Robert Wilson brachte den Minimalismus ins Theater
Robert Wilsons Kunst entstand aus der Stille. «In der Ruhe finden wir alle Bewegung. Es gibt immer Bewegung», hielt er 1991 fest. «Ich glaube, wir müssen mit der Stille beginnen. Es gibt keine Stille, es gibt immer Klang.»
Noch der vermeintliche Stillstand ist bewegt. Jede Mikrobewegung drückt eine Mikroemotion aus. Um diese Mikrobewegung sichtbar zu machen und auf die Mikroemotion zugreifen zu können, bedarf es ihrer Zerlegung und analytischen Verlangsamung.
Formstreng bis in die Fingerkuppen
Wilsons Inszenierungen sind unverkennbar. Sei es «Einstein on the Beach», mit dem er weltberühmt wurde, das famose Freischütz-Musical «The Black Rider» oder Virginia Woolfs «Orlando»: Die minimalistische Ästhetik ist auf den ersten Blick unverwechselbar und zieht das Publikum in ihren Bann.

Sattfarbene Lichträume, schemenhafte Gestalten, stark geschminkte Gesichter und abgespreizte Hände. Stilisierte Gesten, klare Linien, starke Achsen. Die Vertikale bedeutet die Zeit, die Horizontale den Raum. Eine strenge Form bis in die Fingerkuppen.
Daraus zog Wilson ab den 60er- und 70er-Jahren eine neue Freiheit, die sich fern des realistischen Theaters entwickelte. Den Äusserlichkeiten so mancher psychologischen Interpretation setzte er einen rigiden Formrahmen entgegen.
Damit wollte der Theaterkünstler eine andersgeartete Innerlichkeit zur Geltung bringen. Das war damals unerhört. Wilsons Kunst war einer antinaturalistischen Avantgarde verpflichtet und zugleich ästhetisch eigenständig.
Als junger Mann kam Wilson aus Texas nach New York – ein Kulturschock. Er erlebte das SoHo der 70er-Jahre und lernte seine Lebensmenschen kennen: den jugendlichen Künstler Christopher Knowles, die Tänzerin Lucinda Childs, die Komponisten Philip Glass und John Cage, den Tänzer Merce Cunningham.

Er bezog ein Atelier in einem Speichergebäude an der Spring Street und gründete dort (in Anlehnung an Andy Warhol) eine Art «Factory» mit offenen Türen. Wer von der Strasse hereinkam, war Teil seiner Truppe.
Vom Flop zum Monumentalwerk
In Europa wurde Robert Wilson 1976 am Festival von Avignon zu einem Begriff. Damals brachte er mit Philip Glass «Einstein on the Beach» heraus. Das Monumentalwerk tourte noch bis in die 2010er-Jahre rund um den Globus.

Wilson hatte die Produktion zuvor in den 70ern ein erstes Mal als selbstfinanziertes Gastspiel an die Met gebracht – damals ein Flop. Er war bankrott.
Die folgenden Jahre produzierte er in Europa, etwa an der Berliner Schaubühne, in Projekten mit dem Dichter Heiner Müller und in Paris. Diese Arbeiten waren stilbildend für eine Generation europäischer Künstlerinnen und Künstler. Bis zu seinem Tod blieb Wilson in Europa bekannter als in den USA.
Der Traum vom Kollektiv
Er war sein eigener Bühnenbildner, designte Möbel und schuf ein zeichnerisches Werk. Die Kehrseite der unverkennbaren minimalistischen Ästhetik war eine gewisse Glätte, eine kunsthandwerkliche Anmutung.

Wilsons Sehnsucht blieb, der Traum vom Künstlerkollektiv und von anderen Produktionsbedingungen wie einst an der Springstreet. Er verwirklichte ihn in seinem Watermill-Center auf Long Island, das ganz seinen Geist atmet. Es bietet jungen Kunstschaffenden Ruhe, kreativen Raum und ein Netzwerk. Es bleibt sein stilles Vermächtnis.
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