"Kann gut sein, dass die KI Gollum spricht"
"Wir sind in großer Sorge und müssen uns darüber im Klaren sein, dass wir über kurz oder lang alle arbeitslos werden": Synchronsprecher und Hörspielstar Andreas Fröhlich (60) verrät, welche Folgen die KI für seine Branche hat. Auch ob er im neuen "Herr der Ringe"-Film wieder als Gollum zu hören sein wird, weiß er nicht: "Es kann gut sein, dass nicht ich Gollum spreche, sondern die KI." Außerdem spricht Fröhlich mit der Nachrichtenagentur spot on news über den jahrzehntelangen Hype um "Die drei ???" und seine Erfahrungen als Hörbuchsprecher des neuen Walter-Moers-Romans "Qwert" (5.11., der Hörverlag).
Sie haben das neue Buch von Walter Moers, "Qwert", als Hörbuch eingesprochen. Wie war das Erlebnis?
Andreas Fröhlich: Ich habe schon einige seiner Bücher eingelesen, aber "Qwert" war anders. Es ist ein echter Moers - nur diesmal auf Speed. Es wird nicht lange gefackelt, schon auf der ersten Seite geht's richtig los. Ich liebe seine berühmten Abschweifungen, aber hier ist es ein echter Page-Turner.
Was fasziniert Sie als Sprecher an seiner Fantasiewelt?
Fröhlich: Für mich als Sprecher ist es die große Herausforderung, die vielen Figuren unterschiedlich zu gestalten und allen eigene Färbungen zu geben. Walter Moers schickt mir vorab Zeichnungen, die später in den Büchern erscheinen. Daraus entstehen bei mir sofort Bilder im Kopf, die Stimmen haben. Dann überlege ich mir, wie etwa ein Gallertprinz aus einer anderen Dimension klingt. Oder die Janusmeduse - da hatte ich Michelle Pfeiffer im Kopf. Der eiserne Ritter war schwierig. Der hat Zahlenschluckauf und klingt leicht mechanisch. Der hölzerne Ritter musste knarzig sein, ein bisschen wie Baumbart aus "Herr der Ringe". So taste ich mich Figur für Figur durch das Manuskript. Die Stimmen muss ich dann alle im Kopf haben, wenn ich lese.
"Qwert" hat fast 600 Seiten. Wie viel Zeit brauchen Sie von der Vorbereitung bis zur fertigen Aufnahme?
Fröhlich: Ich bereite mich sehr intensiv vor. Ich lese das Buch zweimal, bevor ich ins Studio gehe. Dann gibt es ein Vorgespräch mit dem Regisseur - ohne ihn ginge es nicht. Er hat den Überblick, achtet auf stimmliche Konsistenz, Dramaturgie und Spannung. Wir schaffen etwa 70 Seiten am Tag, mit Pausen. Ich muss immer eine Stunde vorher gegessen haben - sonst knurrt der Magen. Und ganz wichtig: Einen Walter Moers sollte man nie in der Erkältungszeit einlesen, wenn die Nase zu ist.
Mögen Sie solche fantastischen Geschichten auch privat beim Lesen oder in Hörbüchern?
Fröhlich: Privat höre ich vor allem alte Hörspiele aus den 50er- und 60er-Jahren. Ich mag die Stimmen, die Akustik, das leichte Knistern und das ruhige Erzähltempo. Dieses Hektische, das wir heute überall haben, brauche ich da nicht. Alte Paul-Temple-Geschichten von Francis Durbridge zum Beispiel entschleunigen mich komplett. Auch von Leuten wie Peter Pasetti kann man nur lernen. Der war jahrelang der Erzähler bei den "Drei ???". Da höre ich einfach zu und lasse mich mitreißen. Das waren große Theaterschauspieler, die das Handwerk perfekt beherrschten.
Sie haben Ende der 1970er angefangen mit den "Drei ???". Wann ist Ihnen klar geworden, wie viel die langlebige Hörspielserie den Fans bedeutet?
Fröhlich: Das haben wir lange gar nicht realisiert. Erst Anfang der 2000er, als wir die ersten Tourneen gemacht haben. Die waren ursprünglich klein geplant - 100, 150 Leute, ein bisschen Musik, ein Geräuschemacher, ein Erzähler. Doch die Säle waren sofort zu klein. Plötzlich saßen da 500, 600 Menschen, und es wurden immer mehr.
Was hat Sie an dieser Fanbegeisterung am meisten überrascht?
Fröhlich: Dass die Leute uns auf der Bühne sehen wollten, obwohl sie uns dadurch ja immer mit den Rollen verbanden. Ich dachte: "Jetzt können sie die Hörspiele nie mehr unbeschwert hören." Aber das Gegenteil war der Fall. Auf den Tourneen hörten wir dann auch zum ersten Mal, was die Serie den Menschen bedeutet. Viele sagten: "In schweren Zeiten, bei Prüfungsstress oder Trauer - ihr wart mein Halt." Das hat uns tief beeindruckt.
Die Figur Bob Andrews begleitet Sie nun seit fast 50 Jahren. Können Sie sich ein Leben ohne ihn vorstellen?
Fröhlich: Ich bin ja nicht das ganze Jahr Bob Andrews. Aber ich habe ihn lieb gewonnen. Anfangs war er eher blass, ein Rechercheur im Hintergrund. Heute ist er ein vollwertiges Mitglied der "Drei ???". Ich mag ihn sehr gerne, seinen Humor, auch wenn ich manchmal nicht sicher bin, ob das eigentlich seiner ist - oder meiner.
Wie viel eigenen Einfluss haben Sie auf die Figur Bob Andrews?
