Havana Joy: "Die Unterdrückung findet heute sehr viel subtiler statt"
Havana Joy, die mit bürgerlichem Namen eigentlich Havana Joy Josephine Braun heißt, zählt zu den aufstrebenden Jungstars der deutschen Schauspielszene. Im Jahr 2000 in London geboren, spielte die deutsch-türkisch stämmige Berlinerin 2024 in "Love Sucks" ihre erste Hauptrolle: In der ZDFneo-Serie verkörperte sie die Preisboxerin Zelda, die sich in den Vampir Ben (Damian Hardung) verliebt. Die achtteilige Miniserie war vor allem beim jungen Publikum beliebt. Nun ist Havana Joy erneut in einer öffentlich-rechtlichen Serienproduktion zu sehen: In "Mozart/Mozart" (sechs Folgen ab Freitag, 12. Dezember, in der ARD Mediathek, sowie am Dienstag, 16. Dezember, und Mittwoch, 17. Dezember, jeweils um 20.15 Uhr, im Ersten) spielt sie die oft vergessene Schwester Maria Anna, genannt "Nannerl", von Wunderkind Wolfgang Amadeus Mozart (Eren M. Güvercin). Im Interview spricht Havana Joy über den schwierigen Stand von Frauen im 18. Jahrhundert und heute. Außerdem verrät sie, wie sich ihr Leben seit "Love Sucks" verändert hat.
teleschau: Sie tragen einen interessanten Vornamen. Gibt es dazu eine besondere Geschichte?
Havana Joy: (lacht) Die Leute wünschen sich das irgendwie immer. Aber es gibt keine wahnsinnig interessante Geschichte: Als meine Mama mit mir schwanger war, war sie in London unterwegs. Dort gibt es diese Werbetafeln, auf denen steht "Have a holiday in ...", und in diesem Fall stand da: "Have a holiday in Havanna". Und dann dachte sie sich: "Das ist er!" Und so war's. (lacht)
teleschau: Sie kamen in London zur Welt. Sind Sie auch dort aufgewachsen?
Havana Joy: Nein, ich bin nur dort geboren. Wir sind nach Brandenburg und dann nach Berlin gezogen. In Berlin bin ich dann auch aufgewachsen.
teleschau: Mozart gilt als guter Einstieg in die Klassik. Wann kamen Sie zum ersten Mal mit seiner Musik in Berührung?
Havana Joy: Ich meine das war "Die Zauberflöte". Ich glaube, das habe ich mal als Kind gesehen. Aber da muss ich sehr klein gewesen sein.
teleschau: Sind Sie allgemein ein Fan klassischer Musik?
Havana Joy: Ja, ich höre das total gerne. Ich habe auf jeden Fall keine große musikalische Vorbildung, aber ich finde, die braucht man auch nicht, um Klassik zu genießen. Das Besondere an Klassik ist, dass es meist keinen gesungenen Text gibt. Dadurch hat man so viel Raum für die eigenen Gedanken und Emotionen. Wenn irgendetwas passiert ist, verarbeite ich das sehr gerne, in dem ich aus dem Fenster gucke und klassische Musik dazu höre.
teleschau: Spielen Sie selbst ein Instrument?
Havana Joy: Nein, leider nicht. Als Kind war ich mehr am Sport interessiert als an der Musik. Aber aus heutiger Sicht finde ich das sehr, sehr schade. Denn das Musizieren ist so ein schönes Mittel, um die eigenen Emotionen auszudrücken. Aber so ist es jetzt nun mal.
"Diese Fähigkeiten zu erwerben, war schon ein riesiges Geschenk"
teleschau: Wie viel wussten Sie vor Beginn der Dreharbeiten über Maria Anna Mozart?
Havana Joy: Eigentlich nichts. Das zeigt, finde ich, auch, was da alles schiefgelaufen ist. Weil sie genauso wie Wolfgang Amadeus Mozart ein Wunderkind war und eigentlich auch die gleiche Aufmerksamkeit verdient hätte.
teleschau: War diese Unkenntnis über Maria Anna Mozart dann auch der Grund für Sie, die Rolle zu übernehmen?
Havana Joy: Mich hat ganz viel fasziniert: Zunächst einmal war ich sehr interessiert daran, mit unserer Regisseurin Clara Zoë My-Linh von Arnim und auch mit Eren M. Güvercin als meinem Spielpartner zusammenzuarbeiten. Dann fand ich die Idee einfach super mutig und interessant, einen historischen Stoff modern zu übersetzen, und diesen Ansatz zu verfolgen, dass man auch die Musik von Mozart nicht eins zu eins kopiert, sondern dass man weiterdenkt und überlegt: Okay, was hat die Musik in dem Moment mit den Leuten gemacht, und wie kann ich das wiederum musikalisch in die heutige Zeit übersetzen? Das fand ich spannend. Und zuletzt hat es mich gefreut, diese starke Frauenfigur zu spielen, die dann ja wiederum zeitweise als ihr Bruder auftritt: So ist es fast so, als würde ich zwei Rollen spielen. Allein, diese Fähigkeiten am Klavier und beim Dirigieren zu erwerben, war schon ein riesiges Geschenk.
teleschau: Aber die Hände am Klavier wurden vermutlich gedoubelt, oder?
Havana Joy: (lacht) Ja, die Hände sind gedoubelt. Aber für die Bewegung des Körpers und die Atmung habe ich extra Unterricht bekommen, damit ich das überzeugend aussehen lassen kann. Alles andere wäre völlig vermessen gewesen. Ich habe anfangs noch versucht, Klavier spielen zu lernen, aber weiter als "Fuchs, du hast die Gans gestohlen" bin ich nicht gekommen.
