der Türkei zu Israel ist sehr schlecht; Erdogan verglich Premier Netanjahu schon mit Hitler. Wie wirkt sich das auf die Friedensbemühungen aus?
Für die Türkei bedeutet das vor allem, dass sie in Gaza keine Vermittlerin sein kann, weil die Beziehungen zu Israel so schlecht sind. Israel würde eine türkische Vermittlung nie akzeptieren. Die arabischen Vermittler Katar und Ägypten dagegen haben gute Beziehungen zur Hamas und einen Draht auch zu Israel.
Trotzdem stellt sich die Türkei gern als Vermittlerin dar. Warum will sie unbedingt mitwirken?
Die Türkei versteht sich als Regionalmacht und stellt sich auf den Standpunkt, dass sie alles angeht, was in der Region passiert. Sie will einen Fuss in der Tür haben, wenn es um die Zukunft des Nahen Ostens geht. Weil das als Vermittlerin nicht geht, versucht sie es eben mit Einfluss auf die Hamas, wenn es um eine Nachkriegsordnung geht. Mit Blick darauf hat die Türkei auch eine militärische Präsenz im Gazastreifen angeboten – etwa mit einer Polizeitruppe, die die öffentliche Ordnung nach dem Abzug der Israelis garantieren könnte. Das sind natürlich zurzeit nur Gedankenspiele. Sie zeigen aber, wie sehr die Türkei bestrebt ist, da mitzumachen.
In Katar gibt es jetzt weitere indirekte Gespräche zwischen Israel und der Hamas – welches Resultat wünscht sich die Türkei?
Aus Sicht der Türkei wäre das beste Ergebnis eine gemeinsame Regierung von Hamas und der Palästinenserorganisation Fatah im Westjordanland. Die Türkei arbeitet seit Jahren daran, die beiden verfeindeten Palästinensergruppen einander wieder näherzubringen. Das würde der Türkei auch einen gewissen Einfluss auf eine neue Palästinenserführung und in der ganzen Region sichern.
Das Gespräch führte Vera Deragisch.
Haftungsausschluss: Das Urheberrecht dieses Artikels liegt bei seinem ursprünglichen Autor. Der Zweck dieses Artikels besteht in der erneuten Veröffentlichung zu ausschließlich Informationszwecken und stellt keine Anlageberatung dar. Sollten dennoch Verstöße vorliegen, nehmen Sie bitte umgehend Kontakt mit uns auf. Korrektur Oder wir werden Maßnahmen zur Löschung ergreifen. Danke