Franziskas* Mann ist psychisch krank, als sie eine Affäre mit ihrem Kollegen beginnt. Was sich anfangs wie eine Rettung anfühlt, entwickelt sich zu einem toxischen Verhältnis.

Rund ein Drittel der Deutschen ist schon einmal fremdgegangen – doch was steckt hinter dem Wunsch nach einer Affäre? In der stern-Serie "Meine Affäre" erzählen Menschen offen von heimlichen Beziehungen, verborgenen Sehnsüchten und Momenten, in denen Treue neu verhandelt wird. 

An Weihnachten, wir hatten Monate nichts voneinander gehört, schickte er mir eine Platte von Katy Perry, auf der sie sang: "In another life / I would be your girl / We keep all our promises / Be us against the world". Wir gegen den Rest der Welt: Sehnsucht schüren, darin war er geübt. Er konnte Nachrichten schreiben, die etwas versprachen und doch in der Schwebe blieben. Aber damals, im Winter 2023, hatte ich keine Lust mehr auf seine Verklärungen. Nicht die Umstände waren verantwortlich für unser Scheitern, das waren wir schon selbst. Also antwortete ich: "Wer will, findet Wege. Wer nicht will, findet Gründe." Seitdem haben wir nie wieder etwas voneinander gehört.  

Martin* war mein Kollege. Wir haben beide im Vertrieb gearbeitet und waren gemeinsam auf großen Geschäftsreisen. Das hat uns zusammengeschweißt. Unsere Kunden sagten, wir würden wie ein altes Ehepaar wirken. Diese Reisen waren die Höhepunkte in meinem ansonsten bedrückenden Alltag. Mein Mann Carsten* war schwer psychisch erkrankt, konnte nicht mehr arbeiten und kam damit schlecht zurecht. An manchen Abenden rastete er ohne Vorwarnung über Nichtigkeiten aus. Er war intelligent, mir rhetorisch überlegen und manipulativ. Um mich vor ihm zu schützen, distanzierte ich mich emotional immer mehr und funktionierte nur noch. 

Eine Affäre, sagte ich zu ihm, sei nicht mein Stil

Im Frühjahr 2018 sind mein Kollege und ich nach Asien gereist, und ich spürte damals, dass etwas anders war als sonst. Eigentlich war unsere Stimmung leicht, wenn wir unterwegs waren, aber dieses Mal stand etwas zwischen uns. Komisch fühlte es sich an. Es war, als würde unterschwellig ein Prozess mitlaufen. Martin sagte nichts dazu, und ich fragte nicht nach. Monate später auf dem Sommerfest der Firma erklärte er sich: Er sei in mich verliebt. Martin ist verheiratet, Vater einer Tochter. Auch ich bin verheiratet. Eine Affäre, sagte ich zu ihm, sei nicht mein Stil. Als ich ihm erzählte, dass ich sowieso wegziehen würde und gekündigt hatte, fing er an zu weinen. Ihm würden unsere Reisen fehlen, meinte er. Das hat mich berührt. 

Im darauffolgenden Herbst sind Carsten und ich von Köln in meine Heimat, den Bayerischen Wald, zurückgezogen. Ich wollte näher bei meiner Mutter sein und hatte dort einen neuen Arbeitgeber gefunden. Carsten wäre gerne in Köln geblieben. Nach dem Umzug wurden seine Ausfälle extremer. Er nahm Antidepressiva und fing an zu trinken. Zu meinem Kollegen Martin hielt ich weiterhin Kontakt, wir schrieben einander, telefonierten manchmal und trafen uns auch. Wir tranken zusammen Kaffee. Spielten Badminton oder gingen spazieren. 

Einmal sagte Martin, dass es doch nur darum ginge, glücklich zu sein. Dass uns ein kleines Glück zustünde. Er fragte mich, ob ich Lust hätte, mit ihm ein Wochenende nach Österreich zu fahren. Und das hatte ich. Meinem Mann erklärte ich, dass ich an einem Strategie-Meeting der Firma teilnehmen müsste, Martin behauptete bei sich zu Hause dasselbe. Unsere Sehnsucht nach Leichtigkeit verband uns, und die Tage in den Bergen waren wunderschön. Wir haben uns viel erzählt und ich empfand Wertschätzung. Das fühlte sich gut an, davon wollte ich mehr. So hat unsere Affäre begonnen.  

Der Sex mit Martin fühlte sich an wie ein Rausch

In der zweiten Nacht haben wir miteinander geschlafen. Mit meinem Mann lief schon lange nichts mehr im Bett, auch wegen der Psychopharmaka, die er nehmen musste. Der Sex mit Martin fühlte sich an wie ein Rausch. Auf einmal wurde ich wieder als Mensch mit all meinen Sinnen angesprochen und an meine Bedürfnisse erinnert. Daran, dass ich eine Frau bin, mit einer eigenen Sexualität. Und es hat mir vor Augen geführt, dass ich mein Leben ändern musste: So konnte es nicht weitergehen. 

