Im Iran herrscht nach der Feuerpause mit Israel und den USA grosse Verunsicherung in der Bevölkerung. Das Internet funktioniert noch immer nur teilweise und die Sicherheitskräfte haben im Nachgang der israelischen und amerikanischen Bombardements Hunderte unter dem Vorwurf der Spionage oder Sabotage verhaftet.

Derweil versuchen die Menschen im Iran wieder Tritt zu fassen. Es gelingt nur langsam.

Es fühle sich an, als würden die Menschen gerade erst anfangen, den Stress der letzten zwölf Tage zu verarbeiten, sagt eine 25-jährige Studentin. Sie floh mit ihrem Bruder, den Eltern und den Grosseltern während der israelischen Bombardierungen in den Norden des Irans und kehrte einen Tag nach der Waffenruhe in die Hauptstadt zurück. Von Normalität könne keine Rede sein. Bei jedem noch so kleinen Geräusch zuckten die Menschen zusammen.

Razzien und Verhaftungen

Staatschef Ayatollah Ali Khamenei selbst war tagelang abgetaucht. Erst gestern sprach er wieder zur Öffentlichkeit. Und spielte die Auswirkungen des Kriegs herunter. Die Angriffe hätten nichts Bedeutendes erreicht. Die Islamische Republik gehe als Sieger aus dieser Konfrontation mit dem zionistischen Feind und den USA hervor, sagte Khamenei in einer aufgezeichneten Videobotschaft.

Gleichzeitig reagierte der iranische Sicherheitsapparat mit einer Welle von Razzien und Verhaftungen. Allein nach offiziellen Angaben wurden bereits über 700 Menschen festgenommen. Sechs Menschen wurden hingerichtet. Oppositionsmedien im Ausland berichten, dass ihre lokalen Mitarbeitenden von den Revolutionsgarden eingeschüchtert, ja bedroht worden seien.

Es wirkt auch diesmal so, als suchten die Behörden Sündenböcke.
Studentin in Teheran

Das Regime macht Saboteure verantwortlich für die Reihe von Attentaten auf Armeegeneräle und Atomwissenschaftler. Informationen, die an den Erzfeind Israel weitergegeben wurden, hätten die Ermordungen bis in die innersten Kreise des Regimes erst möglich gemacht.

Die Studentin ist nicht überrascht. Das Vorgehen der iranischen Behörden folge einem bekannten Muster: Es wirkt auch diesmal so, als suchten die Behörden Sündenböcke, sagt die Studentin in Teheran.

Die Angst bleibt

Ähnlich äussert sich die 35-jährige Medizinerin Niusha, deren Namen geändert wurde. Sie könne nur hoffen, dass das Regime die tatsächlichen Spione treffe. Doch die Erfahrung von früheren Repressionswellen lasse sie daran zweifeln. Unschuldige könnten den Preis bezahlen für das Versagen der politischen Führung.

Die Sorge, dass der Krieg jederzeit erneut ausbrechen könnte, lässt mich nicht los.
Medizinerin

Für viele im Iran ist die Gefahr ohnehin nicht gebannt: Der Krieg mag pausieren, doch die Angst bleibt.

Sie habe keine Ahnung, was die Zukunft bringt, sagt Niusha. Die Sorge, dass der Krieg jederzeit erneut ausbrechen könnte, lasse sie nicht los. In ihrem Kopf herrsche so viel Ungewissheit, dass sich selbst der Gedanke daran anfühle, als würde sie in einem Sumpf versinken.

Legende: Menschen in Teheran nehmen am 26. Juni 2025 an der Beerdigung eines Angehörigen der Basidsch-Miliz teil, der bei einem israelischen Angriff getötet worden war. Die von der Islamischen Republik Iran geschaffene Freiwilligen-Miliz wird zur Kontrolle der Gesellschaft eingesetzt. Keystone/AP VAHID SALEMI

Nach dem Bombenhagel und den gezielten Tötungen zentraler Figuren im iranischen Machtapparat greift der Staat durch, mit dem Argument, die Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen.

Doch in der Bevölkerung ist die Sorge gross, dass sie – nach den israelischen Angriffen – nun auch von der eigenen Führung ins Visier genommen wird und erneut zwischen die Fronten gerät.

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