Neue Zuversicht an der Wall Street
Zins- und KI-Fantasien haben die US-Börsen heute gestützt. Im Tech-Bereich wurden neue Rekorde markiert. Spekulationen gab es auch um Notenbankchef Powell, der sich Zinssenkungen bisher entgegenstellt.
Nach der Beruhigung der Lage im Nahen Osten wendeten sich die Anleger an der Wall Street heute wieder altbekannten Themen zu. Dabei trieb sowohl die Hoffnung auf womöglich schnellere Zinssenkungen, aber auch die wieder stark aufgekommene Fantasie rund um das Thema Künstliche Intelligenz (KI) die großen Aktienindizes an.
Nasdaq auf Rekordkurs
Der Dow Jones, der Leitindex der Standardwerte, gewann am Ende 0,94 Prozent auf 43.386 Punkte. Rekorde gab es erneut im Technologiebereich, wo der Auswahlindex Nasdaq 100 ebenfalls 0,94 Prozent zulegte auf 22.447 Punkte. Im Verlauf lag das neue Allzeithoch bei 22.466 Zählern. Bereits gestern hatte der Index einen neuen Rekorde markiert.
Der Nasdaq Composite-Index blieb mit einem Plus von 0,97 Prozent auf 20.167 Punkte ebenso nur knapp unter seiner alten Bestmarke wie der marktbreite S&P 500, der ebenfalls sehr viele Tech-Werte beinhaltet. Der S&P schloss bei 6.141 Punkten um 0,8 Prozent höher und damit nur ganz knapp unter dem Allzeithoch bei 6.147 Punkten.
Neue KI-Fantasie
Die Nasdaq war gestern auf neue Höhen geschnellt, nachdem erneut KI-Fantasie aufgekommen war. Platzhirsch Nvidia markierte ebenso ein neues Rekordhoch wie die Indizes. Der Aktienkurs des Konzerns aus dem kalifornischen Santa Clara legte um mehr als 4,3 Prozent auf über 154 Dollar zu und gewann heute weitere 0,46 Prozent auf 155,02 Dollar hinzu. In der Spitze lag die neue Bestmarke heute bei 156,72 Dollar. Mit diesem Sprung festigt Nvidia seinen Platz als wertvollstes Unternehmen, den der Chip-Hersteller vor einigen Tagen dem Tech-Giganten Microsoft abnahm.
Im Fokus stand auch Micron. Starke Geschäftszahlen und ein überraschend optimistischer Ausblick bescherten dem Chiphersteller zunächst ein vorbörsliches Kursplus von 1,4 Prozent, das aber nicht gehalten werden konnte. Am Ende verlor die Aktie nach Gewinnmitnahmen knapp ein Prozent, nachdem sie aber vorher gut gelaufen war. Seit Anfang April hat sich das Papier fast verdoppelt.
Micron profitiert ebenfalls vom anhaltenden Boom der Künstlichen Intelligenz und erwartet nach einem Umsatzrekord im dritten Geschäftsquartal weiteres Wachstum. Erlös und Gewinn dürften im Schlussviertel (per Ende August) stärker steigen als von Analysten erwartet. Etliche der Experten hoben daraufhin ihre Kursziele für die Aktien deutlich an.
Spekulationen um die Zukunft von Jerome Powell
Einem Pressebericht zufolge könnte US-Präsident Donald Trump bereits deutlich vor Ablauf der Amtszeit von US-Notenbankchef Jerome Powell im Mai 2026 eine Nachfolgeregelung treffen. Sollte dies tatsächlich schon im Herbst geschehen, "steigt die Gefahr, dass Powell in seinen letzten Monaten zur 'lahmen Ente' wird", sagte Devisenexperte Michael Pfister von der Commerzbank. "Und damit steigt auch die Gefahr, dass wir frühere Zinssenkungen sehen." Am US-Rentenmarkt sorgte diese Aussicht allerdings für Gewinne, die Rendite zehnjähriger US-Staatsanleihen fiel auf 4,25 Prozent.
Der Markt erwartet mehrheitlich noch zwei Zinssenkungen der US-Notenbank im Jahresverlauf, allerdings keine Anpassung auf der nächsten Zinssitzung im Juli.
US-Konjunkturdaten im Fokus
Im Tagesgeschäft standen am Nachmittag neue US-Konjunkturdaten im Fokus, die gemischt ausfielen. So startete die US-Wirtschaft schwächer ins Jahr als bisher bekannt. Im ersten Quartal sank das Bruttoinlandsprodukt (BIP) zum Vorquartal um annualisiert 0,5 Prozent. In einer vorangegangenen Erhebung war nur ein Rückgang um 0,2 Prozent ermittelt worden. Volkswirte hatten im Schnitt eine Bestätigung erwartet.
