Ein strukturelles Problem
Häusliche Gewalt war das Thema im Dortmunder "Tatort". Kürzlich erst hat der Bundestag das sogenannte Gewalthilfegesetz beschlossen. Ein überfälliger Schritt, der lediglich einen Haken hat: Das Gesetz tritt erst 2032 in Kraft.
Anno 1976 wurde es in Berlin eröffnet, das erste Frauenhaus Deutschlands, das Frauen Schutz vor der Gewalt ihrer Ehemänner und Freunde bieten sollte. Seinen Ursprung hatte es in der autonomen Frauenbewegung, das Familienministerium finanzierte, heute hängt eine Gedenktafel am Haus in der Richard-Strauss-Straße 22 im Stadtteil Grunewald. "Gewalt ist kein privates, sondern ein strukturelles Problem", heißt es da. "Autonom, solidarisch und hierarchiefrei", wurde es vom feministischen "Frauen helfen Frauen e.V." betrieben. Im Jahre 2000 schloss es seine Türen, der verantwortliche Trägerverein löste sich auf. Von Generationenkonflikten und unterschiedlichen Vorstellungen war die Rede.
Heute haben Frauenhäuser in Deutschland längst den Weg von den autonomen Gruppen in die Mitte der Gesellschaft gefunden, im Kern keine gute Nachricht, denn es zeigt, wie hoch der Bedarf ist, wie aktuell das Thema, wie akut und durch alle Schichten die Bedrohung für Frauen ist. Am Sonntagabend zählte ein Frauenhaus beim Dortmunder "Tatort" zu den Schauplätzen, häusliche Gewalt zur Primetime. Der Fall um die getötete Meike Gebken (Nadja Becker), die vor ihrem Mann ins Frauenhaus geflüchtet war, ein wohl exemplarischer Fall, wenngleich dramaturgisch natürlich angereichert.
Beinah täglich stirbt in Deutschland eine Frau an häuslicher Gewalt, so sagt es das Lagebild des Bundeskriminalamts. "Jede dritte Frau wird mindestens einmal in ihrem Leben Opfer von physischer oder sexualisierter Gewalt. Jede dritte Frau - das heißt, wir alle kennen jemanden", so Lisa Paus, bis vergangenen Monat Grünen-Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. Die Zahlen sind dramatisch, jede einzelne ein tragisches Schicksal: 2023 wurden mehr als 52.000 Frauen Opfer von Sexualstraftaten, das bedeutet einen Anstieg von 6,2 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Noch dramatischer sind die Zahlen bei den Fällen von häuslicher Gewalt: mehr als 256.000 Betroffene, davon mehr als 70 Prozent Frauen und Mädchen, weist die Statistik aus. 360 Frauen wurden 2023 von Partnern oder Ex-Partnern getötet - also, siehe oben, fast jeden Tag ein Femizid.
Gesetz tritt erst in sieben Jahren in Kraft
Rund 400 Frauenhäuser sowie über 40 Schutz- oder Zufluchtswohnungen mit mehr als 6000 Plätzen stehen heute in Deutschland zur Verfügung, zudem etwa 750 Fachberatungsstellen bei Gewalt gegen Frauen. Ein grundlegendes Problem ist die Finanzierung. In Nordrhein-Westfalen beispielsweise müssen Frauen mit geregeltem Einkommen die Kosten von 25 bis 100 Euro am Tag selbst tragen, je nach Bundesland variieren die Bestimmungen.
Abhilfe schaffen soll nun das sogenannte Gewalthilfegesetz, aus dem sich der Rechtsanspruch auf Schutz ergibt. Kosten für Beratung und Unterbringung sollen demgemäß erstattet werden, über 2,5 Milliarden Euro will die Bundesregierung bereitstellen. Ende Januar wurde das Gesetz beschlossen, am 14. Februar hat der Bundesrat dem Gesetz "für ein verlässliches Hilfesystem bei geschlechtsspezifischer und häuslicher Gewalt" zugestimmt. Von einem "historischen Moment" sprach Lisa Paus, und in der Tat - es ist ein längst überfälliger Schritt, bei dem sich eine Frage dennoch aufdrängt: Warum kann dieses Gesetz erst 2032 - zum Mitschreiben: in sieben Jahren - in Kraft treten?
Sieben Jahre - geht man von den aktuellen Zahlen aus, sind das 2500 Femizide. Sieben Jahre - "damit sollen die Länder genug Zeit haben, ihre Hilfesysteme entsprechend auszubauen", so steht es auf der Website des Bundesministeriums für Bildung, Familie, Senioren, Frauen und Jugend. "Wir haben nichts zu verlieren außer unserer Angst", so stand es auf einem Flyer zum zehnjährigen Jubiläum des ersten Frauenhauses. Angesichts der aktuellen Zahlen ist jedoch auch klar: Es gibt keine Zeit zu verlieren.
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