Kaum ein Sommer vergeht, ohne dass das Filmfestival von Locarno schon vor dem ersten Film für Schlagzeilen sorgt. Letztes Jahr war es die Verschiebung des Veranstaltungsdatums, dieses Jahr steht die Leinwand im Fokus: Die Konstruktion wird ersetzt – und stösst damit auf Gegenwind.

Stararchitekt Mario Botta hat unterschrieben

«Don’t touch the screen» nennt sich eine Online-Petition, die von renommierten Architekten und Filmschaffenden lanciert wurde. Ihr Ziel ist die Rettung der über 50 Jahre alten Gitterstruktur, welche die berühmte Grossleinwand auf der Piazza Grande trägt.

Rund 7000 Menschen haben bereits unterschrieben. Darunter prominente Namen wie der Tessiner Architekt Mario Botta, Regisseur Silvio Soldini oder Filmemacher Villi Hermann.

Legende: 2024 war die Leinwand auf der Piazza Grande noch auf der altbewährten Gitterstruktur aufgespannt. KEYSTONE/JEAN-CHRISTOPHE BOTT

Beim Filmfestival Locarno zeigt man sich überrascht. Künstlerischer Direktor Giona A. Nazzaro sagt, es gehe nicht um den Ersatz der Leinwand selbst, sondern lediglich um eine neue, effizientere Bauweise: «Niemand will die Leinwand weghaben – der Titel der Petition ‹Don’t touch the screen› hat mich deshalb erschreckt.»

Die neue Konstruktion soll schneller auf- und abgebaut werden können und jährlich rund 150’000 Franken einsparen. Die künstlerische Wirkung, so Nazzaro, bleibe vollständig erhalten.

Diese Leinwand ist das Symbol des Filmfestivals.
Autor: Michele Bardelli Architekt aus Locarno

Doch genau daran zweifeln die Initiantinnen und Initianten der Petition. Für den Locarneser Architekten und ehemaligen Stadtrat von Locarno, Michele Bardelli etwa steht fest: Die Leinwand ist nicht einfach ein Bildschirm, sondern das architektonische Symbol des Festivals – ein Teil der Identität von Locarno.

«Diese Leinwand ist das Symbol des Filmfestivals schlechthin, sie ist sogar auf der 20-Franken-Note abgebildet», erklärt Bardelli. Die ursprüngliche Struktur wurde Anfang der 1970er-Jahre vom Tessiner Architekten Livio Vacchini entworfen – eine filigrane Gitterkonstruktion, die bewusst sichtbar war und der Piazza Grande eine eigene Handschrift verlieh.

Die neue Variante sei ein «schwarzer Kasten», kritisiert Bardelli. «Wenn das Licht ausgeht, sieht man einen Unterschied. Die alte Struktur hatte Tiefe, Präzision und Charakter – jetzt wird einfach eine Plane gespannt.»

Kommunikationsfehler des Filmfestivals

Locarno-Direktor Nazzaro räumt ein, dass man es verpasst habe, die Öffentlichkeit und vor allem die Erben Vacchinis frühzeitig einzubeziehen. «Das war ein Kommunikationsfehler», sagt er heute. Dennoch verteidigt er die Entscheidung. Die neue Konstruktion sei funktional, modern und im Sinne eines nachhaltigen Festivalbetriebs.

Ob das Publikum das auch so sieht, zeigt sich ab dem 6. August. Dann beginnt das 78. Locarno Film Festival – und mit ihm auch die Bewährungsprobe für die neue Leinwand. Die Petitionäre planen, während des Festivals weiterhin Unterschriften zu sammeln. Denn schon im nächsten Jahr soll die Originalstruktur zurückkehren – als sichtbares Zeichen einer kulturellen Kontinuität, die mehr ist als nur Nostalgie.

Haftungsausschluss: Das Urheberrecht dieses Artikels liegt bei seinem ursprünglichen Autor. Der Zweck dieses Artikels besteht in der erneuten Veröffentlichung zu ausschließlich Informationszwecken und stellt keine Anlageberatung dar. Sollten dennoch Verstöße vorliegen, nehmen Sie bitte umgehend Kontakt mit uns auf. Korrektur Oder wir werden Maßnahmen zur Löschung ergreifen. Danke