Unterdessen zeigt sich der US-Arbeitsmarkt mit einem unerwartet deutlichen Rückgang der Erstanträge auf Arbeitslosenhilfe in einer weiter robusten Verfassung. Konkret sank die Zahl der Hilfsanträge um 10.000 auf 236.000, wie das Arbeitsministerium heute in Washington mitteilte. Volkswirte hatten im Schnitt 243.000 Anträge erwartet.
In den Wochen bis Anfang Juni war die Zahl der Anträge allerdings mehrfach gestiegen. Sie hatte zu Beginn des Monats mit rund 250.000 den höchsten Wert seit vergangenem Oktober erreicht. Experten hatten in diesem Anstieg erste Signale für ein mögliches Ende der robusten Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt der weltgrößten Volkswirtschaft ausgemacht. Generell spielen Arbeitsmarktdaten eine wichtige Rolle bei geldpolitischen Entscheidungen der US-Notenbank Federal Reserve. Zuletzt hatte die Fed den Leitzins abermals stabil in der Spanne von 4,25 bis 4,50 Prozent gehalten.
DAX setzt Erholung fort
Der DAX hat seine jüngste Erholung fortgesetzt und höher geschlossen. Am Ende stieg der deutsche Leitindex um 0,6 Prozent auf 23.649 Zähler. Hauptgrund war eine freundliche Wall-Street-Tendenz, weil wieder Fantasie rund um das Geschäft mit Künstlicher Intelligenz (KI) sowie einer möglichen Zinswende aufgekommen ist.
Ab Mittag hatten die anfänglichen Gewinne zu bröckeln begonnen, die den Index zuvor bis auf 23.710 Punkten getrieben hatten. Das Tagestief lag heute bei 23.549 Punkten. Der MDAX, der Index der mittelgroßen Werte, gewann ebenfalls 0,6 Prozent auf 30.100 Punkte.
Getragen wird der jüngste Aufschwung am Aktienmarkt weiterhin durch den Waffenstillstand im Nahost-Konflikt zwischen Israel und dem Iran. US-Präsident Donald Trump kündigte mittlerweile Gespräche mit dem Iran für die kommende Woche an. Übergeordnet stellt sich für die Anleger aber die Frage, ob die Verringerung der geostrategischen Risiken reicht, um den DAX auf neue Rekordhochs zu treiben.
Der 9. Juli wirft seine Schatten voraus
Nach Einschätzung des Marktbeobachters Jürgen Molnar vom Broker Robomarkets reicht die Waffenruhe im Nahen Osten mit Blick auf den DAX nicht aus, um vor der näher rückenden Sommerpause neue Kursfantasie zu wecken.
Zwar sei die Geopolitik als Risikofaktor kleiner geworden, und dies lasse so manchen Anleger etwas beruhigter in die Ferien gehen. Allerdings könnte die US-Handelspolitik den derzeitigen Optimismus schnell wieder einfangen. Am 9. Juli endet im Streit mit der Europäischen Union (EU) die bisherige Frist für eine Aufschiebung hoher US-Zölle. Am Abend erklärte die Sprecherin des Weißen Hauses, Karoline Leavitt, vielleicht könne die Frist verlängert werden. "Aber diese Entscheidung muss der Präsident treffen." Der DAX zog darufhin nachbörslich an.
Das große Thema Zollkonflikt rücke wieder in den Blickpunkt der Märkte, schreibt auch Manfred Schlumberger, Leiter Kapitalmarktanalyse bei der Fürstlich Castell'schen Bank. "Man hört wenig von Verhandlungsfortschritten, muss aber davon ausgehen, dass die Zölle gekommen sind, um zu bleiben. Mit Zöllen in Höhe von 10 bis 20 Prozent muss langfristig gerechnet werden", so der Marktexperte.
Zuletzt hatten sich sowohl US-Präsident Trump als auch Bundeskanzler Merz unzufrieden mit dem Verhandlungsverlauf zwischen der EU und den USA geäußert. Während Trump dabei nach altbekanntem Muster den Druck erhöhte, kritisierte der Kanzler die zu kleinteilige Verhandlungsführung der EU-Vertreter. Das Thema dürfte in den kommenden Tagen weiter an Bedeutung gewinnen.
Eurokurs steigt immer weiter
Am Devisenmarkt ließ die Sorge um eine Politisierung der Geldpolitik die US-Währung einbrechen - der Dollar-Index fiel zeitweise auf den niedrigsten Stand seit März 2022. "Das Problem dabei ist, dass dadurch Fragen aus dem Anfang des Jahres rund um die Unabhängigkeit der Fed wieder aufgeworfen werden, was, wie wir gesehen haben, das Vertrauen in die Fed und den Dollar untergräbt", sagte Tony Sycamore, Marktanalyst bei IG. Auch die erratische Zollpolitik der Trump-Regierung hat das Vertrauen in den Greenback zuletzt geschwächt und hohe Kapitalabflüsse ausgelöst.