Es fällt mir schwer, in Worte zu fassen, was mich an Martin angezogen hat. Ich glaube, dass ich durch das Verhalten meines Mannes innerlich wie tot war. Und Martin erinnerte mich daran, wieder ins Leben einzutauchen. Ich fühlte mich in seiner Gegenwart wohl, er gab mir Halt. Nach einem Streit mit Carsten bin ich im Frühjahr 2019 zu meiner Mutter gezogen und damit begann unser zweijähriger Scheidungskrieg. Carsten versuchte, sich das Leben zu nehmen, und warf mir vor, schuld daran zu sein. Er stalkte mich, tauchte fast täglich in meinem Reitstall auf. Ich zahlte ihm Unterhalt, doch er forderte immer mehr Geld.  

In dieser Zeit verfestigte sich meine Affäre mit Martin. Ich wohnte inzwischen in einer eigenen Wohnung. Wir telefonierten oft und trafen uns zweimal pro Woche. Sogar im Urlaub waren wir zusammen: zweimal in Dänemark und einmal für ein langes Wochenende in Dubai. Martin lud mich oft ein, er war nicht gerade arm. Mit der Zeit wuchs in mir der Wunsch, dass er sich von seiner Frau trennt und wir ein Paar werden. Wenn ich meinen Wunsch aussprach, reagierte er nicht. Oder er beteuerte, mir treu zu sein: "Seit ich mit dir schlafe, hatte ich keinen Sex mehr mit meiner Frau", sagte er. Das habe ich ihm erst mal geglaubt. Ich wusste wenig über seine Situation zu Hause, er hat kaum etwas erzählt. Ich hätte ihn verlassen sollen. 

Mit den Jahren war er eifersüchtig geworden und fragte mich regelmäßig: "Was machst du heute Abend? Schick doch mal ein Foto!" Es kam vor, dass er mir hinterher recherchierte und plötzlich wusste, welche Pferde an den Turnieren teilnahmen, die ich besuchte. Vier Jahre lang ging es hin und her zwischen uns. 

Seine Psychospielchen beeindruckten mich nicht mehr

"Jetzt ist es vorbei", sagte ich einmal, zweimal, dreimal. Dann hörten wir ein paar Wochen nichts voneinander, bis er mir Nachrichten schickte und mir Versprechungen machte. Manchmal stand er vor meinem Haus und schaute, ob ich Besuch hatte. "Da stand ein Wagen vor deinem Haus", schrieb er dann später, und ich antwortete: "Ja, und?" "Eigentlich wollte ich dir sagen, dass ich mich gerade von meiner Frau trenne", behauptete er, und ich hoffte, dass es stimmte. Ich traf mich mit ihm, schlief mit ihm, aber nichts änderte sich. Mit jedem leeren Versprechen begann ich, mehr in mein eigenes Leben zurückzufinden. Seine Psychospielchen beeindruckten mich irgendwann nicht mehr, auch weil mir dieses manipulative Verhalten von meinem Ex-Mann bekannt war.  

"Es ist vorbei", schrieb ich im Sommer 2023 zum letzten Mal. "Erst wenn es vorbei ist, weiß man, wie schön es war", schrieb er Wochen später – ein blöder Satz. Ich hatte ambivalente Gefühle. Einerseits war er mir eine emotionale Stütze gewesen. Andererseits hatte er mich kontrolliert und manipuliert. Es war erleichternd, dass das vorbei war. Trotzdem bin ich ins Leere gefallen. Wir haben noch eine Weile über den WhatsApp-Status kommuniziert. Dort kann man reinschreiben, was man gerade macht, und den Empfängerkreis einschränken. Er hat meist nur mich angegeben.   

Auf der Platte, die er mir vor zwei Jahren schickte, singt Katy Perrys weiter: "In another life / I would make you stay / So I don’t have to say / You were the one that got away (…)". Ich bin froh, dass ich diejenige bin, die gegangen ist. Eigentlich ziehe ich die Entscheidungen durch, die ich treffe. Dass es mir so schwergefallen ist, zeigt mir, wie instabil ich damals war. Ich war in dieser Affäre Täterin und Opfer zugleich. Heute bin ich wieder mehr bei mir selbst. Ich habe in ein neues, selbstbestimmteres Leben gefunden.

*Alle Namen sind von der Redaktion geändert. Der Kontakt zur Protagonistin vermittelte die Erotikplattform Joyclub.

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