Wenn sich die Staats- und Regierungschefs der 32 Nato-Mitgliedländer diese Woche treffen, geht es um nichts weniger als um die Zukunft ihrer Allianz. Mit grossen strategischen Würfen rechnet niemand. Der Nato-Gipfel dürfte bereits als Erfolg gelten, wenn es gelingt, die USA an Bord zu behalten, sagt Fredy Gsteiger, diplomatischer Korrespondent SRF.

Wie macht sich der neue Nato-Generalsekretär Mark Rutte?

Anders als bei G7-Gipfeln leitet bei jenen der Nato nicht der Präsident des Gastgeberlandes die Sitzungen, sondern der Nato-Generalsekretär. Rutte erhält bisher als Nato-Chef gute Noten. Im neuen Amt hilft ihm seine Erfahrung als niederländischer Regierungschef, der stets Koalitionen zusammenhalten musste. Rutte verfügte schon, bevor er zur Nato wechselte, über gute Kontakte zu US-Präsident Trump.

Legende: Rund 40 Staats- und Regierungschefs werden in Den Haag erwartet. Nato-Generalsekretär Mark Rutte (Mitte) und der niederländische Ministerpräsident Dick Schoof (links) erkunden im Vorfeld das Gebiet rund um das Konferenzzentrum, für das die höchste Sicherheitsstufe gilt. REUTERS/Yves Herman

Rutte wird auch als «Trump-Flüsterer» bezeichnet. Gerade deswegen wurde er zum Nato-Generalsekretär gewählt. Eine seiner Hauptaufgaben ist es, zu verhindern, dass Trump der Nato den Rücken kehrt. Ruttes Charmeoffensiven gegenüber Trump empfinden manche als unterwürfig. Sie sind aber wohl nötig.  

Alle Nato-Staaten sollen fünf Prozent ihrer Wirtschaftskraft in die Verteidigung stecken. Warum ist diese Zahl so wichtig?

Salopp gesagt: Weil sie Trump so wichtig ist. Er hat die fünf Prozent Anfang Jahr als Forderung erhoben. Das schien damals den meisten absurd und unerreichbar. Allerdings zauberte Trump die Zahl nicht einfach aus dem Hut. Sie entspricht der Verteidigungsplanung der Nato-Staaten. Also dem, was Nato-Strategen und Militärs als erforderlich erachten, um die Abschreckungsfähigkeit des Bündnisses gegenüber Russland wiederherzustellen und einen allfälligen Angriff zu parieren. Inzwischen gibt es einen Konsens zu den fünf Prozent.

Der Grund für die überraschende Einigkeit: Zum einen hat man in Europa Angst vor Putin und will aufrüsten. Zum anderen hat man Angst vor Trump und mag sich seiner Forderung nicht widersetzen.

Ist für Trump ein Austritt aus der Nato noch ein Thema?

Indem die europäischen Nato-Partner und Kanada das Fünf-Prozent-Ausgabenziel akzeptieren, kann Trump auf dem Nato-Gipfel einen Triumph einfahren. Damit steigt die Chance, dass Trump dem Bündnis wieder positiver gegenübersteht. Dennoch rechnet man in der Nato nun mit zwei «Hochrisikotagen». Denn trotz des durchchoreografierten Gipfeltreffens könnte Trump die Harmonie stören. 

Was hat die Ukraine vom Gipfel zu erwarten?

Weniger als von den vorangegangenen. Immerhin ist beim Fünf-Prozent-Ziel auch die nachhaltige Unterstützung der Ukraine eingerechnet. Es dürften jedoch weder neue Waffenlieferungen noch finanzielle Zusagen beschlossen werden. Unklar ist auch, ob die Trump-Regierung den Nato-Beschluss vom vorigen Jahr bekräftigen mag, der Kiew zumindest grundsätzlich die Perspektive einräumt, Nato-Mitglied zu werden. Trump möchte diesmal auf dem Gipfel am liebsten nur über das Fünf-Prozent-Ziel sprechen.

Geplant war auch eine neue, kantigere Russland-Strategie. Ist damit zu rechnen?

Kaum. Tatsächlich wurde auf dem Nato-Gipfel 2024 in Washington eine neue Russland-Strategie für dieses Jahr angekündigt. Die Stichworte lauteten: Russland einhegen, ihm die Stirn bieten und notfalls das Land bekämpfen. Dazu wird es nicht kommen, weil die USA das nicht wollen. Trumps Faszination für Putin ist ungebrochen, seine Nachsicht gegenüber Russland bleibt gross.

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