Der Kurs des Euro stieg heute weiter an auf über 1,17 Dollar, die Tagesspitze lag bei 1,1744 Dollar. Zuletzt kostete die Gemeinschaftswährung im US-Handel 1,1703 Dollar. Die Europäische Zentralbank setzte den Referenzkurs auf 1,1695 (Mittwoch: 1,1598) Dollar fest.
Rheinmetall an der DAX-Spitze
Unter den Einzelwerten dominierten Rheinmetall den DAX mit einem Plus von über sieben Prozent. Auch Renk und Hensoldt stiegen im MDAX. Die Rüstungsbranche lege seit dem Jahr 2022 im Sommer stets eine Pause ein, schrieb die Investmentbank JPMorgan. Sollte das auch in diesem Jahr wieder der Fall sein und das Kursniveau sinken, rät die Bank längerfristig investierenden Anlegern, diese Rücksetzer zum Einstieg zu nutzen.
Autoaktien geben nach
Nicht gefragt waren Autoaktien, die zu den größten Verlierern zählten im DAX. Die Branche gilt als besonders betroffen, sollten sich die EU und die USA nicht auf ein Handelsabkommen einigen. Entsprechend ziehen sich die Anleger zurück. Am DAX-Ende aber standen Adidas, die durch höhere US-Zölle ebenfalls stark negativ betroffen wären. Die Aktie verlor rund 2,5 Prozent.
Seltene Erden: Siemens Energy spricht mit chinesischen Produzenten
Der DAX-Energietechnikkonzern Siemens Energy will für den Bezug seltener Erden chinesische Produzenten nach Europa locken. "Im Allgemeinen sprechen wir auch mit chinesischen Zulieferern über die Möglichkeit, Fabriken in Europa zu bauen", sagte die bei der Wind-Tochter Siemens Gamesa für Beschaffung zuständige Managerin (COO) Carina Brehm auf einer Unternehmensveranstaltung.
Verzögerungen bei der Lieferung seltener Erden bereiten nicht nur der Automobilindustrie Kopfschmerzen, sondern auch Windturbinenherstellern. Siemens Gamesa will Brehm zufolge seine Bezugsquellen breiter aufstellen. Hierzu gehörten auch Lieferanten aus Australien und Japan. Siemens Gamesa ist der größte Offshore-Windturbinenhersteller der Welt.
Mars kauft Pringles - EU-Kommission fürchtet höhere Preise
Die EU-Kommission befürchtet angesichts der geplanten Übernahme des Nahrungsmittelherstellers Kellanova durch den US-Lebensmittelkonzern Mars höhere Preise für Verbraucher. Hintergrund ist eine größere Verhandlungsmacht von Mars gegenüber Einzelhändlern in der EU, teilte die Kommission mit. Bis zum 31. Oktober will die Behörde nun entscheiden, ob ihre Sorge begründet ist und sie weitere Schritte einleitet.
Nike überzeugt nicht wirklich
Der US-Sportartikel-Riese und Adidas-Konkurrent Nike hat weiter mit Umsatzrückgängen zu kämpfen. Im vierten Quartal (bis Ende Mai) des Geschäftsjahrs 2024/25 sanken die Erlöse im Jahresvergleich um 12 Prozent auf 11,1 Milliarden US-Dollar (9,5 Mrd. Euro). Nike übertraf damit aber die Erwartungen der Analysten. Grund für den Rückgang war ein schwächelndes China-Geschäft. Unter dem Strich sackte der Gewinn um 86 Prozent auf 211 Millionen Dollar ab. Beim Gewinn pro Aktie übertraf Nike mit 14 US-Cent aber die Analysten-Prognose leicht. Die Aktie sank im nachbörslichen US-Handel um 1,1 Prozent.
Im Oktober war der frühere Top-Manager Elliott Hill aus dem Ruhestand zu Nike zurückgekehrt und hatte den Spitzenjob übernommen. Zur Strategie seines Vorgängers John Donahoe gehörte, stärker auf Direktverkäufe zu setzen. Die Kehrseite war jedoch, dass der von Nike aufgegebene Regalplatz in den Läden durch Produkte von Konkurrenten gefüllt wurde.
"Unsere finanziellen Ergebnisse sind zwar im Rahmen unserer Erwartungen, aber nicht da, wo wir sie haben wollen", sagte Hill. Im neuen Geschäftsjahr soll sich die neue Strategie unter dem Namen "Win Now" auszahlen. "Wir schlagen ein neues Kapitel auf", sagte Hill. Der nächste Schritt sei eine Sport-Offensive, mit der der Umsatz wieder wachsen solle. Um bei Läufern wieder zu punkten, hat Nike die Modelle "Pegasus" und "Vomero" auf den Markt gebracht.
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