"Ich denke schon, dass ich mich eher im Nannerl wiederfinde"
teleschau: Vor allem der Beginn der Serie konzentriert sich auf das innige Verhältnis zwischen Amadeus und seiner älteren Schwester. Haben Sie Geschwister?
Havana Joy: Nein, ich bin leider Einzelkind. Deswegen genieße ich es umso mehr, wenn ich in Film und Fernsehen endlich mal Geschwister haben kann. Ich habe das Gefühl, diese ganze Geschwisterliebe, die ich in mir drin übrig habe, findet in diesen Rollen endlich mal einen Ausdruck. Das war total schön, vor allem mit Eren als Bruder.
teleschau: Maria Anna Mozart ist definitiv die Vernünftigere der beiden Geschwister. Welche Figur entspricht eher Ihrem privaten Naturell: Maria Anna oder Wolfgang Amadeus?
Havana Joy: Ich denke schon, dass ich mich eher im Nannerl wiederfinde. Dieses sich selbst für das Wohl anderer zurückzunehmen, das ist etwas, woran sowohl sie als auch ich arbeiten wollen. Grundsätzlich finde ich es toll, Figuren zu spielen, die ähnliche Probleme haben wie ich selbst, weil wir die dann zu einem gewissen Teil auch gemeinsam aufarbeiten können.
"Wenn wir als Gesellschaft nicht alle abholen, dann ist das auch irgendwie Quatsch"
teleschau: Frauen hatten zur Zeit Mozarts einen schweren Stand. Mit welchen Gefühlen blicken Sie auf die damalige Situation und die weitere Entwicklung?
Havana Joy: Das ist ein schwieriges Thema. Natürlich, damals gab es noch ganz andere Formen von Unterdrückung. Die Unterdrückung von Frauen war damals viel offensichtlicher und auch viel stärker gesellschaftlich anerkannt. Wir sind auf jeden Fall ein großes Stück weitergekommen, aber ich glaube, es wäre Quatsch, zu sagen, sowas existiert heute nicht mehr. Ich finde, die Probleme existieren auf jeden Fall, und auch ich erlebe sie heute noch! Auch wenn die Unterdrückung heute sehr viel subtiler stattfindet.
teleschau: Haben Sie das Gefühl, dass sich in diese Richtung gerade etwas tut, oder treten wir weiter auf der Stelle?
Havana Joy: Ich finde diese Frage ganz, ganz schwierig zu beantworten. Denn oft denkt man da einfach zu sehr in seiner eigenen Bubble. Das verleitet dann schnell dazu, zu sagen: Okay, in meinem Bereich sind wir jetzt so und so weit gekommen. Wir haben doch eigentlich überhaupt keine Probleme mehr. Aber wenn man dann mal zehn Meter über den eigenen Tellerrand hinausblickt, merkt man: Ah, okay. Da hat sich ja doch noch nichts verändert. Ich finde, wenn wir als Gesellschaft nicht alle abholen, dann ist das auch irgendwie Quatsch, weil das wieder zu Schubladen und zu einer gespaltenen Gesellschaft führt.
teleschau: Was wäre so ein Bereich, von dem Sie sagen: Hier wären Veränderungen dringend nötig?
Havana Joy: Das ist jetzt vielleicht weit hergeholt, aber ich würde mir wünschen, dass der Einstieg für Frauen in handwerkliche Berufe besser gestaltet wird. Das ist ein Feld, mit dem ich auch persönliche Erfahrungen gemacht habe. Aber das führt jetzt zu weit weg vom eigentlichen Thema ...
"Ich würde total gerne mal eine Rolle mit türkischen Wurzeln spielen"
teleschau: "Mozart/Mozart" ist Ihre zweite größere Serie nach der ZDF-Serie "Love Sucks", die in der jüngeren Zielgruppe sehr gut ankam. Inwieweit hat dieser Erfolg auch Auswirkungen auf Ihre eigene Karriere?
Havana Joy: Ich denke schon, dass das gewisse Auswirkungen hat. Wenn eine Serie erfolgreich ist, dann wird man allgemein ein bisschen mehr wahrgenommen. Ich habe natürlich keinen Vergleich, wie meine Karriere verlaufen wäre, wenn "Love Sucks" kein Erfolg gewesen wäre. Aber manchmal passiert es mir inzwischen doch, dass man auf der Straße erkannt wird. Das ist für mich immer wahnsinnig absurd! Ich lebe ja einen ganz normalen Alltag wie andere Menschen auch. Wenn ich dann aus der Uni komme und es spricht mich jemand an, denk ich mir dann meist so: Ach ja, du kennst mich! Klar, können wir ein Foto machen. Das ist schon mega schön und ein großes Zeichen von Anerkennung, wenn sich jemand überwindet, nach einem Foto zu fragen.
teleschau: Wissen Sie schon, wie es bei Ihnen nach "Mozart/Mozart" weitergeht?
Havana Joy: Darüber darf ich leider noch nicht sprechen. Aber es steht auf jeden Fall schon etwas an. Ich habe einfach ganz viel Lust zu drehen und hoffe, es kommt noch einiges auf mich zu!
teleschau: Welche Rolle oder in welchem Genre würden Sie gerne einmal spielen?
Havana Joy: Ich würde total gerne mal eine Rolle mit türkischen Wurzeln spielen, weil ich selbst türkische Wurzeln habe. Mein Türkisch ist aber leider nicht das Gelbe vom Ei. Wenn ich aber für eine Rolle etwas lerne, dann fällt mir das so leicht. Deswegen ist es immer super praktisch, wenn ich Rollen angeboten bekomme, die irgendwelche Fähigkeiten haben, die ich selbst gerne hätte.
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