Antworten auf Ihre drängendsten Fragen zum Nahostkonflikt
Im Live-Q&A haben Sicherheitsexperte Roland Popp, Islam- und Nahostwissenschaftler Simon Wolfgang Fuchs sowie Völkerrechtsprofessorin Evelyne Schmid und Völkerrechtsprofessor Marco Sassòli die drängendsten Fragen aus der SRF-Community beantwortet. Die wichtigsten Erkenntnisse im Überblick:
Völkerrecht unter Druck
Die Angriffe auf iranische Atomanlagen sieht Evelyne Schmid kritisch. Sie warnt eindringlich vor dem schleichenden Verlust völkerrechtlicher Normen. Wenn Staaten bei offensichtlichen Völkerrechtsverletzungen wie im Ukraine-Krieg oder den jüngsten Angriffen im Nahen Osten schweigen, drohe eine gefährliche Erosion der Rechtsordnung. «Nur durch klare Stellungnahmen durch Drittstaaten können völkerrechtliche Regeln gestärkt werden», so die Völkerrechtsexpertin.
Meines Erachtens ist der israelische Angriff auf Iran völkerrechtlich nicht gerechtfertigt.
Marco Sassòli betont, dass weder für Israel noch für die USA das Selbstverteidigungsrecht gemäss UNO-Charta überzeugend geltend gemacht werden könne. «Meines Erachtens ist der israelische Angriff auf Iran völkerrechtlich nicht gerechtfertigt.»
Militärexperte Roland Popp ergänzt, dass Israel politisch der Begin-Doktrin folge, die darauf ausgerichtet sei, «eine zweite Atommacht im Nahen Osten nach Israel zu verhindern, nötigenfalls mit Gewalt».
Welche Rolle kann die Schweiz einnehmen?
Zwar erfülle die Schweiz ihre Schutzmachtfunktion – etwa im Austausch von Botschaften –, für echte Vermittlungen fehle jedoch der politische Wille der Konfliktparteien, so Marco Sassòli. «Die Schweiz könnte aber wohl mehr tun, um bei humanitären Fragen zu vermitteln.»
Droht ein Flächenbrand?
Eine regionale Ausweitung des Kriegs erscheint gegenwärtig wenig wahrscheinlich. Der Iran agiere kalkuliert, die Hisbollah halte ihr Raketenpotenzial zurück, und auch Saudi-Arabien habe kein Interesse an einem grossflächigen Krieg, betont Fuchs.
Stattdessen sei eher mit einem zähen Fortbestehen des Konflikts zu rechnen – ohne klare Perspektive auf Frieden. «Wir werden uns also wohl auf ein unerträgliches Hinziehen der Situation einstellen müssen.»
Die Rolle der Medien und die Unsichtbarkeit des Leids
Während die westliche Öffentlichkeit israelische Opfer namentlich kenne, bleibe das Leid der palästinensischen Bevölkerung oft abstrakt – das erschwere Mitgefühl, so Simon Wolfgang Fuchs. «Es erscheint fast so, als möchten wir gar nicht dem Leid individuell ins Auge sehen.»
Gleichzeitig kritisiert Marco Sassòli: «Ich bin entsetzt, wie wenig über andere Konflikte, wie Kongo, Sudan, Südsudan, Myanmar, Westsahara etc. berichtet wird.»

Zweistaatenlösung: fernes Ziel oder Illusion?
«Eine Zweistaatenlösung, obwohl sie weiterhin das Mantra westlicher Politik ist, erscheint derzeit schlicht unmöglich», glaubt Fuchs.
Die Siedlergewalt der vergangenen Tage und die massive Ausweitung israelischer Siedlungen zeige, dass jegliche Bewegungsfreiheit oder wirtschaftliche Entwicklung für die palästinensische Bevölkerung faktisch unmöglich sei. Auch diplomatische Initiativen könnten daran wenig ändern – zu tief sei das Misstrauen, so Fuchs.
Öffentliche Meinung mit begrenztem Einfluss
Trotz wachsender Kritik an Israels Vorgehen in westlichen Gesellschaften sei der politische Einfluss begrenzt, so Fuchs. «Mein Eindruck ist eher, dass ein Grossteil der Menschen sich sehr unsicher ist, wie sie ihre Meinung ausdrücken können.» Die USA verfolgten zudem eine besonders harte Linie gegenüber iranischen Positionen und verharmlosten Israels Verhalten häufig.
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