Mit einem Baustellenmarathon wollte die Bahn ihr Schienennetz bis 2030 zu einem "Hochleistungsnetz" machen - doch daraus wird nichts. Warum es nun deutlich länger dauert und welche Rolle Oberleitungen dabei spielen.

Es sind wohlklingende Formulierungen, die die Deutsche Bahn gewählt hat, um die schlechte Nachricht zu umschreiben. Nach nur einem Jahr beerdigt sie den Zeitplan für ihre groß angelegte "Korridorsanierung", die aufwändige Komplettinstandsetzung und -modernisierung von 40 der wichtigsten Bahnstrecken in Deutschland. Bis 2030 wollte der Staatskonzern damit fertig sein. Nun ist von 2035 die Rede.

Im Bahn-Sprech liest sich das so: Die DB InfraGO "treibt ihre Planungen voran". Ziel der Anstrengungen? "Mehr Qualität und Pünktlichkeit im Zugverkehr." Mit einem heute begonnenen "Branchendialog" soll beratschlagt werden, welche Sanierung wann sinnvoll ist - und welche nicht.

Stopp nach nur einer Sanierung

Von 41 eigentlich geplanten "Korridorsanierungen" ist damit nur eine beendet worden: die Sanierung der Riedbahn zwischen Mannheim und Frankfurt am Main. Und auch diese nicht vollständig, wie Kritiker bemängeln. Dabei sollte die Riedbahnsanierung zeigen, dass es geht: eine wichtige Verbindung für einige Monate vollsperren, um sie danach als "Hochleistungsstrecke" wieder in Betrieb zu nehmen.

Christian Böttger, Bahnexperte und Professor an der Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin, blickt kritisch auf das Ergebnis der Sanierung, die Ende 2024 weitgehend abgeschlossen wurde: "Das Hauptziel 'Pünktlichkeit' hat man verfehlt, aber dafür ist es dreimal so teuer geworden. Also die ganz große Erfolgsgeschichte sehe ich da nicht."

Zudem sei ein Teilziel nicht innerhalb des Zeitplans erreicht worden: die Modernisierung der Strecke mit dem Zugbeeinflussungssystem ETCS. Statt einer Erfolgsgeschichte hat die Riedbahn der Bahn aufgezeigt, was alles nicht geht - und wie hoch die tatsächlichen Kosten der Korridorsanierungen sind.

Kaum freie Kapazitäten im Bahn-Bau

Denn für jeden Korridor braucht die Bahn viel Technik und viele Fachleute auf einmal. Durch die Ressourcenkonzentration aber steigen die Preise, denn die Eisenbahnbaubranche ist über Jahre zusammengeschrumpft, freie Kapazitäten gibt es kaum. Verantwortlich dafür ist auch der lang andauernde Sparkurs von Bahn und Bundesregierung. "Die ganze Branche hat sich an die niedrigere Nachfrage angepasst", so Böttger.

Nun, da die Kapazitäten gebraucht werden, sind sie knapp. Entsprechend viel hat die Bahn für die neue Riedbahn bezahlt. "Mietpreise für Bauzug-Loks haben sich teilweise verdreifacht", berichtet Böttger. Engpässe gebe es bei ganz spezifischen Produkten, nicht alles davon sei High-Tech.

"Das Schlimmste gerade sind die Oberleitungen. Der Industrie fehlen die Kapazitäten, um die Strecken mit neuen Fahrleitungen auszurüsten", sagt der Experte. Die Folge: Erneuerungen von Oberleitungen werden verschoben, Planungen über den Haufen geworfen und Planungsbudgets überzogen. Wenn nicht die im Fokus stehenden "Hochleistungskorridore" betroffen sind, fehlt das Material an anderer Stelle - oder wird zumindest teurer.

 

"Nicht ideal, aber notwendig"

Auch der Bundesrechnungshof kritisierte vor einigen Wochen den Preistreibereffekt. Zudem sorgten die Generalsanierungen dafür, dass andere Bahnbauprojekte sich verzögern und verteuern würden. Böttger sieht das ähnlich: "Ein erheblicher Teil der Budgetsteigerungen ist in den Preis gegangen, nicht in die Menge." Selbst die neue Bundesregierung hatte sich schon im Koalitionsvertrag darauf geeinigt, den Sanierungsplan des Staatsunternehmens einer Überprüfung zu unterziehen.

In der Branche atmen nun einige auf, dass die Bahn ihr ehrgeiziges Projekt herunterschraubt. "Der ursprüngliche Zeitplan war sehr ambitioniert - vielleicht zu ambitioniert", sagt Dirk Flege, Geschäftsführer des Verkehrsbündnisses "Allianz pro Schiene". Die Kapazitäten der Branche seien eben eng bemessen. "Dass jetzt nachgesteuert wird, ist nicht ideal, aber notwendig."

Bereits vor dem Start des Sanierungsprogramms hatten einige Experten gewarnt, dass die Sache nicht gut gehen werde. Für Peter Westenberger, Geschäftsführer des Verbands der Transportbahnunternehmen "Die Güterbahnen", ist die "Notbremsung" der Bahn nur folgerichtig: "Die Botschaft ist, dass man sich nicht mehr so viel auf einmal vornehmen darf."

 

Belastungen für Reisende

Aber genau das habe die Bahn anscheinend gemacht. Die Belastungen für Passagiere seien teils enorm, wenn wichtige Strecken komplett gesperrt werden. Der Ersatzverkehr sei nicht überall zufriedenstellend. Und für die Unternehmen, die die Schiene zum Warentransport nutzen, seien langwierige Umfahrungen nötig geworden - bei entsprechenden Kosten. Das sei durch die Entzerrung des Sanierungsprogramms nun etwas weniger dramatisch. "Wir halten die Streckung für sinnvoll", sagt Westenberger.

Der Verband der Bahnindustrie (VDB), der Zusammenschluss der Unternehmen, die Züge, Gleise und dergleichen für die Bahn bauen, räumt ein, dass es Preissteigerungen gegeben hat. Ressourcen zu konzentrieren und bereitzuhalten, um in kurzer Zeit nur eine Strecke zu sanieren, sei aufwändig. "Das ist natürlich teurer als nach einer Standardplanung zu bauen", sagt Sarah Stark, Hauptgeschäftsführerin des VDB.

Ein Preistreiber ist auch der Fachkräftemangel, wie Stark erklärt: "Es gibt bestimmte Spezialisten, die sehr gefragt sind, beispielsweise Gutachter und Prüfer für Projekte." Damit die Unternehmen mehr Fachleute einstellen, müsste langfristig klar sein, dass mehr Geld in die Schiene fließt. Das sei aber momentan nicht der Fall. "Solange wir nicht sicher sein können, dass die Finanzierungen langfristig gesichert sind, wird es keinen Kapazitätsaufwuchs geben", so Stark.

 

Weniger Beeinträchtigungen - dafür längere

Eine solche langfristige Finanzierung ist nun zumindest angedacht. Die Korridorsanierungen sollen an die Laufzeit des kreditfinanzierten Sondervermögens des Bundes gekoppelt werden. Das hieße, dass bis zum Jahr 2035 Geld aus dem Infrastrukturfonds in die Schieneninfrastruktur fließt.

Güterbahnen-Chef Westenberger sieht die Entzerrung des Sanierungsprogramms unterm Strich positiv: "Die Streckung jetzt hat Vorteile für Personen- und Güterverkehr. Die Beeinträchtigungen fallen geringer aus." Sie dauern aber auch rund fünf Jahre länger. Stand heute.

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