"Ich war nicht rebellisch": "Ku'damm 77"-Star Sonja Gerhardt im Interview
Sie hat recht, wenn sie sagt, sie sehe jünger aus als ihre 36 Jahre. Sonja Gerhardt erscheint voller Energie zum Interview – im Kuschelpulli und kaum älter wirkend als eine Zweitsemesterin. Die Schauspielerin macht es sich vor ihrer Lichterkette gemütlich und kommt ins Plaudern. Vom Dreh zur dritten Staffel der "Ku'damm"-Serie, diesmal angesiedelt im Jahr 1977, erzählt sie mit großer Leidenschaft. Vor 20 Jahren entschied sich die sympathische Berlinerin, die als Kind im berühmten Friedrichstadtpalast tanzte, zum Sprung von der Schulbank direkt vor die Kamera und wurde durch etliche große Produktionen wie "Honigfrauen", "Das Wunder von Kapstadt" und "Jim Knopf und die Wilde 13" einem breiten Publikum bekannt. Wie sie sich immer wieder bei TV-Auftritten gibt, so ist sie auch im Interview: Das Gespräch scheint ihr Spaß zu machen, sie lacht bei fast jeder Antwort und macht gerne Witze. Ihre Figur Monika Schöllack dagegen, für deren Darstellung sie mehrfach ausgezeichnet wurde, hat auch in der dritten "Ku'damm"-Staffel wenig zu lachen. Die drei Folgen von "Ku'damm 77" sind am Montag, 12., Dienstag, 13., und Mittwoch, 14. Januar jeweils um 20.15 Uhr, im ZDF (und schon ab 27. Dezember in der Mediathek) zu sehen.
Seit 20 Jahren vor der Kamera
teleschau: Wie gefällt Ihnen eigentlich der Berliner Ku'damm mit Shopping, Flanieren, vielen Menschen?
Sonja Gerhardt: Ich bin aus Prenzlauer Berg, deswegen ist der Ku'damm eine Weltreise für mich. Aber wenn ich mal da bin, dann gehe ich dort gerne spazieren, gerade auch zu Weihnachten, wenn es so schön beleuchtet ist, natürlich auch auf den Weihnachtsmarkt.
teleschau: Die Figur der Monika Schöllack, Tochter einer gestrengen Tanzlehrerin, ist sehr rebellisch und muss es auch sein, um sich abzunabeln. Wie war das bei Ihnen?
Sonja Gerhardt: Mit 16 fing ich an zu arbeiten, da konnte ich es mir nicht leisten, rebellisch zu sein. Auch beim Tanzen im Friedrichstadtpalast, wo ich mit sechs eingestiegen bin, musste ich immer sehr diszipliniert sein. Rebellisch war ich deswegen weniger. Ich bin mit 16 von der Schule abgegangen und habe das Schauspiel angefangen.
teleschau: Was sagten Ihre Eltern dazu?
Sonja Gerhardt: Meine Eltern haben mich bei allem immer voll unterstützt. Da kann ich mich nicht beschweren (lacht). Wir haben immer noch ein gutes Verhältnis zueinander.
teleschau: Was verbinden Sie persönlich mit den wilden 70er-Jahren, in denen Ihre Eltern jung waren und die dritte Staffel von "Ku'damm" spielt?
Sonja Gerhardt: Disco, Schlaghose, bunte Farben, Hippies, Flower Power ... Meine Eltern haben mir oft von dem starken Zusammenhalt erzählt, den sie mit ihren Schulfreunden hatten: Erst ging man gemeinsam in die Disco, später zu Blues-Abenden – und dort haben sich viele Paare gefunden.
teleschau: Sie haben Rollen aus verschiedenen Epochen gespielt. Welches ist Ihr Lieblingsjahrzehnt?
Sonja Gerhardt: (überlegt) Jedes Jahrzehnt hat seine guten und schlechten Seiten, aber für mich sind es immer noch die Nineties, auch wenn ich in der Zeit noch nichts gespielt habe. Da bin ich aufgewachsen, und die Zeit war schön und prägend für mich. Heute sehe ich die Kinder, die dauernd ihre Handys in der Hand haben. Das hatte ich nicht. Ich war mit anderen Kindern draußen, wir spielten auf dem Hof, es gab Hof- und Straßenfeste. Das fehlt mir schon ein bisschen. Für mich steht es für die Neunziger, als ich ein Kind war.
teleschau: Wenn Sie Kinder hätten, wären Sie streng in Sachen Handynutzung?
Sonja Gerhardt: Ja, wäre ich. Ich kenne Eltern, die das versuchen, aber es ist schwer, sich dem ganz zu entziehen – unsere Gesellschaft ist nun mal auf Handys ausgerichtet. Trotzdem glaube ich, dass ich meinem Kind sehr lange kein eigenes Handy erlauben und andere Formen von Beschäftigung bewusst begleiten würde.
teleschau: Wenn Sie eine emotional besonders fordernde Szene spielen, geht Ihnen das noch lange nach?
Sonja Gerhardt: Während der Szene beschäftigt mich das sehr, danach auch noch kurz, aber ich bin ganz gut darin, es dann auch abzuschließen. Manchmal durchlebt man dabei eigene Themen, die man dann in einer Szene verarbeiten kann, die Möglichkeit hat man ja als Schauspieler (lacht).
"Ich bin stolz auf Monika"
teleschau: Wie ging es Ihnen damit, eine fast erwachsene Filmtochter zu haben?
Sonja Gerhardt: Anfangs war es wirklich interessant. Carlotta ist ein Herzensmensch, und ich finde es ganz toll, dass sie meine Tochter geworden ist. Es hat sehr viel Spaß gemacht, mit ihr zu drehen.
teleschau: Gefällt Ihnen die Rolle der Mutter generell?
