Autsch, diese Show tut weh
Knapp eine Milliarde Plays auf den Streaming-Plattformen, der Soundtrack von zwei Millionen Tiktok-Posts, Heavy-Rotation im Radio: «Messy» gehört zu den grössten Viral-Hits des vergangenen Pop-Jahres und hat Lola Young den Weg zur internationalen Karriere geebnet. Dieses Jahr spielte sie mit Coachella und Glastonbury an zwei der renommiertesten Festivals der Welt. Warum zieht die Londonerin nun so einen Lätsch auf dem Gurten?
Sie verrät es zunächst nicht. Und arbeitet sich stattdessen pflichtbewusst, aber mit versteinerter Miene durch ihre zwischen wohliger Wärme und trotziger Trauer tänzelnden Soul-Pop-Songs. «Wish You Were Dead» hat Mitreiss-Potenzial und «Don't Hate Me» trieft vor Coolness – eigentlich.
Die guten Nummern fliegen am Donnerstagabend über die Gurtenfestival-Menge hinweg, die 24-Jährige verpasst den Anschluss zum Publikum und bald verkommt ihre grossartige Stimme vor lauter Gesprächen vor der Hauptbühne gar sehr zum Nebengeräusch.
Wo drückt's denn, Lola?
Erst nach der Hälfte des Sets schafft es Lola, sich von ihrem Mikrofonständer zu lösen und zaubert ihrer Band direkt ein Lächeln auf die bis anhin versteinerten Lippen. Die Musikerinnen und Musiker drücken aufs Effektpedal und «You Noticed» ist der erste Track, der die Gespräche in der Crowd in Jubelrufe verwandelt.
Als hätte sie das Konzert neu gestartet, stellt sich Lola Young ein zweites Mal vor und fügt fast schon beiläufig an: «Das tut zwar nichts zur Sache, aber mein Zahn schmerzt.» Da haben wir's. Und sofort ist allen, die ihr noch zuhören, klar, warum der Funke nicht nur nicht überspringt, sondern im Keim erstickt zu sein scheint: Wer Zahnweh hat, hat keinen Bock zu sprechen, geschweige denn vor 20'000 Leuten zu singen.
Kaum ist das Geheimnis ausgesprochen, versprüht die Künstlerin auch etwas von dem schnoddrigen Charme, den ihre Fans an ihr lieben. «Falls jemand denkt, ich hätte mir die Lippen aufspritzen lassen: Habe ich nicht», versichert sie, «das ist nur wegen des Zahns.»
Lola drückt ab, aber nicht genug
Die restliche Performance deutet dann an, wie ein zahnschmerzloses Konzert von Lola Young ablaufen könnte: Eine kompetente Band im Flow, eine Frontfrau, die keine Show abzieht und gerade deswegen überzeugt und Publikumshüften, die im Takt der poppigen R&B-Nummern mitwippen.
Ein loderndes Feuer bricht allerdings nicht mehr aus. Dafür warten dann doch zu viele Leute vor allem auf den Überhit «Messy», der den Gurten zwar endlich in Schwung bringt, nach einer Dreiviertelstunde aber schon das Finale des Gigs markiert. Für einen Hauptbühne-Slot ist das schlichtweg zu kurz. Auf dass die Zahnschmerzen bei Lola Young weniger und die Songs auf der Setlist mehr werden.
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