Im Roman "Let's talk about feelings" ist die Welt absolut in Ordnung. Trotzdem fragt sich der Szene-Berliner Marian mit Anfang 40: Geht es mit seinem Leben von nun an bergab? Antworten gibt es in Japan, Wolfsburg und im eigenen Laden.

Als vor fünf Jahren "Allegro Pastell" erschien, ein Roman, der sich selbst als "Germany's next Lovestory" bewarb, konnte man sich leicht irritieren lassen. Vielleicht fand man die GNTM-Referenz zu Recht bescheuert, vielleicht war man aber selbst auch ein wenig bescheuert, weil man das ernst nahm.

Nun ist "Allegro Pastell" eine Lovestory, verortet in Deutschland, in einem Milieu aus Lifestyle-Großstädtern um die 30 mit Bürgertumshintergrund, finanziell sorglos und beschäftigt mit Selbstbespaßung und Selbstverwirklichung. Das Protagonistenpaar tritt durchweg durchtherapiert auf und besitzt Vermeidungsstrategien für Gefühlsausschläge nach oben wie unten. Im Herzen apolitische Linksliberale mit meistens okayem Gemütszustand.

Ihre Decathlon-Shoppingtouren, die wohldosierten Ketamin-Kicks in Neuköllner Szenekneipen und ihren nüchtern-reflektierten Emotionsumgang mochte man belanglos finden oder nervig oder deprimierend. Oder man hielt den Autor Leif Randt für einen genialen, in seinem Sound unnachahmlichen Porträtisten einer sich selbst karikierenden Szene.

Autor mit Attitüde

Hinzu kam, dass Randt einige Eigenschaften seiner "Allegro-Pastell"-Hauptcharaktere selbst mitbrachte: Alter (Mitte 30), Wohnort (Berlin und Maintal), Attitüde (cooler Look). Das machte ihn sympathisch selbstironisch und seine Literatur glaubhaft überspitzt. Jetzt ist sein nächstes Werk erschienen, "Let's talk about feelings". Eine Art geistiger Nachfolger von "Allegro Pastell" und selbsternannter "Coming of Middle Age"-Roman.

Wie inzwischen auch Randt ist der Protagonist Anfang 40. Er heißt Marian, führt eine Boutique in Berlin-Schöneberg und verstreut im Anfangskapitel die Asche seiner prominenten Mutter über dem Wannsee. Ihr Tod und sein Eintreten in die vermeintlich "freudlosere Lebenshälfte" sorgen bei Marian zunächst für Anflüge von Beschwerlichkeit. Partys werden häufiger ausgelassen oder zumindest nüchtern bestritten und das Kind der Ex-Freundin lässt Was-wäre-wenn-Gedanken aufkommen.

Die Leserinnen und Leser begleiten den nachdenklichen Hedonismus eines privilegierten Singles, der genügend Zeit und Mittel hat, um viel über Mode zu sinnieren und viel unterwegs zu sein: Halbspontane Trips nach Japan und sehr spontane ins Goethe-Institut von Delhi, selbst genehmigte Auszeiten im väterlichen Ferienhaus auf Teneriffa und Volkswagen-Technopartys in Wolfsburg. Das alles spielt in einem friedlichen Paralleluniversum, in dem es keinen Rechtsruck und keine AfD gibt, stattdessen eine progressive Kanzlerin, auf die sich anscheinend fast alle einigen können.

DJ-Schwester und TV-Vater

Währenddessen pflegt Marian sein familiäres und freundschaftliches Nahfeld, bestehend aus typischen Bubble-Vertretern, darunter die international erfolgreiche DJ-Schwester, der neue beste Werber-Kumpel und der Vater, ein Ex-Tagesthemen-Sprecher, den er unbedingt häufiger anrufen will. Und nach einem verkorksten Drogenabsturz-Date bahnt sich am Ende echt so etwas wie Liebe an und damit die Erkenntnis, dass das mit der "freudloseren Hälfte" gar nicht unbedingt ausgemacht ist.

Die Parallelen zu "Allegro Pastell" sind offensichtlich: Was in "Let's talk about feelings" gemacht und gedacht wird, ist selten bedeutungsschwer, aber häufig klug beobachtet und fast immer unterhaltsam. Es sind Bücher, zu denen sich die Leserinnen und Leser verhalten müssen: Wenn man Randt nicht alles abkauft oder gar Spannung erwartet, sondern sich auf seine Ironie einlässt, werden aus Stereotypen nachvollziehbare Charaktere und wird aus ihrer Gefühlsdämpfung eine mitschwingende Traurigkeit.

Randts Stil ist immer noch unverwechselbar. Er schreibt wie einer, der genau weiß, was er tut, und das überaus routiniert. Wer "Allegro Pastell" gelesen hat, vermisst in "Let's talk about feelings" mitunter die Frische, den Mut. Das führt dazu, dass die vermeintliche Belanglosigkeit schon mal nah am tatsächlich Belanglosen balanciert. Was nicht darüber hinwegtäuscht, dass "Let's talks about feelings" ein großartiger Roman ist über das "Coming of Middle Age" einer Person, die man selbst nicht sein will, höchstens irgendwie ein bisschen.

Haftungsausschluss: Das Urheberrecht dieses Artikels liegt bei seinem ursprünglichen Autor. Der Zweck dieses Artikels besteht in der erneuten Veröffentlichung zu ausschließlich Informationszwecken und stellt keine Anlageberatung dar. Sollten dennoch Verstöße vorliegen, nehmen Sie bitte umgehend Kontakt mit uns auf. Korrektur Oder wir werden Maßnahmen zur Löschung ergreifen. Danke