Sonja Gerhardt: Auf jeden Fall! Ich werde auch gleich zur Löwenmama, wenn ich eine Mutter spiele. Meine Schützlinge werden beschützt! Ich stehe zu 100 Prozent für meine Schützlinge ein. Die Instinkte funktionieren auch vor der Kamera (lacht).
teleschau: Monika muss sich ihren Platz in der Familie und auch sonst erkämpfen. In "Das Wunder von Kapstadt" spielten Sie eine junge Chirurgin, die in einer von Männern dominierten Welt nicht ernstgenommen wird. Kennen Sie solche Situationen, dass man gerade als Frau die Krallen ausfahren muss, um sich zu behaupten?
Sonja Gerhardt: Familiär nicht. Ich werde oft jünger geschätzt und dadurch unterschätzt, bis ich sage, dass ich 36 bin und schon seit 20 Jahren schauspielere. Dann schauen sie mich ganz überrascht an (lacht). Was mich als Frau nervt, ist, dass man sich immer wieder beweisen und sich seinen Platz erkämpfen muss. Ich hoffe, das wird sich irgendwann ändern.
teleschau: Jünger geschätzt zu werden, freut einen mit zunehmendem Alter aber auch immer mehr ...
Sonja Gerhardt: Absolut. Ich will auch gar nicht meckern. Ich bin mit meinem Aussehen zufrieden.
teleschau: Welchen Rat würden Sie Monika geben, wenn Sie ihr gegenübersitzen würden?
Sonja Gerhardt: Ich würde ihr sagen, dass ich stolz auf sie bin, sie bisher immer ihr Bestes gegeben hat und sie dem Leben vertrauen kann.
teleschau: Sie haben so viele unterschiedliche Frauenfiguren gespielt. Mit welcher davon würden Sie am liebsten mal einen Kaffee trinken gehen?
Sonja Gerhardt: Mit Monika auf jeden Fall, weil sie mir nah ist. Ich habe mal eine Hexe gespielt, Circemeyer in "Die Wolf-Gäng", die fand ich auch grandios. Sie ist bestimmt total unterhaltsam, also würde ich mit der auch gern mal einen Kaffee trinken. Und mit Annett Schneider von "Deutschland 83", die interessiert mich auch besonders. Diese drei Charaktere würde ich gerne mal treffen.
teleschau: "Ku'damm" ist sehr erfolgreich, die neue Staffel wurde lange erwartet. Was macht die Serie für Sie aus?
Sonja Gerhardt: Ich glaube, dass wir Themen ansprechen, die auch heute noch relevant sind. Dieses Mal ist es komplett anders als in den anderen Staffeln, und ich bin sehr gespannt, was die Zuschauer sagen. Wir beginnen jetzt inhaltlich 14 Jahre nach dem Ende der letzten Folge. Das ist eine lange Zeit. Es finden andere Themen statt, die Musik ist eine andere. Ich finde es grandios, wie Annette Hess immer wieder neue Geschichten schreibt und relevante Themen filmisch umsetzen kann. Auch wenn wir es ausführen, die Ideen kommen aus ihrer Feder.
Wie wäre es mit "Ku'damm 89"?
teleschau: "Come back next year" sagt eine Figur ganz am Ende. – Ist das wörtlich zu nehmen, es geht weiter? Vielleicht mit "Ku'damm 89"?
Sonja Gerhardt (gespielt ernst): Wer weiß? Ich kann dazu leider nichts sagen (lacht).
teleschau: Was können Sie uns vom Dreh erzählen? Gab es ein besonderes Erlebnis?
Sonja Gerhardt: Ich war so gerne am Set und bin strahlend aus dem Dreh gegangen. "Ku'damm 56" haben wir 2015 gedreht, also vor zehn Jahren, und 2020 drehten wir die bisher letzte Folge. Jede einzelne Person am Set fühlt sich wie Family an, und mit der "Ku'damm"-Familie zu drehen, war ganz besonders. Ich habe jeden Tag in mich aufgesogen.
teleschau: Sie haben von früheren Folgen erzählt, dass es manchmal sehr viele Outtakes hintereinander gab, weil immer jemand lachen musste. Wie war es diesmal?
Sonja Gerhardt: (lacht) Nee, dieses Mal haben wir zwar auch viel gelacht, aber so viele Outtakes gab es nicht. Einen hatte ich, als ich nicht mitbekommen habe, dass ich die ganze Zeit etwas Falsches gesagt hatte. Hinter der Kamera fingen sie dann an zu lachen, und ich wusste nicht, warum. Das ging ein paarmal so. Natürlich haben wir oft gelacht, aber weniger aufgrund von Versprechern, sondern einfach weil wir so viel Spaß hatten.
teleschau: Es gab lange Zeit die Idee, das Abi nachzumachen und Psychologie zu studieren ...
Sonja Gerhardt: Das interessiert mich tatsächlich noch sehr und ich gucke immer wieder, wie ich das unterkriegen könnte. Ich bin auf der Suche nach etwas, was ich zusätzlich machen könnte. Ich beschäftige mich sehr, sehr gerne mit Menschen.
teleschau: Könnten Sie sich vorstellen, ein Drehbuch zu schreiben und dieses Interesse an Psychologie dafür zu nutzen?
Sonja Gerhardt: Das könnte ich mir auf jeden Fall vorstellen. Ich habe da auch schon einige Ideen, die ich aufgeschrieben habe.
teleschau: Wie feiern Sie Weihnachten und Silvester?
Sonja Gerhardt: Ganz klassisch mit Familie. Und Silvester habe ich dieses Jahr noch nichts geplant, das mache ich gern spontan. Mal schauen, ob ich in Berlin feiere. Vielleicht fliege ich auch irgendwo hin weg, mal schauen.
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