Die umstrittene US-Datenfirma Palantir arbeitet eng mit deutschen Polizeibehörden zusammen. Eine Recherche zeigt: In Bayern nutzen Beamte die Software nicht nur für Gefahren bei Großlagen. Unter den Techfirmen hat das Unternehmen bereits den Ruf weg, auf der dunklen Seite der Macht zu stehen.

Die US-Datenanalysefirma Palantir ist eines der geheimnisvollsten Unternehmen aus dem Silicon Valley. Die 2004 vom deutschen Geschäftsmann und früheren Paypal-Chef Peter Thiel mitgegründete Firma sammelt Daten und arbeitet auch mit Regierungen zusammen. Hierzulande nutzen bereits drei Bundesländer die Software des Unternehmens: Bayern, Hessen und Nordrhein-Westfalen.

Der Einsatz der Software dient der Abwehr von Terror und schweren Gefahrenlagen. Die Anwendung mit dem Namen VeRA führt Informationen aus verschiedenen Datenbanken zusammen und wertet sie aus. Das Programm durchforstet die verschiedenen Datenbanken der Polizei, um Querverbindungen zu entdecken, die den Ermittlern sonst vielleicht nie auffallen würden. Das soll der Polizei helfen, potenziellen Tätern auf die Spur zu kommen, noch bevor sie eine Straftat begehen können.

Eine Recherche von "Süddeutscher Zeitung", NDR und WDR zeigt jetzt: Seit Einführung des Systems Anfang September 2024 bis Mai 2025 hat Bayern die Software rund 100 Mal genutzt. Darunter sollen zwar auch große Gefahrenlagen gefallen sein. Weitaus häufiger sei das System aber mit mehr als 20 Mal bei niedrigschwelligen Straftaten zum Einsatz gekommen. Hinzu komme außerdem: Bis zu sieben Angestellte von Palantir arbeiten dem Bericht zufolge teils direkt in den Räumen der Polizei, mit Zugriff auf Test- und Produktivsysteme. Laut dem Sprecher der unabhängigen Arbeitsgruppe Kritische Infrastrukturen, Manuel Atug, handelt es sich dabei um ein "Sicherheitsversagen". Dass private Mitarbeiter eines US-Unternehmens innerhalb der deutschen Polizei operieren, wäre vor zehn Jahren undenkbar gewesen, zitiert ihn die Zeitung.

Erste Aufträge vom CIA

Die Skepsis kommt nicht von ungefähr: Auch einige Datenschützer beäugen Palantir kritisch. Thiel gründete Palantir gemeinsam mit dem Unternehmer Alexander Karp, die beiden haben sich an der US-Elite-Uni Stanford kennengelernt. Bei der Namensfindung haben sie sich von der Fantasie-Trilogie "Herr der Ringe" inspirieren lassen. Das Unternehmen haben sie vielsagend nach den allsehenden Steinkugeln benannt.

Die ersten Aufträge bekam Palantir von der CIA. Für den US-Geheimdienst analysiert das Unternehmen gigantische Datenmengen aus deren Abhörprogrammen. Zudem ist Gründer Thiel nicht unumstritten. Der innenpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Sebastian Fiedler, bezeichnete den Tech-Milliardär zuletzt im "Handelsblatt" als "Demokratiefeind von besonders bedrohlichem Kaliber". Es sei nicht vermittelbar, dass "wir diesen Typen ausgerechnet aus Steuermitteln, die wir den Sicherheitsbehörden zur Verfügung stellen, finanziell fördern".

Thiel ist seit seiner Zeit als Co-Gründer von Paypal eine zentrale Figur im Silicon Valley. Er war einer der ersten externen Kapitalgeber von Facebook und wurde außerhalb der USA bekannt, weil er die Klage von Ex-Wrestler Hulk Hogan wegen eines Sex-Tapes gegen "Gawker" finanzierte, die die Website in die Pleite trieb. Im Präsidentschaftsrennen um seine erste Amtszeit hat Thiel Donald Trump und andere politisch weit rechts stehende US-Politiker mitfinanziert.

Investor Rappold: Palantir verkauft keine Daten, sondern Software

17 Jahre nach Gründung hat das Unternehmen 2020 über eine Direktplatzierung den Schritt an die Börse gewagt. Eigentlich hatte CEO Karp noch im Jahr 2013 einem Börsengang eine Absage erteilt. "Mit knapp 20 Jahren seit der Gründung ist unverhältnismäßig viel Zeit zwischen Gründung und Ipo vergangen. Das ist bei Silicon-Valley-Unternehmen ungewöhnlich. Dort liegt der Schnitt bei fünf Jahren", sagte Investor Thomas Rappold damals ntv.de. Palantir sei ein "überreifes Unternehmen" gewesen und musste erst ein skalierbares Geschäftsmodell und eine Softwareplattform entwickeln, bevor es den Gang aufs Parkett wagen konnte.

