Leere Gotteshäuser: Hilft bald nur noch beten?
Immer mehr Menschen kehren der Religion den Rücken. Und zwar so erheblich, dass selbst der Religionssoziologe Detlef Pollack überrascht ist. Als Beispiel nennt der Co-Verfasser der neuen Studie «Religion der Moderne» den Rückgang in religiösen Hochburgen wie Polen.
Man ist von der Religion abgelenkt – schätzt anderes wichtiger ein.
Noch bis vor wenigen Jahren war Polen erzkatholisch. Zwei Drittel der Menschen glaubten an die Lehren der katholischen Kirche. Jetzt ist es nur noch rund ein Drittel der Bevölkerung. «Es ist ein erdrutschartiger Zusammenbruch der Religiosität in Polen», sagt Pollack.
Säkularisierung beschleunigt sich
Die Säkularisierung schreitet seit Ende der 1960er-Jahre in Europa und den USA voran. In den letzten 15 Jahren hat sich dieser Prozess aber deutlich beschleunigt. Dafür gebe es unterschiedliche Gründe: «Es ist nicht so sehr die Ablehnung von Religion, sondern vielmehr, dass man von der Religion abgelenkt ist und anderes als wichtiger einschätzt», erklärt Detlef Pollack
Will heissen: Die Liberalisierung und Individualisierung der Gesellschaft lässt dem einzelnen Menschen mehr Wahlfreiheit. Pollack nennt die familiäre und berufliche Selbstverwirklichung, Freizeit, Konsum, zivilgesellschaftliches Engagement: «Bei all dem spielte früher die Religion eine Rolle. Heute kann man all das aber auch ohne Religion machen. Die Religion gerät ins Hintertreffen.»
Der «Gottesstaat» verliert seine Gläubigen
Es gibt aber auch länderspezifische Gründe, warum Menschen sich von der Religion abwenden. Detlef Pollack nennt das Beispiel des Iran: Die islamische Republik setzt ihre religiöse Ideologie mit autoritären Methoden durch – «mit Folter, mit Repression, mit Unterdrückung. Und so lehnen die Menschen nicht nur das Regime ab, sondern auch den Islam.»

Der Gottesstaat verliert also seine Gläubigen. Je nach Quellen bezeichnen sich nur noch 30 bis 40 Prozent der Bevölkerung als muslimisch. Nirgendwo im Nahen Osten ist die Zivilbevölkerung so säkular wie im selbsternannten Gottesstaat. Dabei war der Iran noch in den 1970er- und 1980er-Jahren ein tiefreligiöses Land.
Evangelikale vergraulen die Moderaten
Ein interessantes Phänomen ist auch in den USA zu beobachten: Etwa 20 Prozent der Bevölkerung sind evangelikale Christen und Christinnen. Sie haben konservative Überzeugungen zu gesellschaftspolitischen Themen wie Homosexualität oder Abtreibung. Politisch gewinnen die Evangelikalen zunehmend an Einfluss, gerade unter Präsident Trump.
Gleichzeitig führt diese Allianz zu einer Gegenbewegung: Viele nur moderat religiöse Menschen wenden sich ganz von der Religion ab. «Gerade, weil ihnen die Art und Weise, wie die Evangelikalen ihre Religion praktizieren, zuwider ist. Und so gehen sie zu Religion insgesamt auf Distanz», sagt Detlef Pollack.
Gott ist noch nicht tot
Knapp ein Drittel der Bevölkerung in den USA bezeichnet sich heute als konfessionslos. «Im 20. Jahrhundert bewegte sich der Anteil der Konfessionslosen noch durchgehend im einstelligen Prozentbereich – auch in der religiösen Hochburg USA sehen wir also einen bedeutenden Umbruch.»
Weltweit nimmt die Bedeutung von Religion rapide ab. Immer mehr Menschen interessieren sich immer weniger für welchen Gott auch immer. Trotzdem: Glaubensvorstellungen sind noch lange nicht tot. Noch immer bezeichnet sich die Mehrheit der Weltbevölkerung als religiös.
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