Leben zwischen Touristen und Business-Apartments
«Die Altstadt ist ein Ort, den man gerne zeigt, wenn man Freunde zu Besuch hat», sagt Judith Schubiger, Leiterin des Heimatschutzzentrums in Zürich und Kuratorin der neuen Ausstellung. Die Altstadt habe für viele Menschen einen hohen Stellenwert: Sie vermittle das Gefühl, dass hier die «Seele einer Stadt» zu finden sei – das «Authentische».
Altstädte in der Schweiz sind geprägt von einer historischen, oft mittelalterlichen Bausubstanz. Häufig sind sie begrenzt durch frühere Befestigungsanlagen wie eine Stadtmauer oder Überreste davon.
Ein Kleinod unter Beschuss
Altstädte gingen in den städtebaulichen Debatten heute oft vergessen, sagt Judith Schubiger. Dabei sei die Gestaltung dieses Raums besonders komplex, allein schon deswegen, weil hier verschiedene ökonomische Interessen kollidieren: Wenn Immobilien-Konsortien mit Business-Apartments die Mieten in der Altstadt in die Höhe treiben, kann sich das Kleingewerbe diesen Standort nicht mehr leisten und muss wegziehen.

Auch der städtebauliche Ruf nach Verdichtung ist mit denkmalgeschützten Bauten kaum umsetzbar. Die Forderung nach Barrierefreiheit scheitert an manchen Orten schon am Kopfsteinpflaster. Und wer in der Altstadt wohnt oder arbeitet, fühlt sich oft durch lärmende Scharen von Touristen in den Gassen gestört.
Visionen für das Spannungsfeld Altstadt
Wie dieser intensiv genutzte städtische Raum heute attraktiv gestaltet werden kann, zeigt die Ausstellung anhand von Beispielen auf. Kuratorin Judith Schubiger hat sie mit Menschen zusammengetragen, die in 20 Schweizer Altstädten zu Hause sind.
Da ist in Genf etwa die «Manège en Ville», ein Quartiertreffpunkt. Die Stadt hat das Gebäude 2015 gekauft. Es war 1829 als Pferdestall errichtet worden und diente ab den 1950er-Jahren als Parking. Heute sind hier eine Ludothek, ein Raum für Eltern und Kinder und eine Mehrzweckhalle untergebracht.
Und da ist ein Projekt, das sich als «grünste Gasse der Schweiz» ausgibt, die Postgasse in Bern. Hier habe man herausfinden wollen, wie man mit Bewohnerinnen und Bewohnern eine Altstadt begrünen kann, sagt Matthias Erb, Professor für Pflanzenwissenschaften, in der Ausstellung. Die Krux: Der Raum darf baulich nicht verändert werden. Die Pflanzen können also nur in mobilen Töpfen aufgezogen werden.
In der Postgasse gedeihen mittlerweile über 200 Pflanzen. Das Projekt wurde zusammen mit der Universität Bern, der Stadtverwaltung und Unternehmen realisiert.

Matthias Erb zieht eine positive Bilanz in Bezug auf die Biodiversität und die Lebensqualität: «Wir sehen da einen Ansatz, der sich transferieren lässt auf ganz Europa.»
Allerdings bedeute eine solche kleinteilige Möblierung mit Pflanzen-Töpfen in engen Gassen mehr Aufwand bei der Säuberung des öffentlichen Raums. Dies mache eine anstrengende Handarbeit mit der «Fötzeli-Zange» nötig, sagt Lisa Wyss von der Stadtreinigung Zürich.
Eine Ausstellung wie eine Altstadt
Das Heimatschutzzentrum beleuchtet den «Kosmos Altstadt» aus sehr unterschiedlichen Perspektiven. Sie porträtiert anhand von Audio- und Videodokumenten innovative Projekte aus der ganzen Schweiz. Die Ausstellung ist in der Villa Patumbah in Zürich zu sehen, verdichtet auf kleinem Raum – wie in der Altstadt.
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