Palantir hat unter den Techfirmen den Ruf weg, auf der dunklen Seite der Macht zu stehen. An dem bösen Image als Datenkrake ist laut Rappold allerdings nichts dran. "Datenkrake ist ein komplett missverständlicher Ausdruck, weil Palantir auf Daten zurückgreift, die ihm die Kunden freiwillig geben. Viele denken, Google und Facebook seien die Guten. Und Palantir wird sofort in Zusammenhang mit Geheimdiensten und Militär gebracht." Er gibt zu bedenken: Palantir verkauft keine Daten, sondern Software. Die Daten bekommen sie freiwillig bereitgestellt.

Die Organisation "Gesellschaft für Freiheitsrechte" (GFF) sorgt sich derweil um den im Grundgesetz verankerten Datenschutz. "Wir sehen vor allem einfach das Risiko, dass grundrechtssensible Daten von Menschen eingespeist werden in Softwareanalyse, deren Funktionsweise wir nicht einsehen können und bei der wir nicht ausschließen können, dass sie fehlerbehaftet sind oder womöglich, dass Hintertüren oder Leaks als Risiko drohen", zitiert der Deutschlandfunk die Juristin Franziska Görlitz.

"Es ist das nächste Oracle, das nächste Salesforce"

Inzwischen beschäftigt das Unternehmen weltweit 4000 Mitarbeiter. Der Konzern machte mit seinen Software-Werkzeugen zur Datenanalyse im vergangenen Jahr knapp 2,9 Milliarden Dollar Umsatz. Für dieses Jahr hat das Unternehmen im Januar seine Umsatzprognose für das Gesamtjahr angehoben. Für 2025 geht Palantir von einem Umsatz zwischen 3,74 und 3,76 Milliarden Dollar aus. Experten rechnen hier im Schnitt mit 3,52 Milliarden. Der Analyst Dan Ives sieht die Bewertung von Palantir in drei bis vier Jahren bei einer Billion Dollar. Die Pessimisten unterschätzen seiner Einschätzung zufolge die Kraft der Künstlichen Intelligenz (KI), die Palantir in seiner Software verwendet. "Es ist das nächste Oracle, das nächste Salesforce", zitiert ihn der US-Börsensender CNBC.

Zuletzt hat das Unternehmen stark von den jüngsten geopolitischen Entwicklungen und den engen Verbindungen zu US-Regierungsbehörden profitiert. Medienberichten zufolge soll das Unternehmen von Thiel an der Entwicklung eines komplexen Luftabwehrsystems für Amerika nach israelischem Vorbild beteiligt sein. Der sogenannte "Golden Dome" soll wie der "Iron Dome" über den USA Raketen abwehren, allerdings mit deutlich größeren Reichweiten.

Bereits klar ist: Für Ende September hat das Unternehmen einen fertigen Prototyp mit dem Namen "ImmigrationOS" angekündigt. Im Auftrag der Einwanderungsbehörde ICE entwickelt Palantir eine Software, die Angaben verschiedener Behörden in einer Datenbank zusammenführt. Das Ziel: Migranten finden und überwachen - und das in Echtzeit.

Einigung über bundesweiten Einsatz in weiter Ferne

Ungeachtet der Kritik will auch das Bundesinnenministerium Polizeidatenbanken in Deutschland miteinander verknüpfen. Eine Einigung über einen bundesweiten Einsatz liegt allerdings noch in weiter Ferne. Während die CSU die Nutzung der Software bei Bundespolizei und Bundeskriminalamt (BKA) befürwortet, lehnt die SPD die Einführung strikt ab. Auf der Innenministerkonferenz vergangene Woche gingen SPD-regierte Länder weiter auf Abstand zu Palantir.

Einige SPD-Länder halten es demnach für möglich, dass Palantir Daten deutscher Bürger an die USA übermittelt. Man sei daher interessiert an einer "europäischen" Lösung. Auf Anfrage von "Süddeutscher Zeitung", NDR und WDR versichert Palantir, das Unternehmen verkaufe keine Daten von Bürgern. Man überwache mit seinen Produkten auch niemanden und habe sich als Unternehmen entschlossen, keine Tools zum Vorhersagen von Straftaten (predictive policing) zu entwickeln oder anzubieten.

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