Fröhlich: Ich kann natürlich keine Texte umschreiben. Aber innerhalb des Satzes habe ich Spielraum. Ich kann ihn ironisch, trocken, unsicher oder überlegen sprechen. Es geht um Haltung. Darüber kann man eine Figur stark einfärben.
Fühlt es sich wie ein Familientreffen an, wenn Sie für neue "Drei ???"-Aufnahmen mit Oliver Rohrbeck und Jens Wawrczeck zusammenkommen?
Fröhlich: Ja, absolut. Jens lebt in Hamburg, Olli und ich in Berlin - sogar in der Nähe voneinander. Wir sehen uns also auch außerhalb des Studios. Nach so vielen Jahren ist das mehr als Kollegialität. Ich habe neulich gesagt: Die beiden sind wie Brüder für mich. Man spricht nicht täglich, erlebt nicht ständig Neues zusammen, aber das Band, das einen zusammenhält, bleibt stark. Und das ist bei Olli, Jens und mir definitiv der Fall. Seit 1978 sitzen wir als Justus, Peter und Bob vor dem Mikro. Uns war damals nicht bewusst, dass die Hörspielserie auch fast 50 Jahre später nichts von ihrer Magie verlieren würde. Diese Dauer schweißt zusammen. Wir kennen uns in- und auswendig und wissen genau, wie der andere spielt.
Sie sind seit Ihrer Kindheit auch als Synchronsprecher tätig, unter anderem als deutsche Stimme von Gollum. Andy Serkis arbeitet gerade an einem neuen Gollum-Film. Verfolgen Sie das?
Fröhlich: Ich habe davon gehört. Spannend finde ich es auf jeden Fall - Peter Jackson ist wieder dabei, Ian McKellen wohl auch. Es klingt nach einem neuen Abenteuer. Aber ob ich Gollum wieder sprechen werde, weiß ich nicht. Es gibt keinen Vertrag, ich habe keinen Einfluss darauf. Außerdem hat sich die Branche radikal verändert. KI ist längst auf dem Vormarsch - in der Synchronisation, bei Hörbüchern, überall, wo mit Stimme gearbeitet wird. Wir sind in großer Sorge und müssen uns darüber im Klaren sein, dass wir über kurz oder lang alle arbeitslos werden. Es kann gut sein, dass nicht ich Gollum spreche, sondern die KI.
Welche Erfahrungen haben Sie hier bereits machen müssen?
Fröhlich: Meine Stimme existiert als KI-Stimme längst im Netz, ohne mein Wissen. Sie wird aus Hörbüchern kopiert und in Clips und Spots benutzt, auf die ich keinen Einfluss habe - darunter können auch fragwürdige oder gar verfassungswidrige Inhalte sein, für die ich niemals mein Einverständnis geben würde. Das ist beängstigend.
Können Sie sich dagegen wehren?
Fröhlich: Praktisch nicht. Ich müsste ständig mit Anwalt und einstweiliger Verfügung drohen. Die rechtliche Lage ist ungeklärt, und selbst wenn sie irgendwann geklärt ist, bleibt das Problem der Durchsetzung. Wir haben aber noch die Live-Auftritte auf der Bühne, da kann kein Bot stehen. Deswegen freue ich mich auf unseren neuen "Bobcast", mit dem wir ab Februar live auf Tour gehen. Gemeinsam mit Kai Schwind tauche ich in dem Podcast in die frühen Jahre der "Drei ???"-Hörspiele ein. Wir besprechen alte Folgen, zeigen Videos, erzählen Anekdoten - die Geschichten hinter den Geschichten.
Waren Sie schon "Herr der Ringe"-Fan, bevor Sie damals Gollum gesprochen haben?
Fröhlich: Ja, ich habe die Bücher als Jugendlicher verschlungen. Als dann die Anfrage kam, Gollum zu sprechen, war das ein Glücksfall. Ich durfte nicht nur die Figur synchronisieren, sondern auch die deutsche Übersetzung der Trilogie betreuen, Synchronregie führen und die Stimmen auswählen. Es war eine der schönsten Arbeiten meines Lebens. Ich konnte sehr frei arbeiten, ohne ständige Kontrolle durch Supervisoren. Man wusste, dass ich mich in Tolkiens Welt auskannte, und ließ mich machen. Diese Freiheit, diesen Luxus gibt es heute kaum noch.
Wenn Sie sich heute die Trilogie ansehen: Was geht Ihnen dabei durch den Kopf?
Fröhlich: Ehrlich gesagt, mache ich das ungern. Wenn überhaupt, sehe ich sie im Original auf Englisch - sonst höre ich nur meine eigene Arbeit und entdecke sofort Fehler und kann mich dabei nicht entspannen.
Werden Sie auf der Straße oder beim Einkaufen erkannt?
Fröhlich: Ich werde inzwischen tatsächlich häufiger erkannt - aber meist erst, wenn ich den Mund aufmache. Wenn ich an der Kasse stehe oder etwas bestelle, kommt oft: "Die Stimme kenne ich doch!" Viele können sie erst nicht einordnen, bis der Groschen fällt: "Das ist doch Bob Andrews!" Das passiert immer öfter.
Lesen Sie privat auch vor oder reicht Ihnen das beruflich?
Fröhlich: Früher habe ich meiner Tochter viel vorgelesen, das habe ich geliebt. Heute ist sie fast 19, da lese ich ihr nichts mehr vor. Ich lese generell gern. Aber wenn ich stundenlang im Studio war, bin ich abends erschöpft vom Lesen und kann keine Buchstaben mehr ertragen. Dann greife ich lieber zu einem Bildband, ganz ohne Text. Nur schauen, nicht lesen - das entspannt mich.
SpotOnNews- Andreas Fröhlich
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