Der gesetzliche Mindestlohn in Deutschland von derzeit 12,82 Euro soll in zwei Schritten bis zum 1. Januar 2027 auf 14,60 Euro pro Stunde steigen. Dies sieht ein am Freitag mitgeteilter Beschluss der Mindestlohnkommission vor, der formell vom Bundesarbeitsministerium umgesetzt werden muss. 2026 soll der Mindestlohn im ersten Schritt auf 13,90 Euro steigen. Die Entscheidung sei von den Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertretern im Gremium „einstimmig“ getroffen worden, sagte die Vorsitzende Christiane Schönefeld.

Bundesarbeitsministerin Bärbel Bas kündigte an, den Vorschlag umzusetzen – obwohl ihre Partei eigentlich einen Mindestlohn von 15 Euro ab 2026 gefordert hatte. „Der gemeinsame Vorschlag bedeutet für Millionen Menschen mehr Geld im Portemonnaie“, erklärte die SPD-Politikerin nun in Berlin. „Ich werde der Bundesregierung deshalb vorschlagen, diese Anpassung durch Rechtsverordnung zum 1. Januar 2026 verbindlich zu machen.“ Der Mindestlohn steige um insgesamt 13,88 Prozent: „Das ist die größte sozialpartnerschaftlich beschlossene Lohnerhöhung seit Einführung des Mindestlohns.“ Die Mindestlohnkommission entscheidet alle zwei Jahre über die Anpassung.

Die nordrhein-westfälische SPD-Landeschefin Sarah Philipp hatte noch gefordert, den Mindestlohn gesetzlich anzuheben. „Ich halte es für absolut wichtig, hier einen Pflock einzuschlagen und den Mindestlohn auf 15 Euro anzuheben, notfalls per Gesetz“, sagte Philipp POLITICO. „Das ist notwendig.“

Auch den Grünen reichte die Empfehlung nicht. „Ein Mindestlohn von 13,90 Euro ist viel zu wenig und eine herbe Enttäuschung für Millionen von hart arbeitenden Menschen in Deutschland“, sagte Ex-Parteichefin Ricarda Lang dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) laut Vorabmeldung. „Wer arbeitet, muss davon nicht nur überleben, sondern gut leben können. Ein Mindestlohn, der nicht konsequent vor Armut schützt, verfehlt sein Ziel.“ Wenn die SPD jetzt nicht handele, begehe sie Wortbruch. „Bärbel Bas, es ist an der Zeit das Wort zu halten“, sagte auch Grünen-Fraktionschefin Katharina Dröge auf einem gemeinsamen Instagram-Video.

CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann begrüßte die Verständigung. „Es ist gut, dass die Mindestlohnkommission sich einvernehmlich geeinigt hat“, sagte er. „Das ist gelebte Sozialpartnerschaft und zeigt, dass die Kommission funktioniert. Die Lohnfindung bleibt auch in Zukunft Sache der Tarifpartner.“

Scharfe Kritik von Kretschmer und Handelsverband

Der sächsische Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) warnte hingegen vor den Folgen der Erhöhung. „Es ist eine von vielen Entscheidungen, die sehr deutlich zeigen, dass handelnde Personen die dramatische wirtschaftliche Situation in Deutschland unterschätzen“, sagte er in Dresden. 100.000 Industriearbeitsplätze seien in den vergangenen zwölf Monaten in Deutschland abgebaut worden. „Die Bundesrepublik ist nicht mehr wettbewerbsfähig. Wirtschaften in Deutschland muss dringend günstiger und nicht teurer werden.“

Ähnlich äußerte sich der Handelsverband Deutschland (HDE). „Jobs müssen sich für Arbeitgeber in der Privatwirtschaft rechnen, sonst fallen sie weg“, sagte HDE-Präsident Alexander von Preen. Die Entscheidung setze im Einzelhandel zahlreiche Stellen aufs Spiel. Die Mindestlohnkommission hätte die schlechte konjunkturelle Lage der Branche sowie die drohenden Arbeitsplatzverluste stärker berücksichtigen müssen. Das Existenzminimum abzusichern sei in Deutschland „allein Aufgabe der staatlichen Sozialpolitik, nicht die der unabhängigen Mindestlohnkommission“. Die Entscheidung werde schwerwiegende Folgen für den Wirtschaftsstandort Deutschland haben, so von Preen.

Die Kommissionsvorsitzende Schönefeld sprach von einem tragfähigen Kompromiss, der für einen Ausgleich zwischen den Interessen der Arbeitnehmer und Betriebe sorge. Mit Blick auf in der Öffentlichkeit geäußerte Erwartungen über einen Mindestlohn von 15 Euro sprach sie von sehr schwierigen Gesprächen. „Versuche der politischen Beeinflussung“ seien mit der gewollten Unabhängigkeit der Mindestlohnkommission „nicht vereinbar“, kritisierte sie.

Auch der Verhandlungsführer der Arbeitgeber, Steffen Kampeter, kritisierte den großen Druck, der in den letzten Monaten von politischer Seite auf die Kommission ausgeübt worden sei. Union und SPD hatten in ihrem Koalitionsvertrag festgehalten, ein Mindestlohn von 15 Euro im Jahr 2026 sei „erreichbar“, die Sozialdemokraten hatten auch in den Folgemonaten immer wieder auf 15 Euro gepocht.

Der Verhandlungsführer des Deutschen Gewerkschaftsbunds, Stefan Körzell, sprach von „harten Verhandlungen“. Über Wochen war man sich in dem Gremium uneins gewesen, wie aus Verhandlungskreisen verlautete. Wäre die unabhängige Mindestlohnkommission nicht zu einer Einigung gekommen, hätte der Gesetzgeber handeln können.

Schon einmal schritt der Gesetzgeber ein

Der Mindestlohn in Deutschland war 2015 unter Kanzlerin Angela Merkel (CDU) eingeführt worden. Bei der Erhöhung auf 12 Euro im Oktober 2022 hatte ausnahmsweise der Gesetzgeber dem Gremium die Entscheidung per Gesetz aus der Hand genommen. Damals hatte der spätere Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) den Mindestlohn mit ins Zentrum seines Wahlkampfs für mehr „Respekt“ gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern gestellt.

Entscheidende Faktoren für die Lohnuntergrenze sind die zurückliegende Entwicklung der Tariflöhne in Deutschland, errechnet durch das Statistische Bundesamt. Zudem dient der mittlere Lohn als Ausgleichsgröße, denn als angemessener Mindestlohn gelten 60 Prozent des nationalen Medianlohns, also des statistisch errechneten mittleren Lohns. So soll vermieden werden, dass künftig noch mehr Menschen durch Armut gefährdet sind.

Vergangenes Jahr waren laut offizieller Statistik 15,5 Prozent der Bevölkerung armutsgefährdet – rund 13,1 Millionen Menschen in Deutschland. Als armutsgefährdet gelten laut EU-Definition alle, die über weniger als 60 Prozent des mittleren Einkommens der Gesamtbevölkerung verfügen. 1378 Euro im Monat nach Steuern und Sozialabgaben waren dies 2024 für eine alleinlebende Person in Deutschland. Die Arbeitgeber hatten allerdings vor gravierenden ökonomischen Folgen durch eine deutliche Mindestlohnerhöhung gewarnt. Deutschland droht 2025 das dritte Rezessionsjahr in Folge.

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