Wie die Landwirtschaft Hitze und Trockenheit trotzt
Die aktuell hohen Temperaturen von weit mehr als 30 Grad sind auch für Deutschlands Landwirte ein Problem. Sie sind durch die klimatischen Veränderungen gezwungen, neue Wege zu gehen.
Es ist eine der höchsten Warnstufen - das zeigt ein Blick auf die Hitzekarte des Deutschen Wetterdienstes (DWD) in diesen Tagen. Dort liegt über ganz Deutschland eine violette bis dunkelviolette Färbung. Sie soll vor extremer Hitze warnen.
Mitten im dunkelvioletten Bereich in Baden-Württemberg liegt Heilbronn. Hier bewegen sich die Temperaturen seit Wochenbeginn rund um die 35-Grad-Marke. Tage wie diese sind dabei längst keine Ausnahme mehr: Sie kommen wegen des Klimawandels nicht nur häufiger vor als noch vor einigen Jahrzehnten, sie kommen auch schon früher im Jahr.
Ernte schon früher im Jahr
Das stellt Landwirte wie Stefan Kerner vor große Herausforderungen. Er befindet sich gerade am Anfang der Erntesaison und drischt aktuell unter anderem reifen Mohn, den er im Winter auf seinem Feld gesät hat. Bis vor sieben Jahren wurde noch im Frühsommer ausgesät, dafür ist es aber mittlerweile zu heiß, erklärt Kerner. Der Grund: Bei Temperaturen über 30 Grad brechen die Bestände von Getreide, Hanf, Mohn, Raps und Mais laut Kerner ein. Das greife schließlich die Eiweißstrukturen der Pflanzen an, ohne die sie nicht überleben können.
Um das zu vermeiden, säht Kerner mittlerweile nicht mehr im Frühsommer aus, sondern im feuchten Winter. So kann er schon im Frühsommer ernten. Das Ergebnis: Die Mohnernte in diesem Jahr sieht gut aus.
Die Veränderungen durch den Klimawandel nimmt der Landwirt sehr genau wahr. Er glaubt: "Man hatte früher auch mal eine Woche, zwei Wochen Hitze. Aber dass es sich jetzt zwei, drei, vier, fünf Wochen ziehen kann, das sind Phänomene, die sind uns nicht bekannt."
Kichererbsen statt Getreide?
Und noch einen Schluss hat der Heilbronner Landwirt für sich gezogen: Er hat neue, hitzeresistente Sorten in sein Sortiment mit aufgenommen, wie etwa die Kichererbse. Kerner vertreibt sie in seinem Hofladen. Der Vorteil der Kichererbse: Sie hält hohe Temperaturen aus, schließlich kommt die Pflanze aus Regionen wie dem Nahen Osten.
Hinzu kommt laut Kerner noch ein Vorteil: Die Kichererbse bildet spezielle Knöllchen aus. "Diese Knöllchen können den Luftstickstoff binden und der Pflanze zur Verfügung stellen. Und somit ernährt sich die Pflanze quasi autark über die Knöllchenbakterien", erklärt der Landwirt.
Ein Nachteil der Hülsenfrucht: Feuchtes Wetter kurz vor der Ernte im August übersteht sie nicht. Das sorgt laut Kerner für unsichere Erträge. In der hitzeresistenten Pflanze sieht der Heilbronner Landwirt trotzdem großes Potenzial. Er glaubt: "Die Vermarktungsstrukturen müssen natürlich noch deutlich aufgebaut werden und auch die Anwendung bis auf den Tisch - da ist noch ein großes Fragezeichen und noch viel zu tun."
Konkret spielt Kerner darauf an, dass Konsumentinnen und Konsumenten die Kichererbsen erst einweichen müssen, bevor sie essbar sind. Das bemängelten viele Kundinnen und Kunden in seinem Laden. Eine Lösung wäre seiner Ansicht etwa, die deutschen Kichererbsen in Dosen einzuweichen, sodass sie sofort essbar sind.
Bauernverband stellt sich auf Klimawandel ein
Aber dennoch: Gerade für die heißen und trockenen Regionen Deutschlands wie Baden-Württemberg, Bayern, Sachsen oder Thüringen könnte die Kichererbse laut Kerner eine interessante Kultur sein.
Mit seinen Erfahrungen ist Landwirt Kerner nicht allein. Auch der Deutsche Bauernverband stellt sich auf den Klimawandel ein. Der Präsident des Deutschen Bauernverbandes, Joachim Rukwied, sagte anlässlich des bundesweiten Ernteauftaktes dazu: "Wir haben unsere Fruchtfolgen erweitert, das heißt, der Abstand der gleichen Kultur dauert dann zwei bis drei Jahre länger als in der Vergangenheit."
Außerdem setze man bei dem Verband auf widerstandsfähigere Sorten. Was die Landwirtschaft angehe, sei man in einem Veränderungsprozess, so Rukwied.
Mehr heiße Tage, weniger Regen
Bestätigt wird Rukwied auch vom Deutschen Wetterdienst. Dort beobachten Meteorologen wie Uwe Schickedanz eine Zunahme von heißen Tagen - also von Tagen, an denen das Thermometer mehr als 30 Grad anzeigt. So habe es in der Periode von 1961 bis 1990 im Durchschnitt 0,5 heiße Juni-Tage gegeben, erklärt Schickedanz. "Das heißt, rein statistisch ist in jedem zweiten Juni so ein Tag mal aufgetreten. In der Referenzperiode 30 Jahre danach, von 1991 bis 2020, hat sich die statistische Häufigkeit schon vervierfacht."
Europa sei dabei besonders betroffen, erklärt der Meteorologe: "Europa ist der am stärksten vom Klimawandel betroffene Kontinent auf dem Globus." Dieser Juni war demnach in Baden-Württemberg der zweitwärmste seit dem Rekord-Juni 2003.
Keine Probleme mit dem Grundwasser
Gleichzeitig beobachtet der DWD, dass Niederschläge insgesamt abnehmen, "und zwar am stärksten im Frühling und im Frühsommer". Um das abzulesen, habe man zwei Klimareferenzperioden miteinander verglichen: die von 1961 bis 1990 und die von 1991 bis 2020. Die Zahlen zeigen: "Gerade im Juni ging es in Stuttgart beispielsweise von 93 auf etwas in den 70 Millimeter Niederschlag im Durchschnitt zurück. Das sind rund 20 Prozent, das ist sehr viel."
Derzeit nimmt die Trockenheit im ganzen Land zu, das könne man auch an der Entwicklung des Waldbrandindexes des DWD ablesen, so Schickedanz. Er erklärt: "Einen Schwerpunkt in Puncto Trockenheit würde ich momentan im Süden, im Südwesten und gegebenenfalls noch im Osten sehen."
Aktuell keine Probleme gibt es laut Schickedanz mit dem Grundwasser. Grund dafür ist demnach, dass das vergangene Jahr 2024 besonders nass war und die Speicher wieder aufgefüllt sind. Nach dem trockenen Frühjahr drohe sich die Situation allerdings wieder zu verschärfen. Nun bleibt es laut dem Meteorologen abzuwarten, wie das Wetter in den kommenden Monaten ausfällt.
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