«Wer ein Kunstwerk liebt, hat mehr davon als von einer Aktie»
An der Art Basel trifft sich die Kunstwelt. Doch wie blickt jemand auf die Messe, die sie seit Jahrzehnten besucht? Kunsthistorikerin Marianne Karabelnik ordnet ein und sagt, warum der Kunstkauf kein Investment sein muss, sondern eine Herzenssache ist.
SRF: Frau Karabelnik, Sie waren bereits bei einer der Vorveranstaltungen zur Art Basel 2025. Wie wirkt die Messe dieses Jahr auf Sie?
Marianne Karabelnik: Die eigentliche Art Basel hat heute erst für die Fachbesucher geöffnet, aber bereits gestern ging es los mit den «Unlimited»-Installationen. Das sind riesige Werke, die in den Galerieständen keinen Platz hätten. Es war voll, viele standen an – das Interesse ist riesig. Daneben gibt es zahlreiche kleinere Messen, oft mit noch unbekannten Künstlerinnen und Künstlern. Wer ein kleines Portemonnaie hat und trotzdem Kunst kaufen will, wird dort sicher eher fündig.
Was hat sich über die Jahre an der Messe am stärksten verändert?
Am meisten das Publikum. Früher war es fast ausschliesslich Fachpublikum, man kannte sich untereinander. Heute ist es durchmischter, deutlich jünger.
Viele lieben Kunst, gehen aber nicht an die Art Basel, weil sie denken: Dort geht’s nur ums Geld.
Es gibt viel mehr Künstlerinnen und Künstler, die selber kommen, einfach, um zu sehen, was läuft. Und natürlich viele Sammler mit Geld und Lifestyle-Attitüde. Das ist schon ein anderer Typ Sammler als früher.
Kunst wird ja oft als Milliardenmarkt beschrieben. Wie behält man da den Überblick?
Ehrlich gesagt: gar nicht mehr. Ich kenne niemanden, der noch weiss, was alles gezeigt wird – zu viele Galerien, zu viele Plattformen, zu viele Länder.
Aber wer offen bleibt, kann viel erleben.
Alles verschmilzt. Kunst ist heute auch Lifestyle. Museen sind überfüllt. Viele Menschen lieben Kunst, gehen aber nicht an die Art Basel, weil sie denken: Dort geht’s nur ums Geld. Das stimmt zwar zum Teil, aber wer offen ist, kann dort trotzdem berührende Erlebnisse haben.
Überfordert einen die Messe auch manchmal?
Ja, auf jeden Fall. Für mich ist die Art Basel jedes Jahr auch eine Lektion: Wie viel kann ich aufnehmen? Wie tief gehe ich hinein? Wie sehr engagiere ich mich? Man wird geradezu erschlagen vom Angebot. Aber wer offen bleibt, kann viel erleben.
Viele fürchten, etwas zu kaufen, das bald wertlos ist. Ist diese Angst berechtigt?
Ja, die Wahrscheinlichkeit, dass ein Werk massiv an Wert verliert, liegt sicher bei 90 Prozent.
Bei einer Aktie habe ich ein Papier. Bei einem Kunstwerk habe ich ein Gefühl.
Aber wenn ich ein Kunstwerk kaufe, geht es doch in erster Linie darum, was es mir bedeutet. Ich bekomme etwas fürs Geld: etwas, das ich anschauen, erleben und fühlen kann. Bei einer Aktie habe ich ein Papier. Bei einem Kunstwerk habe ich ein Gefühl.
Also lieber Kunst an der Wand als Zahlen auf dem Bildschirm?
Für mich ganz klar. Wenn ein Werk mich berührt, mir etwas sagt, dann ist es mehr wert als jede Rendite.
Was raten Sie jemandem, der zum ersten Mal an die Art Basel geht?
Offen bleiben und nicht von den Preisen abschrecken lassen. Es gibt viele Gratisveranstaltungen in der Stadt. Und manchmal entdeckt man gerade in den kleinen Messen das, was einen wirklich berührt.
Was macht für Sie ein gutes Kunstwerk aus?
Dass es mir etwas sagt. Dass ich es immer wieder anschauen will. Und dass ich mich frage: Warum berührt es mich gerade heute? Das hat nichts mit dem Preis zu tun – nur mit mir.
Das Gespräch führte Elena Bernasconi.
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